Superheld*innen und der Krankenhaus-Blues

by Simone

Es gibt ja oft diese verklärte Vorstellung, dass Menschen, die schwere Krankheiten durchleben und ihre Liebsten, die sie dabei begleiten, besonders stark und tapfer oder hingebungsvoll sind. Diese romantische Vorstellung aus Hollywoodfilmen in denen man – auch ohne Happy End – dies alles mit Hingabe und Superpower gemeinsam meistert. Dass man aus dieser Zeit unheimlich viel für sich mitnimmt, aus der schweren Zeit fürs Leben lernt und noch stärker zusammenwächst. Auch, dass man eben genau daran wächst und einen neuen Blick auf das Leben bekommt. Auch ist es auf Social Media oft so, dass Eltern das selbst beschreiben oder so initiieren, dass man eben etwas ganz Besonderes ist. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Es ist nur eine Seite der Medaille, finde ich.

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Ein warmes Gefühl von Zuhause

by Bárbara Zimmermann

Dass die Welt groß ist, wissen wir alle. Aber was große Entfernungen für eine*n bedeuten können, wissen vor allem migrantische Familien.

Vor einer Woche bin ich aus Brasilien zurückgekommen, wo ich geboren wurde und den Großteil meines Lebens verbracht habe. Obwohl ich die Einzige meiner kleinen Familie bin, die dort geboren ist, fühlt sich Brasilien wie ein Zuhause für uns fünf an.

Ich hätte so vieles zu erzählen: wie lebendig ich mich dort fühle; welche Freude es für mich ist, meine Kinder Portugiesisch sprechen zu hören und wie sie mich nach vielen Jahren wieder “mãe” (Mama auf Portugiesisch) nennen; wie absurd schön die Natur des Regenwaldes mit seinen Wasserfällen, Flüssen und Tälern ist – und der Strand! Oder genauer gesagt: die Strände!

Die ganze Vorbereitung für die Reise war der Wahnsinn! Da wir mehrere Wochen dort verbrachten, mussten wir vieles mitnehmen, insbesondere genug von allen wichtigen Pflegeartikel für Kind Nr.3: fast 300 Blasenkatheter, 130 Spritzen (sie bekommen ein bestimmtes Medikament in der Blase durch den Blasenkatheter gespritzt, also ohne Nadel), ein Darmspülungssystem, ein Outdoor-Rad für den Rollstuhl und noch andere Dinge, die wir im Alltag für sie benötigen, lagen im Koffer zwischen Badeanzügen, Flipflops und Lindt-Schokolade (zusammen mit Weihnachtsdekoration, das beste Geschenk für Brasilianer*innen).

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“Alle Jahre wieder” – das letzte Seufzen im Jahr 2023

by Anna

Das Bild ist schwarz weiß, Anke steht in ihrem Flur, lehnt mit einer hand an der Wand

Jetzt ist es bald soweit und das Jahr 2023 ist auch schon fast rum. Mit Cheyennes Text vor zwei Wochen haben wir euch schon einen Einblick in die Gedanken rund um Weihnachten oder Jahresende in einer Familie mit behinderten Kindern gegeben. Heute lesen wir, wie es Anke damit geht, dass Weihnachten da draußen nicht barrerefrei für Ihre Tochter ist, dass sie in jeder Hinsicht vor verschlossener Tür steht und dass niemand kommt, wenn Not im Advent ist. Ein starker Text, der uns nicht Betroffenen zum Aushalten auffordert, ganz ohne dass es da steht.

Die wunderschönen Bilder hat Natalie Stanczak gemacht, ihr findet Ihre Arbeit als Sandsackfotografie und als Teil von Faces of Moms auch auf Instagram.

Alle Jahre wieder wäre ich gerne unbeschwert und voller kindlicher Freude in der Erwartung des Weihnachtsfestes. Dabei ist meine Erwartungshaltung keineswegs utopisch. Ich wünsche mir für mein Kind nur ein gemütliches und auch geselliges Erleben dieser speziellen Zeit. Egal, ob bei Freunden im Wohnzimmer an einem Sonntagnachmittag oder mit Schokofrüchten auf dem Weihnachtsmarkt. Es gibt Rituale im Advent, die mir viel bedeuten, aber die mein Kind kaum miterleben kann.

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Der Unterschied

by Simone

Es gibt da einen Unterschied, über den wir uns einmal Gedanken machen sollten: es gibt ein großes Spektrum an Behinderungen und Pflegebedürftigkeiten. Dies bedeutet wiederum, dass die Herausforderungen für die Betroffenen und ihre Familien sehr sehr verschieden sein können.

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Buchtipp für mehr Gespräche über Inklusion: “Ich bin Mari” von Shari und André Dietz

by Simone

Ich bin ja Germanistin und liebe das geschriebene Wort. In meiner Welt bedeutet Sprache Macht und daran glaube ich! Ich bin mir sicher, dass Gespräche, Bücher und die Art und Weise wie wir die Welt beschreiben einen Unterschied machen. Sprache prägt unsere Kinder und unseren Umgang mit unseren Mitmenschen. Sprache formt unser Weltbild von Kindesbeinen an. Worte können wie eine sanfte Umarmung sein oder eine klaffende Wunde hinterlassen. Und deshalb braucht unsere digitale Welt immer noch Bücher. Bücher die uns lehren und Träume schenken. Bücher die unsere Werte weitertragen. Und genau so ein Buch ist „Ich bin Mari“ von Shari und André Dietz.

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Buchtipp: “Bist du behindert oder was? Kinder inklusiv stärken und ableismussensibel begleiten” von Rebecca Maskos und Mareice Kaiser

by Anna

Keine Ahnung, wo ich mit dem Lobpreisen dieses Buches anfangen soll. Vielleicht bei den Autor*innen Mareice Kaiser (im Kaiserinnenreich auch heimlich Chefin genannt, wobei sie dann immer antwortet, das wir die Chefinnen wären) und Rebecca Maskos, die erst seit kurzem Instagram nutzt und es liebt, jetzt endlich mal Essensfotos posten zu können. Oder mache ich weiter, dass unsere geliebte Bárbara einen Text zu Ableismus in der Familie beigesteuert hat und sich selbst und uns anderen Eltern ein bisschen den Spiegel vor hält.

 

“Eine kindliche Haltung in der Kommunikation, selbst wenn das Kind nicht mehr klein ist, oder eine unachtsame, respektlose Behandlung des Körpers des Kindes bei der täglichen Pflege sind weitere Verhaltensweisen, die man bei Eltern behinderter Kinder beobachten kann”.

 

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Buchtipp: “Angry Cripples. Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus“, herausgegeben von Alina Buschmann, Luisa L´Audace.

by Bárbara Zimmermann

Als nicht-behinderte Frau musste ich (Bárbara), auch wenn leider ziemlich spät, vieles Neues lernen, als mein behindertes Kind auf die Welt kam. Ich hatte keine wirkliche Ahnung, wie Menschen mit Behinderung leben, wie es um ihre Rechte steht. Wäre das nicht schlimm genug, war ich auch der (falschen!) Meinung, dass wir als Gesellschaft schon viel im Bereich der Förderung von Inklusion, Barrierefreiheit und Gleichberechtigung für behinderte Menschen getan haben.

Mit der Geburt meines Kindes bin ich ins kalte Wasser gesprungen und wurde, wie alle pflegende Eltern es leider nur zu gut kennen, ziemlich schnell mit vielen Barrieren und unschönen Erfahrungen konfrontiert. Die erste Situation die ich erfahren habe, war direkt im Krankenhaus, nachdem mein Kind, damals ein fünf Tage altes Baby, aus der Intensivstation raus durfte und ich mich wie die glücklichste Mutter dieser Welt gefühlt habe und dachte: nichts und niemand kann mir dieses Gefühl wegnehmen. Bis eine Physiotherapeutin mir und meinem Mann sagte, bevor sie uns die ersten Physiktherapieübungen für mein Kind uns erklären wollte, dass wir als Eltern uns bewusst machen sollen, dass wir einen schweren Weg vor uns haben werden und dass wir uns eigentlich anders hätten entscheiden können. Ich starrte bei diesen Worten meinen Mann an und konnte meine Ohren nicht trauen. Ich fühlte mich komplett gelähmt und konnte in dem Moment nichts dazu sagen. Aber diese Erfahrung, bei der das Leben meines Kindes direkt nach seiner Geburt so sehr in Frage gestellt wurde, hat mich damals sehr verletzt. Ein Mama eines frisch geborenen Babys, egal ob mit oder ohne Behinderung, braucht etwas anderes als das. Ein Jahr später war ich dann bereit diese Erfahrung mit der Leitung der Kinderklinik zu teilen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wie gesagt, ich musste damals viel lernen und deshalb war es mir sehr wichtig, insbesondere Stimmen von behinderten Menschen zu hören und lesen – im Grunde genommen von ihnen zu lernen. Ich erinnere mich, wie ich damals besonders viel von Luisas L`Audace Instagram-Profil und durch den Podcast des Teams „Die Neue Norm“  gelernt habe. Über Luisas L´Audaces erstes Buch habe ich vor genau einem Jahre hier auf dem Blog geschrieben.

Der heutige Tag, der 3. Dezember, gilt weltweit als der „Internationale Tag der Menschen mit Behinderung“, ein Tag wo es darum geht, die Gesellschaft aufmerksam zu machen, dass Menschen mit Behinderung immer noch und viel zu oft benachteiligt werden.

Nicht nur heute, aber gerade heute, ist es uns wichtig, unseren Blog für die Stimmen von behinderten Menschen Platz zu machen. Dafür möchte ich das tolle Buch „Angry Cripples. Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus“ vorstellen, herausgegeben von Alina Buschmann, Luisa L´Audace bei dem Leykam Verlag. Mit sechszehn Kapitel von unterschiedlichen Autor*innen wie Kübra Sekin, Natalie Dedreux, Tanja Kollodzieyski, Nadine Rokstein, Jasmin Dickerson, Janina Nagel u.a. berichten sie über ihren Alltag, über Kunst, ableistische Erfahrungen, Pränataldiagnostik, selbstbestimmte Sexualität, über Gefühle wie Trauer und Hoffnung.


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Die unerwünschten Geschenke

by Bárbara Zimmermann

Es ist immer das Gleiche: Wenn wir als Familie mit unserer behinderten Tochter unterwegs sind, bekommen wir unterschiedliche Reaktionen von anderen Menschen wie auf einem Tablett serviert. Es können starrende Blicke sein, Fragen zu ihrer Behinderung – „Was hat sie denn?“ -, ungefragte Therapievorschläge, und – der Hit! (Ironie) – Geschenke von fremden Menschen.

Hier eine nicht vollständige Liste von solchen Geschenken: einen Schutzengel auf einem Straßenfest von einem Mann bekommen, zwei Euro von einer älteren Dame am Supermarkt – „Kauf dir was Schönes, meine Süße!“ und kneift ihr an die Backe dabei -, Luftballons von Clowns am Spielplatz – obwohl sie damals große Angst von ihnen hatte – und neulich eine Kette im Wert von 15€ von einem Mann der Schmuck in Hannover Innenstadt verkaufte.

Das ist alles lieb gemeint. Diese Menschen wollen meinem Kind etwas Gutes tun, ihm etwas schenken, eine Freude machen. An sich kein Problem, oder? Leider doch.

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Buchtipp: “Valentinas große Fahrt” von Annabell Behrmann, Miriam Opresnik und Sabrina Kotzerke

by Anna

Letzte Woche haben wir euch ja schon Roberts Buch vorgestellt. Heute knüpfen wir an seinen Tätigkeitsbereich “Trainer für die Olympischen Winterspiele für Menschen mit geistiger Behinderung” an. Wir lernen Valentina kennen.

Wir sind dabei, als Valentina ihr neues Fahrrad bekommt. Es ist rot, mit Marienkäfer-Tupfen und hat drei Räder. Wir begleiten sie, ihr Rad und ihre Musikbox in den Park, wo sie fröhlich ihre Runden zu “Atemlos durch die Nacht” zieht. Bis sie von Jugendlichen ausgelacht wird.

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