Mit der Trauer im Netz

by Mareice Kaiser

Mareice Kaiser
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Nur ein einziges Mal hören: “Ich weiß zwar nicht, wie du dich fühlst, aber ich höre dir zu”, das wäre schön. Das wäre hilfreicher als zu glauben, der Umgang mit dem Tod sei uns in die Wiege gelegt worden und dann irgendwann festzustellen, dass das eine Lüge ist. Zuhören und im Herz ein einziges Mal Platz schaffen, für etwas, dass wir alle niemals verstehen werden. Aber was wir lernen könnten, wenn wir aufhören zu glauben, dass wir alles können. Wir können ja auch alles, nur nicht trauern.*

Eine Sammlung von Texten, Interviews und digitalen Fundstücken, die mich auf meinem Weg mit der Trauer um meine kleine große Tochter begleiten. Wie die Texte von *Sarah Riedeberger. Sie ist als sechstes Kind einer Großfamilie zum Schreiben geboren, um über den Tod zu sinnieren. Auf ihrem Blog Wir sind noch hier schreibt sie uns den Tod zu Füßen.

Vor vielen vielen Wochen habe ich gedacht, dass ich nie wieder in einer Art und Weise atmen kann, wie es zum Überleben notwendig ist. Atmen als Imperator. Wer nicht atmet, der lacht auch nicht. Wer nicht atmet, der lebt auch nicht. Wer nicht atmet, der schreibt auch nicht. Die Zeit heilt nur die Gesunden

Den Kindern den Tod zu erklären war einfacher, als es selbst zu verstehen. Wir Kinder und der Tod

Wie soll man mit Kindern darüber sprechen? Die Psychologin Barbara Cramer sagt: Möglichst ehrlich. Wie Kinder trauern und Der Schmerz kommt in Schüben

Jeder Moment mit dir ist in mir eingebrannt und ja, da bist du noch – in mir und in all den Bildern aus den vielen Jahren mit dir. Aber hier, bei mir, da bist du nicht. Und alle Erinnerung, so schön sie ist, kann das nicht ersetzen. Die Lücke füllen, die du hinterlassen hast. Nichts und niemand kann das. Anna schreibt einen Brief an ihre verstorbene Mutter. Über die Unbescheidenheit der Sehnsucht

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Ich spüre gar nichts. „Sie sind ja sehr gefasst.“ Ich bin überhaupt nicht gefasst, ich habe nur nichts verstanden. Barbara erinnert sich an ihre Fehlgeburt im fünften Schwangerschaftsmonat. Gezeugt, geboren und begraben

Nicole hat ihre Tochter tot geboren und auf ihrem Blog darüber geschrieben. Sie kann es nicht hören, ich singe ihr trotzdem was. Dieses Lied, das erste Mal an der Luft, das allerletzte Mal. Vor Toten kann mir meine Stimme nicht peinlich sein. Oh, ktober
Es ist leicht. Es ist so leicht. Leichtigkeit

Tobias spricht im Podcast WRIT über den Tod seines behinderten Sohnes Justian. Wer redet, ist nicht tot

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Ich brauche Klarheit über das Sterben. Sonst werde ich das Erlebnis nicht los. Ein zweites Mal will ich dem Tod nicht unvorbereitet begegnen. Aber wie kann man Sterben lernen, ohne selbst betroffen zu sein? Von einer, die auszog, das Sterben zu lernen

Ich kann verstehen, wenn Menschen sich nicht damit beschäftigen möchten. Es ist ein abschreckendes Thema. Daher machen wir das auch. Wir sind zwei Leute, mit denen du auch abends ein Bier trinken könntest. Das ist was anderes, als mit jemandem zu sprechen, der 30 Jahre älter ist, Schlips trägt und dich streng anschaut. Lea und Eric, zwei junge Bestatter_innen, im Gespräch. Bis dass der Tod uns eint

Chris Paul ist Trauerbegleiterin und spricht in zwei Interviews darüber, wie man mit der Trauer leben und wie man Trauernde unterstützend begleiten kann.

Indem wir uns wieder dem Tod zuwenden und ihn als einen Teil des Lebens akzeptieren, kehren wir nur zu unseren Wurzeln zurück, mehr nicht. Madita und Anemone, zwei junge Trauerarbeiterinnen, im Gespräch. Wir setzen uns nicht mehr mit dem Tod auseinander

Neben dem Tod ist jedes „Problem“ nur ein Füllwort, um den Nachmittag voll zu bekommen. Ein Füllwort, wie beispielsweise Ikea. „Ich kann da nie an den Kerzen vorbei, kennste, oder. Das ist sooo schrecklich.“ Ja, schrecklich. Kenne ich aber nicht. Wir können alles, nur nicht trauern

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Alle Fotos: Carolin Weinkopf <3

38 Kommentare zu “Mit der Trauer im Netz

  1. Pingback: KW 9 #ohneworte – M i MA

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  3. danke für die bewegenden eindrücke hier….für mich hat die trauer etwas von einem dunklen himmel an dem sich ein kleiner regenbogen abzeichnet…..dieses gefühl von schwarz, düster und unvermittelt sanfte farben durch die öffnung des himmels….so ähnlich hab ich mich beim lesen des buches ” dem himmel so nah” (texte zur trauer) geffühlt , vor allem aber verstanden……herzliche grüsse

  4. Liebe Mareice!
    Danke das du wieder schreibst!
    Als ich erfuhr, dass deine kleine Kaiserin gestorben ist, dachte ich, dass jetzt ein Teil des Kaiserinnenreiches gestorben ist und das du jetzt vielleicht nie wieder schreibst! Ich kann es mir nicht vorstellen, wie es ist sein eigenes Kind zu Grabe zu tragen und ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie du hier weitermachen würdest, wenn du wolltest. Ich weiß nicht, ob ich die richtigen Worte gefunden hätte. Du hast sie gefunden. Vielen Dank dafür!
    Ich wünsche euch alle Kraft der Welt für euren weiteren Weg ohne die kleine große Kaiserin. Ich bin mir sicher sie ist immer bei euch!
    Ganz liebe Grüße Felicitas

  5. Hallo Mareice,
    danke, dass du uns mitgenommen hast ins Kaiserinnenreich, danke, dass du von Kaiserin 1 erzählt hast und danke, dass du auch deine Trauer teilst.
    Ich habe mit fünf Jahren meine Zwillingsschwester verloren, die mit einer schweren Behinderung auf die Welt gekommen ist – leider habe ich nur wenige Erinnerungen an sie. Auf meinem Blog schreibe ich darüber. https://meineschwestertotundichhier.wordpress.com/
    Liebe Grüße

  6. Liebe Mareice,
    gerade bin ich über deinen artikel in umstandslos auf deine seite gekommen, begeistert noch eine ansprechpartnerin für ein in planung stehendes feministisches müttertreffen in berlin gefunden zu haben. Deine seite emfing mich mit dem thema trauer, das thema, das seit februar letzten jahres mein leben im schraubgriff hat und das ich doch nicht begreife…
    Danke für diese sammlung, es muss dich eine überirdische kraft gekostet haben sie zusammenzustellen, ich wünsche dir, dass die schönen momente der letzten jahre dein leben begleiten! Meine unlößbare gleichung lautet,

    Die Große ist die Zukunft,
    die Zukunft ist tod!
    Die Kleine ist die Zukunft,
    die Zukunft lebt!

    Alles liebe und viel Sonne, Ronja lässt sie scheinen und auch Eure Kaiserin1!!!!

  7. Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
    und er verarmte mir in den Armen
    und wurde klein, und ich wurde groß:
    und auf einmal war ich das Erbarmen,
    und er eine zitternde Bitte bloß.

    Da habe ich ihm seinen Himmel gegeben –
    und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
    er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
    und wir haben uns langsam einander erkannt…

    Rainer Maria Rilke
    Engellieder

    Dieses Gedicht hilft mir manchmal über die Trauer meiner Fehlgeburt hinweg und auch über das unfassbare Leid meiner Mutter, die ihre 5 jährige Tochter (meine Schwester) aufgrund eines niemals greifbaren Todes verlieren musste.
    Es lässt Raum zum Weinen, spendet Trost und wirkt irgendwie heilsam.
    Euer Schicksal berührt mich sehr.
    Ich wünsche Euch von Herzen alles Liebe
    Lissy

  8. Wie schön, dass du wieder da bist, liebe Kaiserin Mareice.
    Eure Trauer hättet ihr nicht tiefer und besser ausdrücken können, als durch diese lange Zeit der Stille auf diesem Blog.
    Ich wünsche euch und der kleinen Schwester alles erdenklich Liebe und gute auf eurem weiteren Weg,
    stefanie

  9. Es tut mir sehr leid von dem Tod Deiner großen, kleinen Tochter zu hören. Ich bin selbst Mutter von einem Sohn mit genetischer Besonderheit (IDIC 15) mit 9 Monaten Intensivstation und ähnlichen Erfahrungen, wie denen, die Du im Blog geschrieben hast. Danke dafür.
    Aus der Erfahrung von fünf Abschieden mit fehlgeboren Kindern, weiss ich ich, wie schwer das Thema Trauern und Abschied von Kindern ist. Was mir geholfen hat, ist die Anwesenheit der Seele zu spüren und den Kindern einen Platz in meinem Leben zu geben. Erst tut es unendlich weh, diesen Platz mit Erinnerungsstücken zu sehen und dann ist es nach und nach eine Präsenz dieser Kinder/dieses Kindes, die gut tut tut.
    Ich wünsche Dir und Euch Menschen in Euer Nähe, die Euch halten können in diesem großen Schmerz,
    Sabine

  10. Danke für diesen Eintrag. Danke.

    Meine Erstgeborene wäre jetzt knapp viereinhalb, so alt wie Kaiserin 1, nur dass ihr Weg hier auf der Erde noch kürzer war. Die Trauer begleitet mich noch immer jeden Tag, immer mal in anderer Gestalt, aber sie ist da. Ich glaube nicht, dass sie jemals weichen wird, aber wir freunden uns an und werden zu Freundinnen, wir können miteinander leben.

    Ich denk so viel an Dich, an Euch, Mareice.

  11. Ich kann es mir nicht vorstellen, was du mit deiner Familie durchleben musst.
    Ich sende dir Kraft, Zuversicht und Mut. Miut für Trauer, Zeit für Gedankenschwere und die Möglichkeit, einen Weg für euch zu finden. Einen Weg, der eure Familie stärken kann und dich nach vorne schauen lässt. Irgendwann. Nicht heute. Muss es nicht. Kann es nicht. Noch nicht. Irgendwann, da kann man mit einem Lächeln weinen. Und doch versteht man es nicht.
    Trauer! Und öffne dein Herz, die Last mit anderen zu teilen.

  12. Die Kerzenbilder von Melanie Garanin!
    http://mgaranin.blogspot.be/
    Um niemanden versehentlich zu triggern hier ihre BLoginfo:

    “Ich bin freiberufliche Illustratorin. Meist arbeite ich an Büchern für andere. Jobmässig eben. Eine Zeichnung so oft wie möglich mache ich für meinen Blog. Aus Spass. Zur Selbsterhaltung. Einfach so.
    Ich lebe mit meinem Mann, unseren vier Kindern, von denen einer ein Engel ist, zwei Hunden, einer Katze, zwei Wellensittichen, fünf Hühnern und einem Hahn, zwei Laufenten, sowie einer Ponystute und einem Camarguepferd in der Nähe von Berlin.”
    Sie schreibt u.a. über die Trauer über den Tod ihres Sohnes

  13. Liebe Mareice,

    ich musste ganz oft an euch denken.
    Und auch jetzt verdrücke ich ein paar Tränen.
    Ich schicke euch viel Sonne aus Hamburg und stille Gedanken.

  14. Liebe Kaiserin, auch wenn wir uns noch nicht begegnet sind, so habe ich in den letzten Wochen viel zu Dir hin-gedacht und hin-gefühlt. Ich kann nicht ermessen, wie Du Dich fühlst, und versuche trotzdem ein kleines Stück für Dich zu fühlen. Danke für Deine Texte.

  15. Ich habe den ganzen Abend einige deine vorgeschlagenen Texte gelesen. Ich danke Dir für diese tolle samlung und frage mich wie du es schaffst uns alle hier weiterhin soviel zu geben. Ich lese dich unheimlich gerne. Und bin Dir/Euch unheimlich dankbar für all das hier… Ja es tut gut deine positive und intensive Art zu schreiben, die Gabe das schwere in eine gewisse leichtigkeit umzuwandeln…
    Ich bewundere Dich, als Mutter eines besonderen Kindes fühle ich mit.
    Ich bin traurig mit und für Euch. Es gibt keine richtige Worte aber ich wollte endlich überhaupt ein Wort hier hinterlassen und nicht mehr nur eine fremde und unsichtbare leserin sein. Danke

  16. Liebe Mareice,

    sogar und immer noch und gerade jetzt bist Du in der Lage, Worte auszuwählen und ausgewählte Worte so aneinander zureihen, dass es scheint, der Weg würde dadurch ein bisschen leichter zu gehen.
    Und ich staune, wie überhaupt zu gehen.
    Auch meine Gedanken waren und sind bei Euch gewesen und ich finde es schön, hier von Dir zu lesen.

    Ich schicke ein bisschen Sonne, wollte ich grad schreiben, aber nun ist´s der Mond, der hier grad scheint, dann schicke ich den..

  17. Liebe Mareice, ich weiß nicht was ich schreiben soll. Zu falsch scheint mir jedes Wort. Ich glaube daran, das der Tod nicht das Ende ist und wir unsere Verstorbenen eines Tages in einer anderen Welt wiedersehen. Fühl dich ganz fest umarmt von mir!

  18. Ich habe meinen Sohn im August verloren und mir hilft es sehr über den Tod und den Umgang mit der Trauer zu lesen, überall findet man sich ein wenig wieder , und man möchte so gern verstehen, begreifen, einen Weg aus dem Schmerz finden, sich verstanden und nicht allein fühlen, herausfinden was das Leben noch mit uns vorhat.
    Deine gesammelten Texte sind ganz wunderschön geschrieben , danke das du sie teilst❤️

  19. Endlich bist Du wieder da. Danke, dass Du Trauer mit uns teilst, Deine mit uns teilst. Wir haben alles vorher mit Dir geteilt, nimm uns weiter mit auf Deine Blogreise. Ganz wie Du magst.

  20. Ich habe deine Worte so sehr vermisst und ganz oft an Euch gedacht !! Als mein Vater vor vielen Jahr starb war es unbeschreiblich schrecklich für mich und meine Familie ! Ich dachte die Welt müsste doch anhalten für diesen Moment denn für mich hat sie sich für eine Zeit lang nicht weitergedreht ! Bis heute nach langen 8 Jahren in denen das Gefühl derTrauer des unwahrscheinlichen Verlusts mich übermannt und anfangs Tränen liefen … Mittlerweile ist es ein festes schlucken, ein Tief durchatmen, ein unbeschreiblicher Schmerz !! Es wird nicht besser nur anders nach den Jahren !!

  21. Danke, dass du dich mit dieser facettenreichen Sammlung zu dem Thema Tod und Trauer (das, wenn es einen trifft, wohl alles überschattet) wieder zurück meldest. ich bin sehr froh, von dir zu hören. Du bist noch da – genau wie deine kleine Kaiserin Nummer 1 für uns alle in Erinnerung weiter lebt. Wie es einem als Mama geht, die ihr Kind verliert, mag ich gar nicht nachspüren. es tut schon so furchtbar weh, nur daran zu denken.

  22. Hallo Mareice!

    Ich muss gestehen, dass ich in den vergangenen Wochen oft an dich gedacht habe. Wenn ich in Blogs gestöbert habe, oder auf Instagram unterwegs war, warst du meistens in meinen Gedanken. – Ach, von Mareice habe ich schon lange nichts mehr gehört, wie es ihnen wohl gehen wird, wie werden ihre Tage jetzt wohl aussehen….
    Ich hab mich allerdings nie getraut, mich in solchen Momenten auch bei dir zu melden. Trauer ist doch etwas Privates, etwas, wo man sich als “nur” Blogleser nicht wirklich einmischt.
    Egal, was man wünscht. Egal, was man sagt, es kann doch in einem Moment nichts so wichtig sein, wie das Zuhören und Da sein…. und gerade das geht als Unbekannter schwer.

    Ich denke halt an dich und schick dir ein bisschen Kraft.
    Carmen

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