Auf diesem Blog geht es um Inklusion, Chancengerechtigkeit, Familie, Feminismus und mehr. Um das alles – und mehr – geht es auch in diesem Text, über den ich gestolpert bin und von dem ich mir wünsche, dass ihn sehr viele Menschen lesen. Die Autorin möchte anonym bleiben; ich freue mich, den Text veröffentlichen zu dürfen.
In der letzten Woche habe ich viel über Frauen und ihre Sichtbarkeit nachgedacht, dazu gab es einige Texte im Netz: einerseits den Ursprungstext über die gebotoxte Frau, in dem eine Frau darüber schrieb, wie schwierig es ist, als Frau über 40 noch sichtbar zu bleiben, DasNuf schrieb “Im Gegensatz zu meinem Körper dürfen meine Worte Gewicht haben”, Journelle schrieb “Sichtbarkeit einfordern”, und Kitty Koma einen Text über das Altern in der Filmbranche, “Nimm! Mich! Wahr!”.
Jetzt bin ich natürlich noch gewissermaßen zu jung, um unsichtbar zu werden, wobei: laut dieser Datenauswertung altert der Männergeschmack von Frauen mit, wohingegen Männer jedweden Alters primär Frauen um die 20 präferieren. Demnach habe ich den Zenit ja auch schon eine Weile überschritten.
Und doch: bisher erfuhr ich meist nicht von Männern, wie ich sein müsste, um zu gefallen, sondern von Frauen. Ich lernte von Frauen, wie ich als Frau auszusehen hatte, um akzeptiert zu werden und richtig zu sein. (Bei Journelle im Text kommt das vor, als die Stiefmutter die Töchter zur Schönheit drängt, hier in einem anderen Text geht es darum, dass es unfeministisch ist, andere Frauen anhand ihrer äußeren Merkmale zu beurteilen, wie es ständig vorkommt.) Mein Körper wurde von Frauen kontrolliert, mit Worten und diesen Scannerblicken, bei denen die eine die andere Frau von oben bis unten abscannt, wie es sonst nur der Metalldetektor am Flughafen schafft.
Ich wurde groß gezogen in dem Bewusstsein, dass ich durchaus später studieren sollte, Jura zum Beispiel, oder Medizin, das war in etwa der Erwartungshorizont, damit etwas aus mir werden würde. Staatsanwältin, das wäre angemessen gewesen. Das Wichtigste im Leben war es dennoch, einen Mann zu finden und diesen auch dauerhaft zu halten, das wäre der größte Erfolg. Das Bekenntnis eines Mannes hätte meine Existenz legitimiert.
Das war die Urangst der Frauen in meiner Familie: So findest du doch nie einen Mann. Der Satz zog sich durch die 50er und 60er Jahre, als die eine Tochter einen Kopf größer war als die meisten Männer und froh sein konnte, wenn sie einen abbekäme. Und die andere war zu eigensinnig, das ging natürlich auch nicht.
Als kleines Kind war ich viel zu dünn, später war ich dann zu dick, in jedem Fall war mein Körper nie richtig. Ich bekam häufig Kleidung geschenkt, die mir nicht gefiel und mit der ich so hübsch hätte sein können wie die anderen Mädchen auf der Straße. Als ich in Teenagerjahren zu einer Diät überredet werden sollte, hörte ich den Satz: “Wenn du weiter so dick bist, wird dich nie jemand lieben.” In diesem Satz steckt alles drin, und ich weiß nicht, was trauriger ist: das darin enthaltene Männerbild, das enthaltene Frauenbild oder die Vorstellung davon, was eigentlich “Liebe” ist und wie man sie sich verdienen kann.
Es dauerte lange, bis ich den Satz als das verstehen konnte, was er eigentlich ist: Das tragische Erbe von Frauen, die ihren eigenen Wert nie kannten, und diesen Mangel immer als giftiges Geschenk an ihre Töchter weiterreichten. Keine wusste, wie es war, um ihrer selbst willen geliebt zu werden, keine hatte eine Vorstellung davon, wie es sein könnte, sich jemals selbst genug zu sein, einfach durch ihre bloße Existenz.
Wie in allen selbst erfüllenden Prophezeiungen fanden die meisten Frauen in meiner Familie keinen ordentlichen Mann, denn was angemessen wäre, das wurde nie gefragt, solange man froh sein konnte, überhaupt einen abzubekommen. Wer immer auf der Suche nach einer besseren Hälfte war, blieb allein immer eine schlechtere, unvollständige Hälfte.
Das war also klar, als Frau sollte man zwar im Beruf erfolgreich sein und auf eigenen Beinen stehen, aber auch nicht zu erfolgreich und emanzipiert, das könnte auch wieder abschreckend wirken. Vorzeigbar und präsentabel, dünn genug, dass man sich sehen lassen konnte, und interessanterweise ging es nie darum, für einen Mann mehr sein zu müssen, sondern immer etwas weniger. Wir sollten uns kleiner machen, als wir waren, zusammenfalten, um in die Schablone zu passen. Einen Kopf kleiner, wenn das jemals ginge, ein paar Kilo leichter, das war doch machbar, etwas zurückhaltender und leiser, nicht so einschüchternd.
Das schönste Geschenk, das ich mir selbst, den Frauen um mich herum und all denen nach mir mache, ist es, für immer genug zu sein, final mit der Selbstgeißelung aufzuhören und sie bei anderen nicht zu unterstützen; darüber hinaus auch, das giftige Erbe nicht anzunehmen und es nicht mehr weiterzugeben an die nächste Generation.
Oder, wie es Nayyirah Waheed schreibt:
i will tell you, my daughter
of your worth
not your beauty
everyday. (your beauty is a given. every being is
born beautiful.)
knowing your worth
can save your life.
raising you on beauty alone
you will be starved.
you will be raw.
you will be weak.
an easy stomach.
always in need of someone telling you how
beautiful you are.
– emotional nutrition
Schreibe einen Kommentar