Letzte Woche haben wir euch ja schon Roberts Buch vorgestellt. Heute knüpfen wir an seinen Tätigkeitsbereich “Trainer für die Olympischen Winterspiele für Menschen mit geistiger Behinderung” an. Wir lernen Valentina kennen.
Wir sind dabei, als Valentina ihr neues Fahrrad bekommt. Es ist rot, mit Marienkäfer-Tupfen und hat drei Räder. Wir begleiten sie, ihr Rad und ihre Musikbox in den Park, wo sie fröhlich ihre Runden zu “Atemlos durch die Nacht” zieht. Bis sie von Jugendlichen ausgelacht wird.
Der November hat begonnen und mit ihm die Zeit, in der wir eher drinnen als draußen sind und vielleicht (wenn es richtig gut läuft) auch mal Zeit haben, ein Buch zu lesen. Deswegen werden wir euch in den nächsten Wochen immer wieder Bücher für Kinder und Erwachsene vorstellen, von denen wir glauen, dass Sie f´ür euch interessant sein könnten.
Wir beginnen heute mit dem Buch “Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung – Dis/abled in der Antike”. Der Autor Robert Ralf Keintzel stellt viele Fragen und versucht die Antworten darauf zu finden: “Was ist eigentlich Behidnerung? Wie nahmen die Wissenschaft, die Religion und die Medizin das Phänomen der Behinderung wahr, und wie gingen sie mit Menschen mit sogenannter Behidnerung um?” und viele mehr.
“Im Zentrum der Thematik steht daher die Frage, was in verschiedenen Kontexten und zu wlecher Zeit unter Normalität verstanden wurde.”
Für mich (Anna) ist diese Frage immens wichtig, denn in meiner Arbeit, in der es unter anderem um Rassismus und Bodyshaming geht, komme ich immer wieder zu der Frage zurück, was es mit uns macht, wenn jemand anderes oder ich selber nicht Teil des Normbildes ist.
Robert Ralf Keintzel Hat Medizin, Sonderpädagogik und Geschichte studiert. Zur Zeit arbeitet er als Heilpädagoge in der Schweiz. Er engagiert sich ehrenamtlich unter anderem als Trainer bei den Olympischen Winterspielen 2020 für Menschen mit geistiger Behinderung. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem in Anerkennung der bemerkenswerten Beiträge für die deutsche gesellschaft im Jahr 2019.
Lassen wir nun noch den Autor zu Wort kommen.
Buchreihe „Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung“
Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in der Antike
Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500-1620
Immer noch wird den Menschen mit Behinderung zu wenig Beachtung geschenkt. Das gilt auch für die Geschichtsschreibung. Wie lebten Menschen mit Behinderung in der Antike, Mittelalter und Renaissance? Wie sah ihr Alltag aus? Welchen Berufen gingen sie nach? Wie wurden sie von ihren Mitmenschen wahrgenommen?
Auf diese Fragen gibt die Buchreihe „Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung” eine Antwort. Es möchte die Lücke in der Geschichtsschreibung der bislang kaum erforschten Geschichte der Menschen mit Behinderung füllen und aus ihrem Leben erzählen.
Die Bedeutung von Krankheit und Gesundheit wechselt in der Geschichte der Menschheit immer wieder. Normen und Wahrnehmungen verändern sich im Laufe der Zeit, ob eine Person behindert wird, unterliegt keinem Automatismus, sondern einem System an Wechselwirkungen.
Entsprechend wandelten sich für Menschen mit einer Krankheit oder Beeinträchtigung die ärztliche Behandlung, ihr Schutz im Rechtssystem und auch ihr Bild in der Philosophie.
In der Buchreihe wird die Wahrnehmung der Menschen mit Beeinträchtigung in der Medizin, Philosophie, im Rechtssystem, im Christentum, in der Gesellschaft und in der antiken Mythologie nachgezeichnet und ergründet, welche Faktoren dazu führten, dass eine Beeinträchtigung zur Behinderung wurde.
Auf interessante und originelle Weise erzählt die Sachbuchreihe exemplarisch die Geschichten zahlreicher Personen mit Beeinträchtigung, die für die antike Gesellschaft prägend waren.
Da ist zum Beispiel Kaiser Claudius. Seine Rolle als Sonderling und die Geringschätzung, die er als Mensch mit Beeinträchtigung erfuhr, half ihm, im politischen Rom zu überleben und zum Kaiser aufzusteigen.
Der junge Claudius, der stotterte und durch seine spastischen Lähmungen in seiner Mobilität beeinträchtigt wurde, ließ sich nicht behindern und entpuppte sich als fähiger Herrscher.
Im Mittelalter findet sich beispielsweise Johann von Luxembourg, der mit Ende dreißig auf einem Auge und später auf beiden Augen erblindete. Der Turnierheld und fähige Herrscher ließ sich nicht von seiner Beeinträchtigung behindern und übte noch im selben Jahr seiner vollständigen Erblindung erfolgreich ein Kommando im Hundertjährigen Krieg aus.
Auch nach seiner Erblindung herrschte Johann von Luxembourg über sein Reich. Im Jahr 1346 nahm er an der Schlacht von Crécy teil und stürzte sich trotz seiner Blindheit in den Kampf. Er fiel auf dem Schlachtfeld und erlangte wegen seines Mutes internationale Achtung und Bewunderung.
Johann von Luxembourg stellte zu seiner Zeit die Verkörperung des Ritterideals dar und ist bis heute unvergessen.
Ergänzt werden das Buch und das E-Book durch die Android-App: Dis/abled in History Quiz. Leser und Leserinnen können mit der Quiz-App ihr Wissen zur Buchreihe „Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung“ spielerisch und digital testen.
Vom Verein „Deutscher Rollstuhl-Sportverband e.V.“ wurde das Buch „Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung – Dis/abled in der Antike“ empfohlen.
In der Tageszeitung „Augsburger Allgemeine“ erschien zur Buchveröffentlichung beider Bücher der Buchreihe ein Interview mit dem Autor.
Nicht nur die Down-Syndrom-Community hat ein tolles Unterstützungsheft, wie Anna hier in ihrem letzten Post berichtet hat, sondern auch Eltern von Kindern mit Spina bifida und Hydrozephalus.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist das Aufklärungsheft „Hauptsache gesund? Nein, Hauptsache geliebt!“ in der Welt. Inspiriert hat mich die tolle Arbeit von Lara Mars mit ihrem „Von Mutter zu Mutter“.
Während meiner Schwangerschaft habe ich mich sehr nach einer ähnlichen emotionalen Unterstützung gesehnt. Mehr als den Arztbrief mit der Diagnose „Spina bifida“ und „Hydrozephalus“ in meinem Mutterpass hatte ich nicht. Oder doch: Ich hatte eine Menge Angst und gleichzeitig so viel Liebe für mein noch ungeborenes Kind.
Oktober ist der weltweite Down-Syndrom-Awareness- Month. Was ist das und warum brauchen wir das?
In diesem Monat machen wir auf Menschen mit Down-Syndrom oder auch Trisomie 21 aufmerksam; darauf, dass es sie überhaupt gibt, dass sie ganz anders als all die Vorurteile und Stereotype sind und dass sie teilhaben wollen an unserer Gesellschaft. All das feiern wir seit den 1980ern, als in den USA der Monat geprägt wurde.
Warum brauchen wir das? Weil die Abtreibungsquote für Schwangerschaften mit Down-Syndrom immer noch bei ca. 9 von 10 liegt. Und sich das mit der Bezahlung der pränatalen Bluttests sehr wahrscheinlich nicht so schnell ändern wird. Was wir aber mit der Sensibilisierung für diese Thematik ändern können, ist der Blick auf die Menschen und das Recht auf Teilhabe. Denn alles hängt irgendwie miteinander zusammen.
Ich registriere ein Aufschrecken. Sein Blick fixiert den herannahenden Krankenwagen. Die Lichter blinken, die Sirene dröhnt in unseren Ohren. Wir stehen da und starren hin. Auf den RTW, der diesmal nicht unserer ist. Er fährt vorbei, wir atmen auf. Für einen kurzen Moment holt uns die Vergangenheit ein, die gar keine Vergangenheit ist. Denn wie könnte etwas vergangen sein, das immer präsent zu sein scheint?
Als ich Marta geboren habe, war Johan drei Jahre alt. Ein Kindergartenneuling, dessen größtes Problem die heimliche Entsorgung ungeliebter Apfelschnitzer aus einer quietschbunten Plastikdose sein sollte. Der seinen Platz in einer Gruppe halbstarker Kindergartenerprobter finden musste und ganz nebenbei ein großer Bruder werden wollte. Da war viel Umbruch in diesem kleinen Leben. Wie existenziell dieses Leben erschüttert werden kann – davon bekam wir nach der Geburt seiner Schwester eine erste leise Idee.
Geschwisterkinder haben keinen Zutritt zur Neo-Intensivstation (wohl aber zur Kinderintensiv, wenn sie in einer Trage vor den Bauch geschnallt sind; andere Geschichte). Johan lernte Marta drei Wochen nach ihrer Geburt kennen. Sie war ein Baby mit Specialequipment: Monitor immer an Board. Ansonsten gab es da nicht viele Besonderheiten. Zumindest aus der Sicht eines Dreijährigen. Ich habe die Vorstellung ziemlich lange ziemlich gut gespielt. Zeitgleich gestillt und Lego gebaut. Klinik- und Therapietermine überwiegend in die Kitazeiten gelegt. Und wenn das mal nicht ging, überaus fleißig die übertrieben große Spielausstattung des Physiotherapeuten gemeinsam mit Johan bespielt. Die ersten Monate waren gut.
Dann kamen die Krampfanfälle. RTW, West Syndrom, Cortisontherapie, Pneumonie und fünf Wochen auf Station in einer Kinderklinik, die bei angenehmer Verkehrslage in 45 Minuten mit dem Auto zu erreichen ist. Johan hat gesehen, wie der Rettungswagen vom Hof gefahren ist. Er musste miterleben, wie Mutter und Schwester für lange Zeit nicht wieder nach Hause kamen. Bei seinen wenigen Besuchen lag Marta in einem Gitterbett, das zierliche Gesicht von einer Atemmaske bedeckt. Niemand durfte ohne Mundschutz ins Zimmer. Und wir haben weitergespielt: Auf den Grünflächen des Klinikgeländes und im Sand des angrenzenden Spielplatzes. Es gibt viele Fotos aus dieser Zeit. Eingefangene Momente voll schöner Erinnerungen. Für immer beschwert durch die Dramatik der Umstände.
Heute widmen wir uns wieder der unheimlich wichtigen und oft unsichtbaren Arbeit im Bereich des Kinderhospiz. In diesem Artikel haben wir die Perspektive einer Mutter kennen gelernt. In Ergänzung daran möchten wir uns die Arbeit des Deutschen Kinderhospizverein e.V. ein bisschen genauer anschauen, denn noch diesen Monat am 27. und 28. Oktober 2023 findet im Haus der Technik in Essen das 9. Deutsche Kinderhospizforum statt.
So stellt sich der Deutsche Kinderhospizverein e.V. vor:
Wir begleiten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. Die unterschiedlichen Krankheitsbilder (z.B. Mukopolysaccharidosen, NCL, Krebserkrankungen, Progeria, fortschreitende Nerven- und Muskelerkrankungen, …) verkürzen die Lebenserwartung.
Die Kinder, ihre Geschwister und Eltern können ab der Diagnose auf ihrem Lebensweg begleitet werden. Das Leben mit all seinen Facetten, das Sterben und die Zeit nach dem Tod der Kinder stehen dabei im Fokus der Arbeit. Dabei möchte wir die Kinder und jungen Menschen vor allem in ihren Möglichkeiten bestätigen und sie nicht auf ihre Erkrankungen oder Grenzen beschränken.
Die Kinder- und Jugendhospizarbeit versteht sich als Teil eines interdisziplinären Teams, das unter anderem aus pädiatrischer Palliativversorgung und Pflege besteht.
Der Deutsche Kinderhospizverein e.V. (DKHV e.V.) wurde 1990 von betroffenen Familien gegründet und ist damit Wegbereiter der Kinderhospizarbeit in Deutschland.
Es gibt zwei Dinge, die mich richtig glücklich machen, und ich nutze jede Gelegenheit, um sie zu kriegen. Ich war bis jetzt sogar bereit, einen hohen Preis dafür zu zahlen, wenn das nötig war – so wie diesen Sommer. Damit meine ich nicht, dass ich höhere Geldpreise zahle, , sondern vielmehr, dass ich mehr Aufwand im Alltag betreiben muss. Sonne und Meereswasser auf der Haut zaubern mir ein richtiges Glücksgefühl! (Ja, ich weiß, dass ich nicht unbedingt das richtige Land als Wohnort mir dafür ausgesucht habe, aber gut, das ist ein anderes Thema.)
In diesem Sommer verbrachten wir zehn Tage auf einem Campingplatz auf Fehmarn an der Ostsee. Wir hatten einen Stellplatz mit Meeresblick und das war traumhaft! Das Wetter hat gut mitgespielt und wir waren mit super lieben Freund*innen, die ebenfalls mit uns gezeltet haben. Wir waren viele: insgesamt zwölf Erwachsene plus sechzehn Kinder (!!!) und dann noch die tolle Überraschungsbegegnung mit der allerliebsten Sonja und ihrer Familie, die ein paar Tage nach uns dort ankamen. D.h. wir waren vierzehn Erwachsene plus neunzehn Kinder (!!!!!!). Keine Sorge, wir hingen nicht alle immer zusammen ab.
Ein Gastbeitrag von Verena (@verenasophie) zu unserer Sommer-Serie “Ferien mit behindertem Kind”.
Gute Erholung und eine schöne Auszeit. Das wünschen uns viele, wenn wir in den Urlaub fahren? Während ich diese Zeilen hier auf meine Diktierapp spreche, halte ich mit der anderen Hand meinen Sohn, der schon den ganzen Tag wieder vor sich hin schreit.
Spastik macht keinen Urlaub, Carearbeit auch nicht. Immer wieder muss ich auf Pause drücken bei meiner Aufnahme, weil dann wieder ein spitzer Schrei dazwischen schrillt. Ja, Urlaub mit schwerbehindertem Kind – generell Urlaub mit Kindern ist oft wenig erholsam, vor allem wenn sie noch klein sind und sich noch nicht selbständig beschäftigen können.
Ein Gastbeitrag von Natalie (@lj_talks) zu unserer Sommer-Serie “Ferien mit behindertem Kind”.
“Er ist normalerweise so klug!” Sagt mein Mann mit Tränen in den Augen, nachdem ich hilflos mit der Kleinen im Arm auf dem Spielplatz stehe und wir versuchen unseren 6-jährigen aus der Plastikröhre eines Kletterturmes zu befreien. Leider nicht im Spass. Die Tränen leider nicht vom Lachen, sondern aus Kummer. Wir sind nicht die Familie, die über das Leben mit behindertem Kind klagt. LJ ist unser Sonnenschein und oftmals der Mentor, der uns lehrt, wie vielen Nichtigkeiten wir im Leben zu viel Aufmerksamkeit schenken. Dennoch befanden wir uns in den Ferien regelmäßig am Limit unserer Kapazitäten. Familienurlaub bedeutet nun mal Dauerbelastung. Die Entlastung durch Kita oder Schule entfällt – besonders mit behindertem Kind – und hat man nicht gerade Verstärkung in Form von Großeltern oder Onkeln/Tanten dabei, gibt es leider keine wirkliche Auszeit für die Eltern.
Schreibe einen Blog Beitrag zum Thema Ferien mit behindertem Kind! Jawoll. Das kann ich. Da weiß ich einiges. Das mache ich. Hab ich gedacht und gesagt. Und jetzt sitze ich hier am Tag der Deadline und werfe alles über den Haufen, was ich versucht habe, zwischendurch mühsam zusammenzuschreiben. Denn das hier ist gerade meine Realität. Es sind Ferien. Ich hatte Urlaub. Mein Kind mit Behinderung war und ist sogar zeitweise betreut. Weil ich mich dafür jedes Jahr intensiv einsetze. Aber in diesen Zeiträumen mache ich häufig ganz andere Dinge als man sie vielleicht erwarten würde. Ich arbeite sehr viel. In meinem Fall, weil es mir Freude macht. Meine Tochter zu pflegen, macht mir auch Freude. Tatsächlich. Aber 12 Wochen pro Jahr ohne Unterstützung kann und möchte ich nicht. Und, unter uns gesagt, das möchte meine 11-jährige Tochter mindestens genauso wenig. Die Sommerferien dieses Jahr war unsere Tochter zwei Wochen in einem Ferienspaß Angebot für Kinder mit Behinderung. Kostenpflichtig. Dafür spare ich mir das Krankenkassen-Budget des Entlastungsbetrages auf. Sie kam jeden Tag glücklich und müde zurück. Und auf die Art schmutzig, wie es mir das Gefühl gibt, dass sie einen guten Tag gehabt hat.