»24 Wochen«

by Mareice Kaiser

Mareice Kaiser
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Das Thema Schwangerschaftsabbruch – erst Recht im Kontext einer möglichen Behinderung oder Krankheit des ungeborenen Kindes – ist tabuisiert. Dass der Plot eines Kinofilms nun darauf basiert, ist selbst 2016 noch ein mutiges Novum. Auf der diesjährigen Berlinale feierte „24 Wochen“ von Anne Zohra Berrached, der einzige deutsche Wettbewerbsfilm, seine Premiere. Für leidmedien.de habe ich den Film gesehen, der ab dem 22. September 2016 in den Kinos läuft.

Auf den letzten Drücker erreiche ich noch einen der wenigen freien Plätze im bereits abgedunkelten Kinosaal. „Gerade noch geschafft“, flüstert es freundlich von meiner linken Seite. Ich lächle den fremden jungen Mann neben mir an, er hat das Down-Syndrom, dann beginnt schon der Film. Als Mutter einer behinderten Tochter habe ich Respekt vor den folgenden anderthalb Stunden, in dem es um den Spät-Abbruch einer Schwangerschaft mit einem behinderten Kind gehen wird. Neben einem Mann mit Down-Syndrom sitzend, noch mehr.

Das Paar Astrid und Markus, gespielt von Julia Jentsch und Bjarne Mädel, erwartet zum zweiten Mal Nachwuchs. Die Diagnose Down-Syndrom schmälert die Freude nur anfänglich. Beide möchten das Kind bekommen und bereiten zusammen mit der neunjährigen Schwester alles für die Ankunft des Geschwisterkindes vor. Das Paar setzt sich damit auseinander mit einem behinderten Kind zu leben und kann der Skepsis von Familie und Freunden schon nach kurzer Zeit ihre hoffnungsvolle Vorfreude entgegensetzen. In der 24. Schwangerschaftswoche kommt allerdings eine weitere Diagnose hinzu: ein schwerer Herzfehler, so dass mehrere Operationen kurz nach der Geburt anstünden, eine Mehrfachbehinderung wird prognostiziert. Während Markus an der Entscheidung für sein Kind nicht zweifelt, wird Astrid unsicher.

Welches Leben ist lebenswert?

Die Regisseurin Anne Zohra Berrached zeigt das Ringen der Eltern aus nächster Nähe und sehr nah an der Realität. Sie zeigt aber nicht, wie das Leben mit solch einem Kind auch aussehen könnte – nämlich nach all den Operationen ebenso lebenswert wie von ihr auch nach der Diagnose Down-Syndrom angenommen. Als einziges Bild vom Leben mit Behinderung nehmen die ZuschauerInnen den Eindruck einer inklusiven Theatergruppe mit, die das Paar besucht. Ansonsten bleibt die Vorstellung vom Leben mit einem behinderten, herzkranken Kind vor allem medizinisch. „Belastung und Freude im Wechsel“, prophezeit ein Arzt dem Paar und ein anderer fügt hinzu: „aber immer ein herzkrankes Kind, um das man sich kümmern muss.“ Eine Sicherheit gebe es nicht, erklärt einer der Ärzte, der auch im echten beruflichen Leben solche Gespräche führt. Das komplette medizinische Personal in „24 Wochen“ besteht aus Laiendarstellern, die Dialoge sind dadurch sehr real. Auch die beiden HauptdarstellerInnen spielen nicht immer strikt nach Drehbuch, sondern improvisieren teilweise. So kommt es dann auch, dass bei großen Emotionen – wie im Arztzimmer – alle durcheinander sprechen. Das ist sehr nah am echten Leben.

Der Film zeigt das Fragengewitter, das über das Paar hereinbricht, und sucht Antworten, die doch aber niemand pauschal geben kann. Welches Leben ist lebenswert? Und wer entscheidet darüber? Was darf eigentlich gesagt werden und was nicht? Etwa hier, als Markus erzählt: „Als Kind hab ich manchmal mit nem Downie gespielt“ und Astrid fragt: „Downie – darf man das überhaupt sagen?“. Markus: „Klar, ich glaube, Mongo darf man nicht mehr sagen.“ Beide lachen. „Ich glaube, wir Eltern dürfen alles sagen.“ Der Begriff „Downie“ wird übrigens von einigen Menschen mit Down-Syndrom abgelehnt.

Einsame Entscheidung, zitternde Nähe

„24 Wochen“ nimmt die ZuschauerInnen mit auf die Suche nach Antworten, die es vielleicht gar nicht gibt. Als Astrid sich für eine Spätabtreibung entscheidet, sucht sie bei der betreuenden Hebamme nach erlösenden Worten. „So eine Entscheidung kann man nur treffen, wenn man sie treffen muss.“ Astrids Entscheidung müssen die ZuschauerInnen von „24 Wochen“ mittragen. In zwei Kameraeinstellungen sucht sie den Blickkontakt mit den ZuschauerInnen, die damit ohne Worte gefragt werden: „Was würdest du tun?“ Wir sind sehr nah dran am Spätabbruch, wenn die Kaliumchloridspritze das Herz des ungeborenen Babys stehenbleiben lässt. Die Menschen im Kinosaal begleiten Astrid – außer, sie verlassen die Filmvorführung, wie bei der Pressevorführung passierte. Berrached stellt eine Nähe zum Publikum her, dass es fast nicht möglich ist, sich ihr zu entziehen. Es ist kaum zu ertragen, die Frau rechts neben mir kann nicht hinschauen. Was dabei im Publikum geschieht, beschreibt Dietmar Dath in seinem Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „Seelenzittern“.

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Bei ZEIT Online stellt Wenke Humann fest, dass sich die Frauenrollen in den allermeisten Berlinale-Filmen und auch in „24 Wochen“ souverän bewegen, „während die Männer um sie herum noch mit Begreifen beschäftigt sind“. Während Astrid und Markus versuchen, alles gemeinsam zu entscheiden, kommt Astrid letztendlich zu dem Schluss, dass nur sie selbst die Entscheidung für oder gegen das Kind treffen kann. „Das ist genau das Thema des Films: wie allein die Frau mit ihrer Entscheidung am Ende ist“ schreibt Wenke Humann.

Zwischen Selbstbestimmung und Gewissen

„Genau das ist das moralische Dilemma, das ich zeigen wollte“, erklärt Regisseurin Berrached im Interview. Annette Walter beschreibt das im MISSY Magazine als „existenzielle Frage, die der Film so verhandelt, dass keine eindeutige Lösung angeboten wird“. Genau das ist es, was die ZuschauerInnen beschäftigt: Die Frage, wie sie selbst entscheiden würden in dieser Situation. Ein Dilemma, in das uns auch der medizinische Fortschritt geführt hat, wie die Regisseurin im Interview erklärt: „Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper haben die Frauen vor uns hart erkämpft. Ein hohes Gut. Aber zusammen mit den neuen medizinischen Errungenschaften kann dieser Fortschritt uns auch vor unwägbar erscheinende Entscheidungen stellen.“

Am Ende des Films herrscht minutenlange Stille im Kinosaal, dann: Applaus. „Guter Film“, meint der Mann links neben mir. „Traurig“, entgegne ich. „Ja, aber genau so ist es ja“, sagt er. Stimmt, denke ich. Nur, dass es den Herzfehler oft gar nicht braucht als Grund für einen Schwangerschaftsabbruch. Das Down-Syndrom – im Film eine Herausforderung, die zunächst von den Eltern angenommen wird – genügt sonst schon für die Statistik: Neun von zehn Frauen entscheiden sich bei der Diagnose Down-Syndrom für einen Schwangerschaftsabbruch. „Darüber wird aber nicht gesprochen“, erklärt Berrached in einem Interview und damit auch die Intention ihres Films: „Das ist für mich Grund genug, darüber zu sprechen.“ Dieser Film kann einen großen Teil dazu beitragen, sollte er in vielen Kinos laufen und von vielen Menschen gesehen und besprochen werden. Ich wünsche mir das.

17 Kommentare zu “»24 Wochen«

  1. Kurz zur Erklärung, warum ich diesen Kommentar zu einem längst nicht mehr aktuellen Blog sende: Ich bin zwar nicht geistig beeinträchtigt, gehöre aber dennoch zu der Personengruppe, die von dem Film gemeint wird, mit Ausnahme der Tatsache, dass meine Erkrankung derzeit noch nicht pränatal diagnostizierbar ist (eine Bestätigung kann der Autorin des Blogs auf Wunsch gesendet werden, einfach eine kurze Mail an die angegebene Adresse senden). Ich denke, dass mein Blick auf diesen Film dennoch rationaler ausfällt, als der der meisten anderen. Mir sind einige Aspekte aufgefallen, die in den Kritiken zu diesem Film immer wieder ignoriert werden: Es werden in der Regel zwei Gründe genannt, warum eine Abtreibung nicht mit der Tötung eines geborenen Menschen vergleichbar ist: Der Entwicklungsstand des Embryos/Fetus, der in der Frühphase weniger mit einem Behinderten als eher mit einem Hirntoten vergleichbar ist, sodass nach Meinung der meisten Menschen die Entstehung eines Menschen verhindert und nicht ein bereits existierender Mensch getötet wird. Das zweite Argument ist das der Selbstverfügung über den eigenen Körper. Ein gutes Argument ist die Blut- oder Stammzellspende: Obwohl hier definitiv ein menschliches Leben gerettet werden kann und die Belastung der Entnahme sehr viel geringer sind, als die einer Schwangerschaft, darf eine solche jederzeit und ohne Angabe von Gründen verweigert werden. Beide haben mit dem Film nichts zu tun: Ein Kind dieses Reifezustandes kann außerhalb des Mutterleibes mit vergleichsweise geringen Problemen überleben, weswegen die Tötung mit dem Selbstbestimmungsrecht nicht begründbar ist. Und natürlich muss an diesem Fall von einem Menschen sprechen, wovon man sich in jeder Neugeborenenintensivstation überzeugen kann. Es gibt ethisch betrachtet keinen Unterschied, ob man einen Menschen dieses Zustandes außer- oder innerhalb der Gebärmutter tötet. Was aber wirklich überhaupt niemanden interessiert: Eine Giftinjektion ins Herz tötet keinesfalls sofort, da es nach einem Herzstillstand eine beträchtliche Zeit dauert, bis die Bewusstlosigkeit, gefolgt vom Tod eintritt. Die Schmerzen dürften entsetzlich sein. Ein Fetus in der 24. Woche kann nach Erkenntnis der Medizin definitiv Schmerzen empfinden. Hinzu kommt, dass sich die Fähigkeit, starke Schmerzreize zu unterdrücken, erst später ausgebildet wird, das Leiden also wesentlich stärker ist. Dies hätte man verhindern können, wenn man die Injektion in die Nabelschnur gesetzt und als erstes ein Narkosemittel gegeben hätte, wie dies in einigen Kliniken auch vorgenommen wird. Da sämtliche medizinischen Rollen von echtem Personal gespielt werden, dass die dargestellten Diagnosen/Eingriffe auch in der Realität ausführt und auch andere Interviews dieses Vorgehen zeigen, ist anzunehmen, dass weiten Teilen der Ärzteschaft und den meisten Eltern (ansonsten hätte bei den Medizinern ein Umdenken statt gefunden) die Qualen, die das Kind beim eigentlichen Tötungsprozess empfindet, weitgehend gleichgültig sind bzw. sie gar nicht darüber nachdenken.

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  3. Hi liebe Mareice!
    Ich finde deine Beschreibung des Films sehr passend. Ich fand es erst sehr doof, dass die Mutter sich gegen dasKind entscheidet, weil ich das Gefühl hatte, dass der Tenor des Films so etwas wie “die Entscheidung ein behindertes Kind zu bekommen, macht man sich zwar nicht leicht, aber am Ende treibt man doch besser ab”. Dann allerdings habe ich auch überlegt, dass der Vorgang der Abtreibung natürlich nur so detailliert dargestellt werden konnte, weil sich die Mutter eben für die Abtreibung entscheidet. Und das finde ich wiederum gut, denn ich glaube es gibt eine Menge Menschen, denen nicht klar ist, was eine so späte Abtreibung bedeutet-nämlich, dass die Mutter ihr lebensfähiges, aber verstorbenes Kind gebären muss. Ich glaube dies sollte mehr Menschen klar werden, gerade denen, die gerne mal Sätze wie “Das muss doch heute nicht mehr sein” oder ähnliches von sich geben…

  4. Liebe Mareice,
    du schaffst es weitgehend objektiv und trotzdem mitfühlend diesen mächtigen Film zu beschreiben.
    Mir war der Gang ins Kino bisher Zuviel, sobald er als DVD erscheint werde ich ihn mir zusammen mit einer Freundin “antun”. Sie hatte auch die Diagnose Herzfehler und wahrscheinlich Trsiomie21 -es war aber ein Fehler. Gott sei Dank behielt sie das Kind, ihr Wunschkind wäre es wohl auch so gewesen. Richtig und Falsch gibt es bei dem Thema nicht. Nur viele Fragen, die alle irgendwie wehn tun. Ich hab mich aufgrund einer ähnlichen Situation in meiner Verwandtschaft mit dem Film auch auf meinem Blog auseinander gesetzt bzw. mit der Thematik Spätabtreibung, die in Deutschland in solchen Ausnahmefällen bis zur Geburt erlaubt ist. (https://sophiesanderswelt.wordpress.com/2016/09/29/des-lebens-wert-wie-viele-wochen-wieviel-gramm-entscheiden/)
    Herzliche Grüße Sophie

  5. Ich finde das Thema des Films mutig, aber ich werde ihn mir nicht ansehen.
    Meine Tochter hat das Down-Syndrom UND einen schweren Herzfehler und wir wussten zum Glück beides nicht vor ihrer Geburt. Wir mussten uns aber regelrecht wehren, um unser Recht auf Nichtwissen wahrnehmen zu dürfen.
    Wenige Stunden nach Marlenes Geburt sind wir im Berliner Herzzentrum gestrandet – in einem Zimmer mit drei weiteren herzkranken Kindern. Von denen hatte niemand das Down-Syndrom (worum ich die Eltern damals beneidet habe) – und das einzige Kind, das jetzt, sieben Jahre später, noch lebt, ist unseres! Und sie lebt sogar sehr gut, obwohl der Herzfehler nicht gut operabel war und auch weiterhin operiert werden muss.
    Es ist so traurig, dass Kinder mit Down-Syndrom als Schreckensbild aller Schwangeren hingestellt werden. Ich hoffe auch, dass den Film ganz viele Menschen sehen. Damit mal ein Bewusstsein dafür entsteht, WAS für eine Entscheidung das ist und dass es mit dem “Vorher gewusst haben” noch lange nicht getan ist.

  6. Ich werde den Film nicht ansehen können…Meine Tochter hatte eine extrem seltene Chromosomenstörung (6pdel ).wir erfuhren es in der 22.Woche. Obwohl ich als Heilpädagogin immer eine hohe Meinung pro Leben hatte, war ich doch oft zweifelnd….Letztendlich trug ich meine Tochter aus und wir entschieden uns für den palliativen Weg uns gegen op.s Sie durfte nach einer Woche friedlich in unserem Armen sterben… Den Weg gibt es auch

  7. Die Frage die sich mir stellt ist was das Kind wöllte. Wie würde es sich entscheiden. Würde es sagen:
    “Mama, Papa, lasst mich töten. Ich bin nicht so wie ihr es euch gewünscht habt. Ich bin nicht perfekt. Eher das Gegenteil. Ich will euch nicht zur Last fallen. Euch keine Unannehmlichkeiten bereiten. Ihr habt alles so schön geplant und vorbereitet und ich passe da nicht rein. Löscht mich aus und vergesst mich. Ich bin anders also bin ich es wert euer Kind zu sein.”

  8. Hallo Mareice, ich fand den Film extrem traurig und schrecklich. Selbstverständlich bin ich absolut für das Recht auf Abtreibung, aber eher im Sinne von Kirsten Achtelik: Abtreibung ohne Selektion. Und sobald es sich um ein WUNSCHKIND handelt – wie bei Astrid und Markus in ’24 Wochen’, das aus welchen Gründen auch immer abgetrieben wird , ist es Selektion, oder nicht? Zudem habe ich auch Schwierigkeiten mit der Auffassung, dass letztendlich die Entscheidung angeblich immer bei der Frau liegt. Biologisch mag das zutreffen. Psychologisch würde ich verneinen. Ich selbst könnte mit ihr nach dieser Entscheidung wahrscheinlich nicht mehr zusammen leben.
    Letztendlich versucht der Film in meinen Augen dadurch, dass er beim Zuschauer ein enormes Verständnis für Astrid und ihre Entscheidung aufbaut, sowohl die Gewalt gegen ihren Mann als auch die gegen ihr ungeborenes Kind, zu rechtfertigen. Und das fand ich ziemlich heftig.

    • Ich glaube man macht es sich zu einfach über so eine Entscheidung zu urteilen, wenn man sie noch nicht selbst getroffen hat/treffen musste. Ich würde pauschal auch erstmal sagen, dass man nicht selektieren darf, aber seit ich ein eigenes Kind habe begreife ich ein bisschen mehr das Ausmaß solcher Entscheidungen, welche ganz eng an viele Fragen geknüpft ist: Schaffen wir das? Halten wir es aus unser Kind leiden zu sehen? Ständig Blut abnehmen? Operationen? Lange Aufenthalte auf Intensivstationen? (Ich bin Ärztin und könnte bei jeder Impfung meines Kindes mitheulen) Kommen wir mit der ständigen Angst um unser Kind klar? (Nein, es geht nicht darum ob es von der Schaukel fällt, sondern darum ob es die nächste OP überlebt) Sind wir unter den Bedingungen in der Lage uns um unsere anderen Kinder zu kümmern? Übersteht das unsere Beziehung? Usw… Diese ganze Problematik wird in “Uma und ich” sehr deutlich gezeigt.
      Ich glaube immer noch, dass ich mich für ein behindertes Kind entscheiden würde, aber mir wird auch immer bewusster, dass das eine Entscheidung mit für mich nicht abzusehender Tragweite ist. Und das in beide Richtungen. Ich finde es gut und richtig, dass mit diesem Film ein Tabu gebrochen wird und ich werde ihn mir auf jeden Fall ansehen. Eines scheint er in jedem Fall zu zeigen und zwar, dass so eine Entscheidung verdammt schwierig ist…
      Viele Grüße

      • Meine persönliche Lösung ist übrigens auf jegliche prämataldiagnostik, die über die normalen Ultraschalluntersuchungen hinaus geht, zu verzichten. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich soetwas überhaupt entscheiden muss, geringer….

        • Hallo Lena, es gibt sehr viele gesunde Kinder mit Trisomie 21. Gleichzeitig werden Herz-OPs immer besser und erfolgreicher. Die meisten Behinderungen entstehen während der Geburt oder im Verlauf unseres Lebens. Wie ein Kind oder eine Familie mit bestimmten Diagnosen dann nach der Geburt klar kommt, kann man doch nie vorher wissen. Es bleibt immer Spekulation. Wer kann denn vorher sagen, ob sich das Kind quälen wird? Die “Entscheidung” für eine Spätabtreibung ist meist eine durch enorme Angst und Unwissenheit getroffene. Jedes gesund geborene Kind oder man selbst können morgen schwer krank werden. Bei einem ungeborenen Kind kann man “das Problem” natürlich schnell aus der Welt schaffen. Ich glaube aber, es ist keine Entscheidung, die Frauen befreit, sondern sehr oft eine, die sie noch mehr unter Druck setzt. Ich denke auch, dass Nichtwissen, also so wenig Pränataldiagnostik wie möglich, die einzige befriedigende “Lösung” für mich wäre.

          • In diesem Film ist es aber ein Kind mit einem schweren Herzfehler. Dieser zieht große Operationen nach sich. Ob ein Leben lebenswert ist oder nicht kann man von außen auch als Eltern nicht entscheiden. Das stimmt, deshalb habe ich diese Frage auch bewusst nicht mit aufgenommen. Für Eltern und nahe Angehörige sind die Wochen in Krankenhaus in denen es dem Kind schlecht geht trotzdem knallhart, auch wenn es sich sicherlich allermeistens lohnt muss man in der Lage sein das auszuhalten. Manchmal, wenn das eigene Kind zB einen schweren Unfall hatte muss man das, ja. Trotzdem kann es der richtige Weg für einzelne sein das zu vermeiden wo es nur geht.
            Ich glaube auch, dass diese Entscheidungen viel zu häufig mit zu wenig Zeit und zu wenigen Informationen getroffen werden und das darf nicht sein. Da stimme ich dir vollkommen zu. Und es darf auch nicht sein, dass behinderte Kinder abgetrieben werden, weil sie nicht “gesellschaftsfähig” sind. Allerdings kann es in Einzelfällen der richtige Weg sein, wenn nach Abwägung aller Möglichkeiten die betroffenen Eltern zu dem Entschluss kommen, dass sie oder ggf weitere Gescheisterkinder nicht die Kapazitäten haben ein Leben mit diesem Kind zu meistern und daran zerbrechen würden.
            Es gibt ja zB auch Familien in denen bereits ein Kind mit Behinderung lebt und die Eltern schon mit diesem Kind an ihre Grenzen stoßen… Es sollte die Regel sein ein behindertes Kind zu bekommen und sich nicht dafür rechtfertigen zu müssen, allerdings kann ich in Ausnahmefällen die Entscheidung gegen so ein Kind auch verstehen. Es ist einfach nicht pauschal zu beurteilen, auch wenn du sicher in den meisten Fällen Recht behältst.

  9. Hallo,
    in letzter Zeit sprechen mich viele Leute an, ob ich den Film sehen möchte. Ich habe selbst einen Sohn mit Downsyndrom und muss sagen: Ich will den Film nicht sehen. Ich will mir nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, hätten wir von der Diagnose in der Schwangerschaft gewusst. Dass dies nicht der Fall war, war einer der Glücksfälle in meinem Leben. Niemand hätte uns sagen können, wie schön das Leben mit unserem Sohn ist. Man hätte uns nur sagen können, wieviele Chromosomen her hat.
    Trotzdem ist es gut, wenn es einen solchen Film gibt, denn es bringt die Menschen dazu, vielleicht wenigstens kurz über das Thema Behinderung nachzudenken.

    • Hallo Katharina, mir geht es genauso. Als Mutter einer Tochter, die unter den Bedingungen einer Triomie 21 lebt, werde ich den Film nicht sehen. Mich haben schon die Trailer so zum Weinen gebracht, dass ich den Film nicht verkraften würde. Und doch finde ich es gut, dass er in die Kinos kommt und hoffe, wie Mareice, dass ihn viele Menschen sehen. Einfach um das Nachdenken anzuregen, wohin uns die medizinische Entwicklung führt. Beide Seiten leben ja im Tabu, die Frauen und Familien, welche sich gegen ein Kind entscheiden UND die Menschen, die so ein Kind Willkommen heißen. Alle fragen mich, ob wir es vorher wußten und mittlerweile frage ich dann nach, wieso das so wichtig ist? Dann kommen viele ins Stottern, weil sie selbst nicht wissen, was sie eigentlich mit meiner Antwort wollen. Laut aussprechen, dass es ja eine andere Entscheidung als unsere gegeben hätte, wagen die wenigsten aber es kommt vor…

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