Mit dem heutigen Tag möchten wir und alle, die ihn feiern, auf Menschen mit Down-Syndrom aufmerksam machen. Der WDST 2023 steht unter dem Motto “Nicht ohn uns”. Wir möchten sie sichtbar machen, mit allen Rahmenbedingungen, die sie mitbringen, und allem, was sie sind und können und lieben, nicht trotz sondern mit Down-Syndrom. Wir wollen aufklären und Stereotype ersetzen, wir wollen zu Inklusion und Revolution anstiften.
Ihr findet heute unter den Hashtags #WDST oder #Worlddownssyndromday ganz viele Geschichten und Bilder von Menschen, die entgegen der üblichen Bezeichnung nicht an Down-Syndrom „leiden“, sondern ein gutes Leben führen und dies auch aktiv einfordern. Unter dem Motto „Rock your socks“ soll mit dem Tragen verschiedener Socken darauf hingewiesen werden, dass das Leben bunt ist. Genaueres lest ihr hier bei Jolinas Welt.
Auf dem Blog hat Martina auch eine Vorlage für den heutigen Tag erstellt, ihr findet sie hier. Vielen Dank dafür, Martina, und für deine unermüdliche Aufklärungsarbeit.
Heute haben wir Dominique zu Gast, die auf ihrem Instagram-Account „Made for Motti“ neben wunderschönem Nähcontent auch Momente aus ihrem Leben mit ihrer Tochter Püppi (Pseudonym für die Internet-Öffentlichkeit) teilt. Dominique zeigt, wie Püppi reitet und ihr Leben genießt und mit ihrem kleinen Bruder zum Kindergarten läuft. Und sie schreibt auch darüber, welche Gefühle und Gedanken es mit sich bringt, wenn sich ihr Kind in der Mitte der Gesellschaft bewegt und dort manchmal als selbstverständlich akzeptiert und manchmal auch abgelehnt wird.
Dominique erzählt uns von dem Moment, in dem sie die Diagnose erhalten hat und wie es ihr danach ging.
(Triggerwarnung: Ableismus, Abtreibung)
“Wenn ich mich an die Zeit der Diagnose zurückerinnere, ist mir besonders der Termin beim Feindiagnostiker in Erinnerung geblieben, zu welchem ich in der 30. Schwangerschaftswoche von meiner Gynäkologin überwiesen wurde, weil sie eine Zyste im Ultraschall entdeckt hatte. Die Untersuchung dauerte unheimlich lange, da der Arzt jedes Körperteil unseres Babys genau unter die Lupe nahm. Dabei wurde sein Gesicht immer ernster. Ich weiß noch, wie mein ursprünglicher Optimismus immer weiter schwand und sich anstelle dessen ein ungutes Gefühl in meinem Magen breit machte. Mein Herz schlug immer schneller, bis er dann die Untersuchung mit den Worten „Ja, da ist eine Zyste, aber das ist nicht das Hauptproblem“ beendete. Danach zählte er alle Softmarker auf, die für das Down Syndrom sprachen und erklärte, dass wir eine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen müssten, um Sicherheit über seinen Verdacht zu erlangen. Er wählte seine Worte nicht besonders negativ, sondern sprach relativ neutral (abgesehen von dem Wort „Problem“, das sich sehr bei mir eingebrannt hatte). Dennoch traf mich die Erkenntnis, dass mein Kind wahrscheinlich anders war als erwartet, wie ein Schock. Ich weiß noch, wie ich mit meinem Mann im Flur der Praxis stand, weil wir noch auf den Arztbrief warten sollten. Und wie es uns beiden komplett die Sprache verschlagen hatte. In meinem Kopf das pure Chaos, in meinem Blick die nackte Angst. Ich war vollkommen überrumpelt von der Tatsache, dass diese Schwangerschaft nicht „nach Plan“ verlief. Auf dem Heimweg wirbelten die Worte des Arztes wie wild durch meinen Kopf und alles in mir schrie „nein, nein, das darf nicht wahr sein!“.
Die endgültige Diagnose erhielten wir etwa eine Woche später. Die Genetikerin sagte etwas in dieser Art: „Ich habe leider eine schlechte Nachricht für Sie. Ihr Kind hat Trisomie 21. Das tut mir so leid. Ihre Schwangerschaft ist ja auch schon so weit vorangeschritten, da können Sie jetzt gar nichts mehr machen“. Die Tatsache, dass sie mich dafür bemitleidete, dass ich mein Wunschkind, das nicht ganz so war wie erwartet, jetzt nicht mehr abtreiben könnte (mal abgesehen davon, dass das nicht mal stimmte), verärgerte mich damals schon. Wenn ich heute daran zurückdenke, treibt es mir immer noch die Tränen in die Augen. Nicht nur, weil diese Zeit insgesamt unheimlich emotional für mich war, sondern auch, weil es mir den Wert von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft schmerzhaft vor Augen führt.
Eine weitere Beratung erhielten wir nicht. Unterstützung nur durch Familie und die engsten Freunde. Es fiel mir lange schwer, unserem Umfeld von der Diagnose zu erzählen. Erst als ich anfing, mich in den sozialen Medien mit anderen betroffenen Familien auszutauschen, konnte ich wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. Das war mir in den letzten Wochen der Schwangerschaft vermutlich die größte Stütze. Kurz nach der Geburt fing ich dann an, unsere Geschichte aufzuschreiben und diese zu teilen. Mir alles von der Seele zu schreiben war wie eine Therapie für mich. Der Schmerz, der mich in den letzten Schwangerschaftswochen überrannte, wird wahrscheinlich nie ganz vergessen sein, aber er verblasst von Jahr zu Jahr. Spätestens, als ich meine Tochter das erste mal im Arm halten durfte, musste er weichen, für ganz viel Liebe und Zuversicht.“
Dominique und Püppi sind neben einigen anderen Familien Teil eines Projekts, das Lara Mars, Co-Gründerin von Lavanja, ins Leben gerufen hat. Im Heft „Von Mutter zu Mutter“ schreiben Mütter (und ab einer späteren Ausgabe auch Väter) Briefe an ihr Vergangenheits-Ich und erzählen ihnen, wie das Leben nach der Diagnose weiter ging und wie schön das Leben mit dem Kind ist, das sie damals in den Armen hielten. Pünktlich zum heutigen „Feiertag“ kommt das neueste Projekt von Lara und ihrer Lavanja-Partnerin Tanja raus, schaut mal rüber: „An mich. Verwandte und Freunde. Kein Grund zur Trauer. Schön, dass du da bist.“
Wenn ich daran denke, wie wir damals die Diagnose in der 13. Schwangerschaftswoche erhalten haben, und wie leer meine Gedanken waren, weil ich keine Ahnung davon hatte, wie ein Leben mit Down-Syndrom aussehen kann, bin ich genauso wie Dominique sehr dankbar für das Internet. Dort sehen wir nämlich das, was uns im realen Leben fehlt: Vorbilder in erwachsenen Menschen mit Down-Syndrom, andere Familien, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben, und ältere Kinder und Jugendliche, die uns zeigen, was nach der Diagnose kommen kann. Uns fehlen auch Erfahrungswerte und Tipps von Fachleuten im medizinischen und therapeutischen Bereich. Oder Hinweise wie: „Schau mal da oder lies mal das.“ Wo soll es auch her kommen, wenn Menschen mit Down-Syndrom nicht in der Mitte der Gesellschaft stattfinden und erst recht nicht in den Krabbelgruppen, Kindertheatern oder beim Spielen am Bach.
Und hier kommt noch einmal Lara ins Spiel: sie hat neben ihren Projekten VMZM und Lavanja auch ein Buch geschrieben, in dem sie uns nicht nur von ihrem Leben mit ihrer Tochter Tilda erzählt, sondern auch andere Eltern und Angehörige zu Wort kommen lässt. Sie rundet das Ganze mit Berichten von Personen ab, die beruflich mit Menschen mit Down-Syndrom arbeiten. „Ein wunderbar anderes Leben“ zeigt uns genau das: Wie Lara und ihr Mann mit der Diagnose und ihrer Tochter gemeinsam in ein Leben hinein wachsen, das anders ist als sie es erwartet haben.
Auszug aus „Ein wunderbar anderes Leben“:
“Wenn ich Tilda heute ansehe, dann sehe ich nur meine Tochter und ihre bezaubernde Schönheit. Ich liebe es, wenn sie die Augen zusammenkneift, damit ich mitmache. Liebe es, wenn sie ihren Lieblingswitz performt und ihren Finger an die Lippen legt, wartet, bis alle ganz leise sind, und dann aus dem Nichts los schreit, um sich anschließend vor Lachen zu krümmen.
Ich liebe es, wie sie voller Vorfreude zum Tisch läuft, wenn ich ihr Logopädie-Material heraushole. Liebe ihre Konzentration und ihren Elan, wenn wir zusammen üben. Liebe es, wie sie sich freut, wenn ich sie frage, ob wir die Eisenbahn aufbauen sollen, und bin stolz, wie sie alles selbständig weg räumt, wenn sie fertig gespielt hat.”
Ganz so, wie Lara es beschreibt, ist auch unser Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom sehr schön und sehr anders. Und nichts daran will ich anders haben.
Mein Sohn Lukas kam grad vorbei, während ich das schrieb und hat auch noch was zu sagen:
Äölkjnzthm
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