Leni und ihr großer Bruder Lorenz sitzen beim Frühstück, als die Welle in Lorenz‘ Kopf zum ersten Mal kommt. Seine Hand zittert und seine Augen bewegen sich ganz schnell. Er hat einen epileptischen Anfall. Er muss schnell ins Krankenhaus, damit herausgefunden werden kann, was los ist.
Im Erklärtext am Schluss erfahren wir, dass Lorenz Rolandoepilepsie hat. Er hat fokale Anfälle, die in einem bestimmten Teil seines Gehirns stattfinden. Er selbst ist dabei bei Bewusstsein und kann danach auch einfach weiter machen, wie vorher. Zum Beispiel mit seiner Schwester Leni Pirat*innen spielen. Für Leni ist das mit den Anfällen schwer zu verstehen, aber Lorenz erklärt es ihr genau:
„Stell dir vor, ein Sturm zieht auf und eine gewaltige Welle rollt auf unser Piratenschiff zu. Sie wird immer größer und größer und plötzlich überrollt sie eine Seite unseres Schiffes. […] Du und ich, wir stehen am Steuer und bleiben verschont und trocken. Aber der Rest der Mannschaft, tja, der wird wie wild umhergewirbelt, alle werden tropfnass.“
“Leni und Lorenz” von Elisabeth Böhm habe ich im Sommer 2022 über eine Crowndfunding-Aktion kennen gelernt und mir bestellt. Im Herbst wurde das Projekt realisiert. Das Crowdfunding hat vier Mal so viel an Finanzierung erreicht wie das Startlevel ausgegeben wurde. Als „Leni und Lorenz“ bei mir ankam, habe ich mich zuerst über die schönen Illustrationen von Käthe Leipold gefreut, die eine geerdete Stimmung verbreiten und die Beziehung von Leni und Lorenz ganz wunderbar aufgreifen. Ihre Beziehung wird ab der ersten Seite als vertraut und innig beschrieben, was das erste Auftreten der Epilepsie umso schlimmer macht. Als Leserin fühle ich Lenis Schmerz, aus deren Perspektive geschrieben wird, als sie durch den Krankenhausaufenthalt von ihrem geliebten Bruder getrennt ist. Ihre Welt fällt aus der Balance, wie wahrscheinlich auch die ihrer Eltern. Von denen erfahren wir wenig, denn klar, als Kind kann Leni ihre Gefühle nicht so gut wahrnehmen. Man liest aber die Schwere heraus, die sich über die Familie legt und die ab da oft zu ihrem Alltag gehört, genauso wie die Medikamente, die Lorenz nun täglich nehmen muss.
„Die Tage vergehen und alles ist wie immer. Also fast.“
Leni beschreibt das, was passiert, wenn die Krankheit dazu gehört und eine Familie versucht, alles wieder so zu leben wie vor dem ersten Auftreten. Die enge Verbundenheit zwischen Leni und Lorenz reißt auch durch die Krankheit nicht ab und wird weiter vertieft, ob durch’s gemeinsame Fahrrad fahren oder Pirat*innen spielen. Als Leser*innen erfahren wir am Schluss, dass es sehr wohl Veränderungen im Alltag der Familie gibt und dass sich vor allem die Eltern sehr darum kümmern müssen, dass immer das Notfallmedikament dabei ist oder dass Lorenz nicht alleine schwimmen geht. Einen wichtigen Punkt lesen wir am Schluss noch: Epilepsie ist nicht ansteckend. In anderen Worten: wir anderen sollen keine Angst davor haben, wenn wir jemandem wie Lorenz begegnen.
Als Mutter, die kein Kind mit Epilepsie hat, ist dies ein wertvolles Buch für mich. Ich lerne eine von vielen Geschichten kennen und kann verstehen, wie es sein kann, wenn ein Kind in der Familie Epilepsie bekommt. Ich lerne auch, dass das Leben nach einer solchen Diagnose weiter geht und es hilft, wenn die betroffene Person ein starkes und liebevolles Netz hat, das sie auffängt. „Leni und Lorenz“ ist ein aufklärendes und Mut machendes Buch für alle mit und ohne Epilepsie in ihrem Alltag.
“Leni und Lorenz”, ein Buch für Kinder zwischen drei und sieben Jahren, kann im Buchhandel oder per E-Mail bestellt werden: leniundlorenz(at)aexios.de. Preis pro Buch: € 12,90 (zzgl. Versand).
Auf Instagram findet ihr Leni und Lorenz hier.