Wenn ich früher (damit meine ich die Zeit vor meinen Kindern) in Berlin unterwegs war, ging das ungefähr so: Kurz auf die Uhr geschaut, Mist!, schon wieder zu spät. Noch schnell einen Apfel schnappen, Jacke über den Arm werfen und los, aufs Rad. Über dunkelorangene Ampeln fahren und es in der Toleranzgrenze von fünf Minuten doch noch rechtzeitig zur Verabredung schaffen. Wenn ich einen Zug erwischen musste und es gut lief, stieg ich an der Station Schönleinstraße in die U8 ein, einmal umsteigen am Alexanderplatz, weiter mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof. Noch schnell einen Kaffee kaufen und rein in den Zug. Das alles war innerhalb von 20 bis 25 Minuten gut zu schaffen. Wenn es schlecht lief, bestellte ich ein Taxi, das ruckzuck da war und genau so schnell am Bahnhof. An guten Tagen ging das innerhalb von 15 Minuten.
Jetzt habe ich zwei Töchter, eine davon ist mehrfach behindert. Sie ist knapp drei Jahre alt und kann nicht laufen. In ihrem Schwerbehindertenausweis steht 100 Prozent und die Buchstaben G, aG, H, Gl, RF. Ziemlich viele Buchstaben für so eine kleine Person. Wir, ihre Eltern, sind auf ein Leben mit ihr im Rollstuhl eingerichtet. Zur Zeit ist sie noch so klein, dass sie problemlos in einen Kinderwagen passt – zum Glück auch in einen Doppelwagen mit ihrer Schwester. Dieser Doppelwagen hat übrigens das Format eines Rollstuhls. Das Unterwegssein damit ist eine gute Übung für „später“. Weiterlesen
Im Juni 2014 habe ich im Text Barrieren in den Köpfen beschrieben, wie es ist, mit zwei Kindern – eines davon gehbehindert – in Berlin unterwegs zu sein. Wir wir einige Züge verpasst haben, weil wir so lange auf den Fahrstuhl warten mussten; wie wir Umwege fahren müssen, weil Berlin noch weit davon entfernt ist, barrierefrei zu sein. Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Umso wichtiger ist es zu wissen, welche Orte barrierefrei erreichbar sind. Welche Cafés eignen sich für uns, sie mit beiden Kindern zu besuchen? Wo kann ich mich mit Freund_innen treffen, die eine barrierefreie Toilette benötigen? Welche Läden haben eine Rampe? Bei welchem Bäcker kann ich gemeinsam mit meiner Freundin im Rollstuhl einkaufen – statt für sie einkaufen zu müssen, weil sie vor der Stufe am Eingang bleiben muss?
Heute, am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung starten die Sozialhelden in Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation WHO die Kampagne #MapMyDay. Ziel ist es, so viele barrierefreie Orte wie möglich auf der ganzen Welt zu markieren – so dass mobilitätseingeschränkte Menschen es leichter haben, einen selbstbestimmten Alltag zu leben. Für mehr Freiheit für alle Menschen. Infos zum Mitmachen gibt es auf der Seite mapmyday.org
Happy Barrierefreiheitstag allerseits!
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