Trisomie 18 – Reise in ein unbekanntes Land

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Yasmin. #wenneinkindstirbt


Mein Mann und ich waren immer reiselustig. Lange Zeit gab es nur uns, und nach der Reise war vor der Reise. Mit den Rucksäcken durch Asien, mit dem Campervan durch Europa. Nicht wissend, wohin der Weg uns führt. Der war ja schließlich das Ziel. Diesmal ist der Reiseverlauf aber ganz anders als geplant.

Wie es ist, ein Baby mit der Diagnose Trisomie 18 zu erwarten, weiß ich nicht, da wir uns gegen Tests und für “es-ist-egal-was-uns-erwartet” entschieden hatten. Ein bisschen blauäugig dachten wir an nichts allzu Schlimmes, als es hieß, unsere Tochter wasche schlecht und habe einen Herzfehler. Fest stand es also erst nach der Geburt, nachdem noch mehr Auffälligkeiten dazu kamen, die sie im Ultraschall gekonnt versteckt hatte.

Wäre es überhaupt möglich gewesen, uns auf die kleine Weggefährtin vorzubereiten? Wohl kaum. Wir hätten zu viel, zu wenig oder das Falsche gepackt. Einen Reiseführer gibt es nicht. Nur Ärzt*innen, die auf veraltetes Wissen verweisen, das wenig Spielraum lässt: Entweder gar nicht erst lebensfähig oder maximal ein Jahr zu leben, welches mit (großem) Leid verbunden sein wird. Bei vorgeburtlicher Diagnose hätten wir über das Leben unserer Tochter entscheiden müssen. So konnten wir wenigstens die Schwangerschaft genießen ,ohne Gedanken ans Weitertragen oder einen Abbruch.

Fotoquelle: Yasmin Snehotta

Da war nun dieses kleine 1245 g Menschlein, das sicher in seinem Wärmebettchen lag, während uns keine Aussicht darauf gegeben wurde, dass sie älter als ein paar Monate wird. Ein Start ohne viel Hoffnung, aber mit jeder Menge Verzweiflung im Gepäck. Erst durch das Kennenlernen und den Austausch mit anderen mitreisenden Eltern kam wieder Licht in unser Leben. Diese Kinder sind wahre Wundertüten. Bei gleicher Diagnose weiß keiner genau, was er bekommt und vor allem nicht wie lange.

Wir gehören jetzt tatsächlich zu den ‘Statistischen 5 %’.

Das erste Jahr ist geschafft! Es war eine wilde Berg- und Talfahrt mit Fortschritten sowie Rückschlägen. Unsere winzige Abenteurerin entwickelt sich im Schneckentempo, aber sie schafft Dinge, die ihr keiner zugetraut hat. Sie überrascht alle und macht uns so stolz! Gleichzeitig mussten wir als Eltern jeden Tag auch etwas mehr von dem Leben, wie wir es uns vorgestellt hatten, Abschied nehmen und sind noch immer dabei. “Bye bye Vanlife” und “Hallo Hilfsmittelversorgung”.

Bei uns sitzt jetzt der Tod mit im Wagen, auch wenn ihr Lachen den Gedanken daran verdrängt. Die pure Unbeschwertheit macht Platz für Angst auf einem neuen Level.

Wie gern würden wir unser Baby einfach nur genießen, ohne z. B. auf Schläuche oder Kabel acht zu geben, sie spontan anziehen und nach draußen gehen, ein Kinderzimmer betreten, das nicht einer Krankenstation gleicht.

Unser Zwerglein stört das alles wenig. Sie kennt es ja nicht anders. Trotz all den Diagnosen und Therapien, der Ernährung durch die Sonde oder dem Sauerstoffschlauch in der Nase ist sie einfach ein zufriedenes Baby mit strahlenden Augen. Sie wird geliebt und versorgt und vom großen Leid ist glücklicherweise (noch?) nichts in Sicht, auch wenn unsere Strecke oft holprig ist.

Es ist ein lebenswertes Leben und ganz anders, als es uns so düster prophezeit wurde! Wer entscheidet überhaupt darüber, wie ein Leben auszusehen hat? Derjenige, der es lebt oder eben wir, die dabei helfen.

Fotoquelle: Yasmin Snehotta

Kinder haben die Gabe zu verzaubern. Unseres kann Menschen schon fast hypnotisieren. Durch sie lernen wir viel über das Leben, über uns und unsere Umwelt. Die Zeit ist jetzt unser kostbarstes Gut.
Pläne zählen nicht mehr, nur noch das Hier und Jetzt. Wir freuen uns über die Menschen, die uns auf unserem Weg begleiten und lassen die los, die nicht mehr mitgehen möchten oder können.

Egal wohin uns unsere Reise führt, ob sie kurz wird oder lang, wir machen das Bestmögliche daraus und sind dankbar für jeden neuen Tag.

Natürlich habe ich Angst, was dieses unglaubliche Abenteuer mit ihr bringt, mehr noch aber vor einer Weiterreise ohne meine geliebte Paula Rose.

3 Kommentare zu “Trisomie 18 – Reise in ein unbekanntes Land

  1. Herzliche Grüße, es ist so schön eure Freude über eure Kind und ihre Kraft und Lebensenergie zu spüren. In jedem Wort klingt und schwingt deine Lieben zu deiner kleinen Tochter und zum Leben. Genießt jeden Augenbick teures Glücklichseins..ich nehme berührt Anteil und freue mich mit euch. Alles Gute für euch..

  2. So ehrlich geschrieben. Vielen Dank. Die Liebe für Paula Rose ist noch offensichtlicher udurch Eure Entscheidung für das „trotzdem“ und das „jetzt erst recht“. Das ist so inspirierend, motivierend und ermutigend. Ihr seid Eltern in ihrer Ursprungsdefinition (weiß grad kein besseres Wort): zu lieben, unabhängig der Umstände.

Schreibe einen Kommentar zu Nga Antworten abbrechen

Erlaubte HTML tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>