Menschen mit Down-Syndrom als Außerirdische darstellen – seriously!? Klar, mit dieser Diskussion könnte ich jetzt in den Text einsteigen. Mache ich aber nicht. Ich möchte viel lieber zeigen, wie toll die Ausstellung TOUCHDOWN ist, die in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen ist. Und warum sie das ist, selbst für Museumsmuffelinen wie mich.
In klarer Sprache führen Menschen mit Down-Syndrom durch die sieben Abteilungen der Bundeskunsthalle. Zu bestimmten Zeiten persönlich, sonst auf kleinen Texten an den Wänden und in Filmen. Die Ausstellung zeigt Spuren von Menschen mit Down-Syndrom: in der Kunst, in der Wissenschaft, in Filmen und im Theater, in der Gesellschaft, in verschiedenen Zeiten. Sie erzählt, wie Menschen mit Down-Syndrom leben, wie sie früher gelebt haben – und wie sie in Zukunft leben möchten. Entwickelt wurde das Konzept von Menschen mit und ohne Down-Syndrom. Im Buch zur Ausstellung schreibt Rein Wolfs, der Intendant der Bundeskunsthalle, dass mit der Ausstellung das erste Mal überhaupt die Geschichte des Down-Syndroms erzählt wird. “Wir selbst waren ebenso erstaunt darüber, wie unerforscht dieser Bereich unserer gemeinsamen Geschichte noch immer ist.”

Als Wortmensch haben mich vor allem die Zitate bewegt. Alle Inhalte der Ausstellung sind gemeinschaftlich erarbeitet worden, von Menschen mit und ohne Down-Syndrom. Aus dieser Zusammenarbeit heraus sind die vielen Zitate von Menschen mit Down-Syndrom entstanden. Sie beziehen Stellung und erzählen und kommentieren ihre eigene Geschichte. Einige der Zitate kommen in diesem Text vor – weil sie viel besser sind als alles, was ich schreiben könnte. Übrigens ist die ganze Ausstellung in klarer Sprache umgesetzt, damit alle alles verstehen. Ich habe mich gefragt, warum das eigentlich nicht generell Voraussetzung Kunstprojekte ist? Es macht viel mehr Spaß, durch eine Ausstellung zu schlendern, wenn man nicht jedes zehnte Wort googeln muss, um die Zusammenhänge zu verstehen.

Viel Zeit habe ich mit den Filmen in der Ausstellung verbracht. “Das Thema Liebe finden wir gut” ist ein Film, der eine Lesung von Menschen mit Down-Syndrom zum Thema, ja, Liebe zeigt. Der Film läuft in der Ausstellung in Dauerschleife und ich habe ihn mir vier Mal hintereinander angeschaut, so gut waren sowohl Texte als auch Performance.
Kuscheln, streicheln und einen Freund.
Liebhaben ist schön, aber auch anstrengend.
Das ist so.
(Mirco Kuball)
Die Ehe schließe ich aus.
Das könnte ich nicht.
Die Feier ist so lang.
(Achim Reinhardt)

Die Ausstellung stellt viele Fragen und gibt dabei oft mehr als eine Antwort. Zum Beispiel auf die Frage, ob man denn eigentlich “Mongo” sagen dürfe?
Ich mag das gar nicht gerne, wenn man so sagt einfach. Das tut mir auch weh. Ich kann nicht erklären, wie sich das anfühlt. Aber ich weiß, dass es auch weh tut.
(Verena Günnel)
Mongo ist auf jeden Fall genauso schlimm wie “Schlampe” oder “Miststück”. Zu Menschen mit Down-Syndrom kann man ganz normal hingehen und fragen: “Was ist denn das – Down-Syndrom zu sein?” Ich sag dann zum Beispiel: “Ich hab eben das Gleiche wie andere Menschen auch. Für dich heiße ich Nora.”
(Nora Fiedler)

Ein Raum ist dem Thema Pränataldiagnostik gewidmet und zeigt die Entwicklung: Neun von zehn Kindern mit Down-Syndrom kommen heute nicht zur Welt. Menschen mit Down-Syndrom könnten also so selten wie Außerirdische werden.
Wenn man als Kind geboren wurde, gibt es verschiedene Dinge, die dazu beitragen, was man für ein Mensch wird. Zum Beispiel Liebe.
(Natalie Dedreux)
TOUCHDOWN ist noch bis zum 12. März 2017 in der Bundeskunsthalle in Bonn. Danach wandert die Ausstellung weiter – wohin, wurde noch nicht verraten. Bis zum 12. März gibt es noch einige Themenführungen und Workshops.
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