Es wird dir nichts geschenkt

by Bárbara Zimmermann

Seit einigen Monaten ist es nicht mehr der Wecker, der mich morgens aufweckt, sondern meine Älteste (11) oder Mittlere (7) Kind. Sie werden vor mir und meinem Mann wach, stehen mit ihren schönen verschlafenden Blicken an unserer Bettkante und müssen nicht selten zwei Mal sagen: Kommt ihr, steht auf! Die Müdigkeit drückt noch stark auf meine Knochen nach den Anstrengungen von den letzten Monaten.

Ohne eine andere Chance zu haben, stehen wir auf. Noch ein Tag geht los! Ich mache mich fertig und gehe zur Küche. Mal mache ich die Musik an, mal nicht. Zurzeit werden Gal Costa, meine unsterbliche Königin der brasilianischen Musik, und Yamandú Costa zusammen mit Bala Desejo immer wieder hintereinander gehört. Ich liebe die brasilianische Musik seit der ersten Stunde des Tages. Aber zurück zu meiner Routine: Brotdosen packen ist mein Job, während mein Mann bei unserer jüngsten Tochter (4) ist. Die beiden Großen brauchen keine Unterstützung mehr mit Anziehen und im Bad.

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Mit voller Wucht

by Bárbara Zimmermann

Ich wollte schreiben, wie gut wir es hier im neuen Haus haben, aber wo bleibt die Zeit dafür? Ich wollte auch schreiben, wie viel besser wir es im neuen Haus haben, seitdem wir nach zehn Tagen hier nicht mehr draußen am Gaskocher, mit dem Grill oder mit der ausgeliehenen Herdplatte kochen und in der Waschküche spülen müssen. Die Arbeitsplatte wurde geliefert, Herd und Spüle wurden installiert and I love it! Jetzt kann ich sagen, dass wir eine Küche haben.

Ich wollte auch schreiben, wie dankbar ich für die enorme Unterstützung von meiner Mutter bin, die zusammen mit meiner Oma seit zweieinhalb Monaten bei uns ist, aber wo bleibt die Zeit dafür? Ich wollte auch schreiben, dass ich langsam wieder meinen Arbeitstisch haben will, der im Arbeits- und Gästezimmer steht, wo meine Oma schläft. In der Küche zu promovieren ist die jetzige Lösung. Um meinen Schreibtisch wieder haben zu können, müssen aber meine Oma und meine Mutter uns Tschüss sagen und zurück nach Brasilien fliegen. Und das macht uns alle traurig, gehört aber dazu für uns Migrant*innen. Saudade gehört zu unserer alltäglichen Palette von Gefühlen.

Ich wollte auch von dem Tag schreiben, an dem ich so unendlich müde nach dem langen Termin mit Zoe im Sanitätshaus war. Von der Autofahrt, der Odyssee, um die benötigten sechs Rezepte und eine Überweisung zu bekommen, die ich für sie für diesen Monat brauche. Es war ein solcher Tage, für den man drei Tage gebraucht hätte. Dazu habe ich noch meine Menstruation bekommen. Und als Krönung des Tages eine Situation mit Zoe, die mich tief berührt hat. Dafür nehme ich mir jetzt endlich die Zeit zum Schreiben:

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Ein Hindernislauf: Über das Leben mit einem lernbehinderten Kind

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Barbara Peveling.

Als mein Sohn mich bittet, die andere Mutter anzusprechen, muss ich erstmal tief durchatmen. Seit mindestens einer Stunde sehe ich ihn ausgelassen mit diesem fremden Kind herumtoben. Eigentlich freue ich mich über jeden Kontakt, über jede Freundschaft, die mein Kind schließt. Denn Freunde haben ist nicht selbstverständlich, wen jemand Legastheniker ist. Wenn er in der Schule vorliest, kommt er schnell ins Stottern, dann wird gelacht. Er ist langsamer im Schreiben als der Rest der Klasse, immer der Letzte und dann sitzt da auch noch eine Lernbegleitung neben ihm. Er braucht Medikamente, um sich im Unterricht überhaupt konzentrieren zu können, weil seine Gedanken ständig abschweifen. Sie sind wie ein Vulkan, der im Minutentakt explodiert und seine Sätze sind oft genauso wirr, so dass viele ihn einfach nicht verstehen. Über mein Kind wird oft und viel gelacht. Manchmal macht er sich absichtlich zum Clown, manchmal fängt er an zu weinen, so sehr, dass ich ihn früher aus der Schule holen muss, weil die ihn nicht mehr behalten wolle, denn wenn einer in der Klasse gemobbt wird, dann mein Sohn. Er gibt ein leichtes Opfer, denn er kann sich aus vielen Gründen, die mit seiner Behinderung in Zusammenhang stehen, nicht wehren.

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Die Suche nach den Worten

by Bárbara Zimmermann

“Die Krampfmomente sind am Schwierigsten zu leben, aber in ihnen schreit das Leben am lautesten“, schreibt die brasilianische Philosophin Suely Rolnik. Ich habe diesen Satz im Januar in Brasilien in ihrem Buch gelesen, und es mir gelb markiert. Keine Ahnung, warum. Es klang nicht nur stark und passend zu ihrer gesellschaftlichen Analyse, ich hatte auch das unausgesprochene Gefühl, diesen Satz irgendwann einmal gebrauchen zu können, selbst wenn ich ihn überhaupt nicht brauchen wollte. Ich wusste, was dieser Satz für mich bedeuten könnte. Ich hatte nähmlich Angst, dass mein Kind irgendwann ihren ersten epileptischen Krampfanfall und somit auch die Diagnose von Epilepsie bekommt.

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Das Leben eben, Pt. IV

by Mareice Kaiser

In »Das Leben eben« teile ich in unregelmäßigen Abständen meine liebsten Fundstücke aus dem Netz – und eigene Gedanken. Oft geht es dabei um Inklusion, Gleichberechtigung und das Leben mit Kindern. Manchmal um kleine Szenen des Alltags; manchmal um Trauer, als Teil des Lebens. Außerdem dabei: Blumen, Empörung und Musik. Das Leben eben. Weiterlesen

Das Leben eben, Pt. III

by Mareice Kaiser

In »Das Leben eben« teile ich in unregelmäßigen Abständen meine liebsten Fundstücke aus dem Netz – und eigene Gedanken. Oft geht es dabei um Inklusion, Gleichberechtigung und das Leben mit Kindern. Manchmal um kleine Szenen des Alltags; manchmal um Trauer, als Teil des Lebens. Außerdem dabei: Blumen, Empörung und Musik. Das Leben eben. Weiterlesen

Das Leben eben, Pt. II

by Mareice Kaiser

»Das Leben eben« ist (m)eine neue Reihe, in der ich in unregelmäßigen Abständen meine liebsten Fundstücke aus dem Netz teile – und eigene Gedanken. Oft geht es dabei um Inklusion, Gleichberechtigung und das Leben mit Kindern. Manchmal um kleine Szenen des Alltags; manchmal auch um Trauer, als Teil des Lebens. Außerdem dabei: Blumen, Empörung und Musik. Das Leben eben. Weiterlesen

Das Leben eben, Pt. I

by Mareice Kaiser

»Das Leben eben« ist (m)eine neue Reihe, in der ich in unregelmäßigen Abständen meine liebsten Fundstücke aus dem Netz teile – und eigene Gedanken. Oft geht es dabei um Inklusion, Gleichberechtigung und das Leben mit Kindern. Manchmal um kleine Szenen des Alltags; manchmal auch um Trauer, als Teil des Lebens. Außerdem dabei: Blumen, Empörung und Musik. Das Leben eben. Weiterlesen

Von Gespenstern & anderen Menschen

by Mareice Kaiser

Draußen schien also immer die Sonne, das bedeutete, dass es hinter den Fenstern doch mal regnen musste. Es ging gar nicht anders, das wusste ich als Kind schon. Die Autorin Sarah Riedeberger beschreibt ihre Kindheit auf dem Dorf und ihren Blick hinter die Fassaden. Sie schreibt über den Tod, der immer nur am Ende erwartet wird, aber doch nie mitten im Leben passiert. Und sie schreibt über ihre Angst vor Menschen mit Behinderung. Früher hatte ich Angst vor Gespenstern
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