Funktioniert Inklusion in Deutschland bisher nur auf dem Papier?

by Simone

Simone Braunsdorf-Kremer hat uns erzählt, wie die Einschulung auch laufen kann für ein Kind mit Behinderung – nämlich mit ganz viel Engagement der zuständigen Stellen

Immer wieder lese ich Beiträge von pflegenden Eltern zur inklusiven Beschulung – und den Schwierigkeiten, die sie auf diesem Weg haben. Auf dem Weg zur Erfüllung einer Pflicht: der Schulpflicht! Denn die gibt es in Deutschland auch für Kinder mit Behinderung. Jeder dieser Berichte macht mich fassungslos…

Zum einen weil ich einfach nicht glauben kann, nicht glauben MÖCHTE, welche Steine Eltern von Kindern mit Behinderung in den Weg gelegt werden. Ich rede hier gar nicht von den unzähligen Stunden, die man mit dem Ausfüllen von Anträgen und Formularen…dem Kopieren von Gutachten und Arztbriefen…und den Telefonaten, um Bescheinigungen bei Ärzten anzufordern, verbringt. Ich rede auch nicht von den zig Terminen die man im Vorfeld wahrnehmen muss, damit das Kind einen IQ-Test macht oder man in einer Schule hospitiert. Denn daran haben wir pflegende Eltern uns bereits gewöhnt! Ich rede davon, das Eltern keinen Platz an einer Förderschule finden und ein Kind mit Förderbedarf an einer Regelschule beschult werden soll.  Oder davon, dass Eltern gerichtlich einen Transport des Kindes zur Schule einklagen müssen. Oder auch davon, dass Kinder zwei Jahre lang gar nicht zur Schule gehen können, weil es keine Teilhabeassistenz gibt, die begleitet.  

Zum anderen macht es mich fassungslos, weil es bei uns mit der Einschulung so reibungslos lief. Bei jedem Bericht, den ich lese, frage ich mich: „Bei uns war alles so einfach. Wieso ist das woanders denn nicht möglich?“

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Wir haben den Pausenknopf gefunden – im Kinderhospiz

by Anna

AUf dem Bild ist ein Flur zu sehen, links stehen Schränke, der Boden ist aus gestreiftem Holz, die Decken und Schränke auch, der Rest ist durch Unschärfe unsichtbar gemacht.

Heute ist der 10. Februar 2023. Heute ist der “Tag der Hospizarbeit”.

Der Tag der Kinderhospizarbeit wurde am 10. Februar 2006 vom Deutschen Kinderhospizverein e.V. ins Leben gerufen. Seitdem findet er jährlich an diesem Tag statt. Er hat das Ziel, die Inhalte der Kinder- und Jugendhospizarbeit und ihre Angebote stärker in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu verankern, Menschen von der Sinnhaftigkeit ehrenamtlichen Engagements zu überzeugen, finanzielle Unterstützer*innen zu gewinnen, das Thema “Tod und Sterben von jungen Menschen” zu enttabuisieren sowie insbesondere am Tag der Kinderhospizarbeit solidarisch an der Seite betroffener Familien zu sein.”

www.deutscher-kinderhospizverein.de

Im Kaiserinnenreich möchten wir allen pflegenden Eltern den Raum geben, gehört und gesehen zu werden. Alll unsere Geschichten sind Teil des Ganzen. Auch die der sterbenden und der gestorbenen Kinder. Je mehr wir wissen und je besser unsere Vorstellungen von anderen Perspektiven sind, desto solidarischer und unterstützender können wir als nicht-Betroffene sein.

Vielen Dank, liebe L., dass du heute deine Geschichte mit uns teilst.

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Schulische Inklusion: wenn bloß die Praxis nicht wäre

by Simone

Herzlich Willkommen Nicole Wrede! Wir freuen uns über einen weiteren Gastbeitrag und einen kleinen Einblick in unsere Community. Im heutigen Beitrag geht es um inklusive Beschulung in Bremen


Unser Sohn – in der virtuellen Öffentlichkeit nenne ich ihn Hibbelmors* – kann bereits auf 9 Jahre inklusiver Bildungsbiografie zurückblicken. Er war in einer inklusiven Krippe und in einem inklusiven Kindergarten. Jetzt ist er in der vierten Klasse einer inklusiven Regel-Grundschule.

Bei uns in Bremen haben mit der Änderung des Schulgesetzes 2009 alle Schulen den Auftrag erhalten, sich zu inklusiven Einrichtungen zu entwickeln. In diesem Zuge wurde beschlossen, bis auf 3 spezielle Förderzentren alle „Sonderschulen“ zu schließen. Die 3 verbleibenden Zentren sind für die Förderbedarfe

  1. Sehen,
  2. Hören und
  3. körperlich-motorische Entwicklung.

Kinder, die nicht in einem dieser Bereiche einen besonders ausgeprägten Förderbedarf haben, werden an Regelschulen beschult.

Der Hibbelmors vor seiner Schule (Copyright: Nicole Wrede)

Der Hibbelmors hat verschiedene Symptome, die einen umfassenden Förderbedarf mit sich bringen. Aber er kann trotz starker Brille und Nystagmus okay sehen (1. Förderzentrum ausgeklammert). Er hört wirklich gut (2. Förderzentrum passt nicht) und er kann sich weitgehend autonom bewegen (3. Förderzentrum fragwürdig). Er ist geistig beeinträchtigt und kommuniziert nur mit einigen Gebärden sowie wenig über einen speziellen Computer (Talker). Zudem gibt es das ein oder andere Pflegethema. Laut Bremer Schulentwicklungsplanung ist er damit an einer Regelschule richtig. In Frage kommen die Schulen, die einen Schwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung (W/E) haben. Das sind eben die Schulen, die offen für geistig beeinträchtigte Kinder sind.

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Im roten Bereich

by Anna

Auf dem Bild sieht man eine weibliche Person mit Schwarzem Kind an der Hand. Die erwachsene Person ist von oben nach unten blasser gezeichnet, auf dem Bauch ist ein roter Blitz, sie hält eine Mehrfachsteckdose als Rolle in der Hand.

Herzlich Willkommen Jasmin! Wir freuen uns über einen weiteren Gastbeitrag und einen kleinen Einblick in unsere Community.

Ich heiße Jasmin und bin Mama von vier Kindern zwischen 3 und 10 Jahren, selbstständige Illustratorin und wohne bei Erlangen.

Unser Leben ist ganz anders als ich es vor meiner Elternschaft erwartet hätte. Aber ich liebe die Menschen, mit denen ich es teile. Was uns momentan sehr viel Kraft kostet, ist die Erschöpfung von vielen Jahren, die uns in den Knochen steckt – und der bürokratische und organisatorische Aufwand, den unser Alltag mit sich bringt.

Ich wünsche mir, mich gesellschaftlich nicht mehr in einem toten Winkel zu befinden. Wir möchten kein Mitleid, keine entsetzten Blicke und keine Berührungsängste, sondern Menschen, die sehen, wie wunderbar unser Kind ist – und was es braucht, um Familien wie unseren das Radfahren zu ermöglichen.

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Die Sache mit der Schlafstörung – wenn pflegende Familien zu wenig Schlaf bekommen

by Simone

Kinderschlaf – ein Thema, dass Eltern seit jeher beschäftigt und meistens hatte man wenig Vorstellung davon, wie wenig man tatsächlich schlafen wird, wenn das Baby da ist. Kinderschlaf bei Kindern mit Behinderung ist jedoch nochmal ein ganz anderes Thema, mit dem auch Experten oft nicht vertraut sind. Vor allem bei Kindern mit seltenen Erkrankungen wissen Ärzte und Eltern oft nicht, ob es sich nun um Schlafstörungen handelt, oder ob das Kind halt „ein schlechter Schläfer“ ist. Problem daran ist, dass sich pflegende Eltern deshalb oft jahrelang durch schlaflose Nächte quälen und denken, das muss so sein. Auch, weil Kinderärzte die Eltern oft mit folgenden Aussagen vertrösten: „da müssen alle Eltern durch,“ oder „das wird bald besser.“ Leider ist das oft bei Kindern mit seltenen Erkrankungen, oder Behinderungen nicht so. Eltern und betroffene Kinder leiden oft jahrelang unter einem enormen Schlafentzug. Meistens kommt dann noch die nächtliche Pflege Schlaf hinzu und die ganze Familie geht nach einigen Jahren auf dem Zahnfleisch.

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Neue Normalität mit Pflegedienst

by Anna

Heute freuen wir uns über den ersten Gastartikel in 2023 und heißen L. im Kaiserinnenreich willkommen.

“Hi, ich bin Räuberkind Mama L. von Räuberkind 1 (2,5 Jahre, blonder Lockenkopf, fröhlich, Kuschelkönig, Schlafräuber, Epi warrior, mehrfach schwerbehindert) und Räuberkind 2 (1 Jahr, Lausbub, Grinsebacke, Quatschkopf, neugierig und aufgeschlossen) mit dem besten Räuberkind Papa an der Seite.”

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Und wie machst du das, Barbara?

by Anna

“Mir wurde leider immer wieder gesagt, dass es eben so wäre mit kleinen Kindern. Und ich ja dann wieder mehr Freiheit hätte, wenn sie größer werden. Leider ist das dann eben nicht eingetreten. Oder von anderen Müttern, dass sie die Termine nicht alleine schaffen würden wegen der Fahrten. Aber ich hatte ja keine Wahl. Mein Mann konnte nicht jede Woche für die Termine frei nehmen. Dann hätte ja das Geld wieder gefehlt.
Und was ich auch sehr verletzend finde, wenn gesagt wird, dass es ja toll ist, einen bezahlten Babysitter zu bekommen.”

Barbara

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Heulst du schon, oder kannst du noch? – Gedanken zur Carekrise in Deutschland

by Simone

Die Influenza- und RSV-Welle in den Kinderkliniken, fehlende Medikamente für Kinder, der Fachkräftemangel in allen Bereichen, die Kinder betreffen: das ist eine Krise. Eine echte Krise. Diesmal trifft sie unsere Kinder und uns Eltern noch ein bisschen härter – ich dachte nicht, dass das noch möglich wäre. In der Corona-Krise standen Familien, vor allem pflegende Familien, ganz hinten auf der politischen Agenda. Mein behindertes Kind hat Therapien verpasst, es wurden Operationen verschoben und ich saß alleine an seinem Bett auf der Kinderstation – ohne Unterstützung seines Vaters, weil wir nicht zu zweit bei unserem Kind sein durften. Es gab Regeln für alle, um alle zu schützen. Jetzt fehlen uns Krankenhausbehandlung, Kita-Betreuung und Medikamente für unsere Kinder, aber wer schützt jetzt das Leben meines chronisch kranken Kindes?  Wenn ich diese Frage stelle, dann antwortet man mir: wieso, du wolltest doch Mutter werden. Du solltest mit deiner Elternschaft und deiner damit einhergehenden Verantwortung zurechtkommen.

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“Umarmen und loslassen” – was wir in 13 Jahren mit unserer todkranken Tochter über das Leben gelernt haben

by Simone

„Umarmen und loslassen“ ist ein Buch, das vom Sterben erzählt und dabei das Lebenund die Kostbarkeit jedes Augenblicks feiert. Es ist eine Liebesgeschichte mit Happyend, denn Jaël hat uns zu glücklichen Eltern gemacht. Unsere Lernerfahrungen aus 13 Jahren mit unserer Tochter mitsamt allen Höhen und Tiefen haben Wolfgang und ich in einem einjährigen gemeinsamen Schreibprozess in diese 256 Seiten verpackt, und unser Verlag hat die Geschichte zu einem wunderschönen Buch gestaltet.” (Shabnam Arzt)

“Es ist ein Buch, das mich nach der Diagnose meines Sohnes begleitet hat. Ich habe viel von Shabnam gelernt, obwohl ich sie nicht kenne. Ich habe geweint und gelacht, als ich ‘Umarmen und loslassen’ las. Aber vor allem passierte eines: ich schöpfte Kraft und Mut und Zuversicht für eine gemeinsame und glückliche Zukunft mit einem Kind mit einem seltenen Gendefekt.” (Simone Brugger)

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Vorfreude, die schönste Freude?

by Anna

AUf dem Bild sieht man eine Dose mit Weihnachtsplätzchen, Vanillekipferl, Lebkuchen und andere

(Disclaimer: als christlich sozialisierte Familie feiern wir Weihnachten, gehen aber nicht davon aus, dass das für alle gilt)

AUf dem Bild sieht man eine Dose mit Weihnachtsplätzchen, Vanillekipferl, Lebkuchen und andere

An dem Tag, als ich diesen Text schrieb, war der 1. Dezember 2022. Der hat früh angefangen. Um genau zu sein, an einem Samstag im August, als wir auf dem Heimweg aus dem Sommerurlaub waren. Für unseren Sohn Simon (7 Jahre alt, Autist) haben Jahreszeiten nur die Bedeutung, die er ihnen gibt. Seine Aufmerksamkeit und sein Zeitempfinden orientieren sich an Ereignissen. Manche davon sind durch den Kalender oder gesellschaftliche Konventionen vorgegeben, andere setzen wir fest. Und so sah er auf der Autobahn irgendwo zwischen NRW und Baden-Württemberg von seinem Tablet auf und sagte: „Ich freu mich so auf den 1. Dezember.“ „Warum, mein Schatz?“ „Da beginnt der Winter.“ Und während es draußen 32 Grad im Schatten hatte, verstand ich voll und ganz, was er meinte. Ohne Unterton und ohne mich lustig zu machen, fragte ich: „Und weil du da das erste Türchen am Adventskalender öffnen darfst und es nicht mehr so weit bis Weihnachten ist?“ „Ja genau“ sagte er und widmete sich wieder seinem Spiel.

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