Die Sache mit der Schlafstörung – wenn pflegende Familien zu wenig Schlaf bekommen

by Simone

Kinderschlaf – ein Thema, dass Eltern seit jeher beschäftigt und meistens hatte man wenig Vorstellung davon, wie wenig man tatsächlich schlafen wird, wenn das Baby da ist. Kinderschlaf bei Kindern mit Behinderung ist jedoch nochmal ein ganz anderes Thema, mit dem auch Experten oft nicht vertraut sind. Vor allem bei Kindern mit seltenen Erkrankungen wissen Ärzte und Eltern oft nicht, ob es sich nun um Schlafstörungen handelt, oder ob das Kind halt „ein schlechter Schläfer“ ist. Problem daran ist, dass sich pflegende Eltern deshalb oft jahrelang durch schlaflose Nächte quälen und denken, das muss so sein. Auch, weil Kinderärzte die Eltern oft mit folgenden Aussagen vertrösten: „da müssen alle Eltern durch,“ oder „das wird bald besser.“ Leider ist das oft bei Kindern mit seltenen Erkrankungen, oder Behinderungen nicht so. Eltern und betroffene Kinder leiden oft jahrelang unter einem enormen Schlafentzug. Meistens kommt dann noch die nächtliche Pflege Schlaf hinzu und die ganze Familie geht nach einigen Jahren auf dem Zahnfleisch.

Genau das war auch meine Erfahrung

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Mein Sohn hat von Geburt an massive Schlafstörungen. Nächtliche Unruhe, lange Wachphasen, sehr frühes Aufstehen – damit meine ich so gegen 4 Uhr morgens, wenn der Rest der Welt noch schläft. Dies führte dazu, dass er über fünf Jahre lang dann auch noch einen Mittagsschlaf brauchte, weil er sonst körperlich und auch mental den Tag kaum schaffen konnte. Also mussten wir unseren Alltag nach seinem Schlafrhythmus ausrichten. Unser Leben richtete sich nach der Schlafstörung meines Kindes. Ich hatte immer Augenringe und war permanent erschöpft, ich nahm zu und konnte mich furchtbar schlecht konzentrieren. Zudem habe ich nachts gepflegt – sondiert, Vitalwerte überwacht – was man halt so tut als pflegendes Elternteil. Ich nahm es als selbstverständlich. Die Ärzte sagten mir meistens: es wird besser und viele Kinder schlafen schlecht. Aber es war nicht normal, dass wir jeden Tag zwei Stunden oder länger mittags und abends in der Einschlafbegleitung saßen. Wir hatten keine Paarzeit mehr. Keine Freizeit. Die Schlafstörung bestimmte unser aller Leben und keiner bezeichnete es als das was es war: es war eine Schlafstörung. Leider hat mir kaum jemand zugehört, wenn ich das Gespräch mit Ärzten und Therapeuten gesucht habe. Jahrelang hat mir niemand gesagt, dass Kinder mit Behinderung und / oder chronischen Erkrankungen oft Schlafstörungen haben, die sich massiv auf ihren und unseren Alltag auswirken. Bei seltenen Erkrankungen sind Fachpersonen auch oft überfordert und können sich nicht festlegen. Das wird dann für die betroffene Familie zu einem großen Problem.

„In Studien (z.B. Quine, 1991) wurde herausgefunden, dass geistig behinderte Kinder häufiger nachts aufwachen und dass das Wiedereinschlafen nach Wachphasen erheblich erschwert ist. Quine fand außerdem heraus, dass 44% der Trisomie-21-Kinder, 71% der cerebralparetischen Kinder, 57% der Kinder mit einer unspezifischen Hirnschädigung und 83% der Kinder, die ihre geistige Behinderung in Form von Unfällen, pränatalen Entwicklungsstörungen, Fetopathien, genetischen oder metabolischen Störungen erworben haben, unter Schlafstörungen leiden.“ Quelle

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Gründe für die Schlafstörungen bei Kindern mit Behinderung gibt es daher viele. Es kann an Schmerzen oder einem Hormonmangel liegen. Mögliche Ursachen können auch Entwicklungsverzögerungen und auch eine Autismus-Spektrum-Störung, ein Gendefekt oder eine Epilepsie sein. Deshalb brauchen betroffene Eltern Hilfe durch Fachpersonen. Eltern müssen unbedingt in ihrer Sorge und ihrer Belastung von ihrem Umfeld Ernst genommen werden. Viele Kinder mit Behinderung brauchen enorm viel Nähe zum ein und durchschlafen. Ich saß beispielsweise jeden Tag zwei Stunden in der Einschlafbegleitung – bei jedem Schläfchen. Mein Baby lag auf mir, aber sobald ich mich bewegt habe, war es sofort wach. Ich empfand die Situation als sehr belastend.

Was hilft?

Meiner Meinung nach ist der wichtigste Schritt, dass man informiert wird, dass es sich um eine Schlafstörung handelt. Es kann hilfreich sein ein Schlafprotokoll zu führen, um Fachpersonen zu zeigen, wie belastend die Nächte tatsächlich sind – das habe ich irgendwann gemacht. Ich bin damit in unser SPZ (sozialpädiatrisches Zentrum) und habe gesagt: Sehen Sie sich das an. Ich kann nicht mehr. Das Kind braucht Schlaf. Wie soll er sich ohne Schlaf bitte entwickeln können? Ab diesem Zeitpunkt hatten wir endlich Austausch mit unseren Ärzten und Therapeuten und haben immerhin gemeinsam nach möglichen Lösungen gesucht.

Ich habe privat eine Gewichtsdecke für zuhause besorgt und der Kindergarten hat ebenfalls eine für den Mittagsschlaf angeschafft. Wir haben Reize abgebaut und herausgefunden, dass mein Kind nur schlafen kann, wenn es komplett dunkel ist im Raum. Also haben wir Verdunklungsrollos und Vorhänge angebracht. Und dann kam auch irgendwann das Melatonin in unser Leben. Ich wollte lange keine Medikamente geben. Denn ich dachte, ich wäre eine schlechte Mutter und hätte in meiner Erziehung versagt, wenn das Kind nicht schlafen kann.

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Was ich mir wünsche?

Betroffene Familien müssen ernst genommen werden und benötigen Unterstützung. Fordert sie euch ein und vertraut auf euer Bauchgefühl, wenn ihr denkt, euer Kind hat eine Schlaftstörung. Wenn euer Kind nicht schlafen kann, dann hat das nichts falscher Erziehung zu tun und ist kein elterliches Versagen!

Wir wurden als Familie leider jahrelang nicht gesehen. Und ich bin bis heute durch den jahrelangen Schlafmangel und die Umstände traumatisiert. Sehe ich Eltern mit einem schlafenden Baby in der überfüllten Innenstadt bummeln gehen, triggert mich das. Noch nach sechs Jahren überlege ich, was ich als Mutter falsch gemacht habe, weil mein Kind das nicht konnte und teilweise immer noch nicht kann.  Eine kindliche Schlafstörung macht die ganze Familie einsam und oft bricht das Sozialleben weg. Das ist besonders belastend und macht uns einsam. Manchmal ändert sich daran über Jahre nichts. Mir hätte geholfen, wenn ich gewusst hätte, dass es sich um eine Schlafstörung handelt und nicht um mein elterliches Versagen. Das hätte vieles einfacher gemacht und ich hätte mich weniger schuldig gefühlt.

Ein Kommentar zu “Die Sache mit der Schlafstörung – wenn pflegende Familien zu wenig Schlaf bekommen

  1. Ja, die Sache mit dem Schlaf… Unser Pflegesohn hat FASD und massive Schlafstörungen. Nachdem wir endlich mit retardiertem Melatonin einigermaßen Ruhe für ihn (und uns) gefunden haben, zahlt nun die Krankenkasse das Medikament nicht mehr. Off-Label-Antrag abgelehnt. Das Jugendamt zahlt nicht, wenn die Krankenkasse nicht zahlt. Wir bleiben auf 135 Euro Kosten sitzen. Monatlich. Alternativen: keine. Lieben Dank auch für die allumfassende Wertschätzung für pflegende Pflegefamilien.

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