Die Sache mit der Schlafstörung – wenn pflegende Familien zu wenig Schlaf bekommen

by Simone

Kinderschlaf – ein Thema, dass Eltern seit jeher beschäftigt und meistens hatte man wenig Vorstellung davon, wie wenig man tatsächlich schlafen wird, wenn das Baby da ist. Kinderschlaf bei Kindern mit Behinderung ist jedoch nochmal ein ganz anderes Thema, mit dem auch Experten oft nicht vertraut sind. Vor allem bei Kindern mit seltenen Erkrankungen wissen Ärzte und Eltern oft nicht, ob es sich nun um Schlafstörungen handelt, oder ob das Kind halt „ein schlechter Schläfer“ ist. Problem daran ist, dass sich pflegende Eltern deshalb oft jahrelang durch schlaflose Nächte quälen und denken, das muss so sein. Auch, weil Kinderärzte die Eltern oft mit folgenden Aussagen vertrösten: „da müssen alle Eltern durch,“ oder „das wird bald besser.“ Leider ist das oft bei Kindern mit seltenen Erkrankungen, oder Behinderungen nicht so. Eltern und betroffene Kinder leiden oft jahrelang unter einem enormen Schlafentzug. Meistens kommt dann noch die nächtliche Pflege Schlaf hinzu und die ganze Familie geht nach einigen Jahren auf dem Zahnfleisch.

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Neue Normalität mit Pflegedienst

by Anna

Heute freuen wir uns über den ersten Gastartikel in 2023 und heißen L. im Kaiserinnenreich willkommen.

“Hi, ich bin Räuberkind Mama L. von Räuberkind 1 (2,5 Jahre, blonder Lockenkopf, fröhlich, Kuschelkönig, Schlafräuber, Epi warrior, mehrfach schwerbehindert) und Räuberkind 2 (1 Jahr, Lausbub, Grinsebacke, Quatschkopf, neugierig und aufgeschlossen) mit dem besten Räuberkind Papa an der Seite.”

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Und wie machst du das, Barbara?

by Anna

“Mir wurde leider immer wieder gesagt, dass es eben so wäre mit kleinen Kindern. Und ich ja dann wieder mehr Freiheit hätte, wenn sie größer werden. Leider ist das dann eben nicht eingetreten. Oder von anderen Müttern, dass sie die Termine nicht alleine schaffen würden wegen der Fahrten. Aber ich hatte ja keine Wahl. Mein Mann konnte nicht jede Woche für die Termine frei nehmen. Dann hätte ja das Geld wieder gefehlt.
Und was ich auch sehr verletzend finde, wenn gesagt wird, dass es ja toll ist, einen bezahlten Babysitter zu bekommen.”

Barbara

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Heulst du schon, oder kannst du noch? – Gedanken zur Carekrise in Deutschland

by Simone

Die Influenza- und RSV-Welle in den Kinderkliniken, fehlende Medikamente für Kinder, der Fachkräftemangel in allen Bereichen, die Kinder betreffen: das ist eine Krise. Eine echte Krise. Diesmal trifft sie unsere Kinder und uns Eltern noch ein bisschen härter – ich dachte nicht, dass das noch möglich wäre. In der Corona-Krise standen Familien, vor allem pflegende Familien, ganz hinten auf der politischen Agenda. Mein behindertes Kind hat Therapien verpasst, es wurden Operationen verschoben und ich saß alleine an seinem Bett auf der Kinderstation – ohne Unterstützung seines Vaters, weil wir nicht zu zweit bei unserem Kind sein durften. Es gab Regeln für alle, um alle zu schützen. Jetzt fehlen uns Krankenhausbehandlung, Kita-Betreuung und Medikamente für unsere Kinder, aber wer schützt jetzt das Leben meines chronisch kranken Kindes?  Wenn ich diese Frage stelle, dann antwortet man mir: wieso, du wolltest doch Mutter werden. Du solltest mit deiner Elternschaft und deiner damit einhergehenden Verantwortung zurechtkommen.

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“Umarmen und loslassen” – was wir in 13 Jahren mit unserer todkranken Tochter über das Leben gelernt haben

by Simone

„Umarmen und loslassen“ ist ein Buch, das vom Sterben erzählt und dabei das Lebenund die Kostbarkeit jedes Augenblicks feiert. Es ist eine Liebesgeschichte mit Happyend, denn Jaël hat uns zu glücklichen Eltern gemacht. Unsere Lernerfahrungen aus 13 Jahren mit unserer Tochter mitsamt allen Höhen und Tiefen haben Wolfgang und ich in einem einjährigen gemeinsamen Schreibprozess in diese 256 Seiten verpackt, und unser Verlag hat die Geschichte zu einem wunderschönen Buch gestaltet.” (Shabnam Arzt)

“Es ist ein Buch, das mich nach der Diagnose meines Sohnes begleitet hat. Ich habe viel von Shabnam gelernt, obwohl ich sie nicht kenne. Ich habe geweint und gelacht, als ich ‘Umarmen und loslassen’ las. Aber vor allem passierte eines: ich schöpfte Kraft und Mut und Zuversicht für eine gemeinsame und glückliche Zukunft mit einem Kind mit einem seltenen Gendefekt.” (Simone Brugger)

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Vorfreude, die schönste Freude?

by Anna

AUf dem Bild sieht man eine Dose mit Weihnachtsplätzchen, Vanillekipferl, Lebkuchen und andere

(Disclaimer: als christlich sozialisierte Familie feiern wir Weihnachten, gehen aber nicht davon aus, dass das für alle gilt)

AUf dem Bild sieht man eine Dose mit Weihnachtsplätzchen, Vanillekipferl, Lebkuchen und andere

An dem Tag, als ich diesen Text schrieb, war der 1. Dezember 2022. Der hat früh angefangen. Um genau zu sein, an einem Samstag im August, als wir auf dem Heimweg aus dem Sommerurlaub waren. Für unseren Sohn Simon (7 Jahre alt, Autist) haben Jahreszeiten nur die Bedeutung, die er ihnen gibt. Seine Aufmerksamkeit und sein Zeitempfinden orientieren sich an Ereignissen. Manche davon sind durch den Kalender oder gesellschaftliche Konventionen vorgegeben, andere setzen wir fest. Und so sah er auf der Autobahn irgendwo zwischen NRW und Baden-Württemberg von seinem Tablet auf und sagte: „Ich freu mich so auf den 1. Dezember.“ „Warum, mein Schatz?“ „Da beginnt der Winter.“ Und während es draußen 32 Grad im Schatten hatte, verstand ich voll und ganz, was er meinte. Ohne Unterton und ohne mich lustig zu machen, fragte ich: „Und weil du da das erste Türchen am Adventskalender öffnen darfst und es nicht mehr so weit bis Weihnachten ist?“ „Ja genau“ sagte er und widmete sich wieder seinem Spiel.

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»Behindert und Stolz«. Das neue Buch von Luisa L´Audace

by Bárbara Zimmermann

“Ich finde die Frage nach sichtbaren Fortschritten in Bezug auf Inklusion ist immer sehr schwer zu beantworten, denn: Woran messen wir das? Wenn wir es daran messen, wie viele behinderte Menschen uns im Alltag begegnen können, dann sieht der jetzige Stand miserabel aus und so ist leider auch mein genereller Eindruck. Während wir immer noch um so fundamentale Rechte kämpfen müssen, behinderte Menschen immer noch aufgrund von Ableismus sterben und von Armut und Gewalt bedroht sind, fällt es mir also schwer, bereits von einem Fortschritt zu sprechen. Wenn wir uns allerdings mal nur auf die Popularität des Begriffs Ableismus beziehen, merke ich schon einen Unterschied.” – Luisa L´Audace

Es gibt viele wichtige Stimmen in der deutschen Behindertenbewegung. Die von Luisa L`Audace ist eine von ihnen. Luisa ist eine behinderte und queere Aktivistin sowie Beraterin für Inklusion und Antidiskriminierung. Durch ihre Aufklärungsarbeit, die größtenteils auf Social Media stattfindet, hat sie maßgeblich dazu beigetragen, dass sich der Begriff »Ableismus« auch in der deutschen Sprache immer mehr etablierte.

Heute am 03.12, der internationale Tag der Menschen mit Behinderung, erscheint Luisas großartiges und wichtiges Buch »Behindert und stolz. Warum meine Identität politisch ist und Ableismus uns alle etwas angeht«. Mit ihrem Buch möchte Luisa L´Audace die diskriminierenden und unterdrückenden Strukturen durchdringen und sie Leser*innen verständlich machen. Ein Buch für alle, die in unserem ableistischen System nicht mitgedacht werden und für diejenigen, die mutig genug sind, ihre eigenen Denkmuster zu hinterfragen und dadurch eine inklusivere Gesellschaft zu schaffen.

Wir vom Kaiserinnenreich sind sehr froh heute, am internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, einigen Fragen aus ihrem Interview mit dem Verlag Eden Books sowie einen Auszug aus ihrem Buch hier mit euch teilen zu dürfen.

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Wie, du arbeitest noch? Wenn Berufstätigkeit zum Privileg wird

by Simone

Ich bin seit drei Jahren eine berufstätige pflegende Mutter. Und ich habe meine Berufstätigkeit während der ersten vier Lebensjahre als pflegende Mutter unheimlich vermisst. Ich habe mich ständig selbst hinterfragt, warum ich das nicht hin bekomme – Arbeit und Kind. Dabei habe ich gepflegt, vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche. Ein Kleinkind mit Pflegegrad vier, 100 Prozent Schwerbehinderung und chronisch krank. Gelebt habe ich auf Kinderstationen und trotzdem: ich wollte zurück ins Berufsleben. Mein ursprünglicher Plan nach einem Jahr Elternzeit in meine Agentur zurückzukehren war einfach gescheitert – so im Vorbeigehen. Es wäre unmöglich gewesen. Es gab keine Betreuungsmöglichkeiten für mein schwer krankes Baby und welcher Arbeitgeber hätte mir ständig frei gegeben für die vielen Krankenhausaufenthalte? Ich wurde zu einer gesellschaftlichen Randgruppe. Niemand interessierte sich mehr für meine Ausbildung, für meine akademische Laufbahn oder mein Können. Niemand interessierte sich mehr für mich als Arbeitnehmerin.  Am Rand der Gesellschaft wird die Frage nach der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ins Private gedrängt. Deshalb  brauchen wir in Deutschland hier und jetzt eine politische Auseinandersetzung zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Quelle: Pexels. Fotograf: Tima Miroshnichenko

Zwei pflegende Mütter hatten diesen Sommer Unglaubliches für berufstätige pflegende Eltern ins Rollen gebracht. Sie haben eine Petition für 10 Tage Sonderurlaub gestartet und erfolgreich 30.000 Unterschriften gesammelt. Damit konnten Sie uns Gehör beim Bundestag verschaffen. Leider musste dann für ein entsprechendes Gesetz eine weitere Petition vom Bundestag mit 50.000 Unterschriften nachgelegt werden. Am 30. November endete die Frist der Petition mit rund 16.000 Unterschriften. Es wurde viel diskutiert, welche Hürden es gab, warum es nicht geklappt hat. Ich denke immer noch, dass es auch daran lag, dass viele Menschen sich keinerlei Vorstellung von unserem Alltag machen – außer, sie stecken mitten drin. Mir war vor der Geburt meines Kindes auch nicht bewusst, wie wenig Hilfe es tatsächlich gibt, die auch ankommt. Wir pflegenden Eltern gleichen sogar den Pflegenotstand auf Kinderstationen aus. Wir übernachten dort und erhalten bei längeren Aufenthalten (mehr als 28 Tage) nicht mal mehr das monatliche Pflegegeld.

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Solo für Phyllis

by Bárbara Zimmermann

Wir lieben Bücher! Deswegen wollen wir euch in den nächsten Wochen einige tolle Bücher vorstellen, die uns besonders wichtig sind. Es werden Bücher für alle Altersgruppen geben und in verschiedenen Stylen: Kinderbücher, Lyrik, Erzählung, Comics…

Ich, Bárbara, fange mit „Solo für Phyllis“ von Christoph Danne an.

Was für ein Tauchgang ist dieses Buch, vor allem in unserem oft hektischen Alltag wo der Muskel aus der Brust oft hypotonisch wird und wir den Zauber in der Simplizität viel zu selten wahrnehmen. Christoph führt uns mit großer Zärtlichkeit in die kleinen Details und starken Gefühlen der großen Stunden, die viele von uns hier auf Kaiserinnenreich auch gut kennen, wenn wir erfahren, dass unser Kind mit einer Behinderung leben wird. Er und seine Partnerin erfahren in der Schwangerschaft, dass ihr Baby mit einem Herzfehler geboren und mit einer geistigen Behinderung leben wird.

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Als wäre jeden Tag Besuch bei dir zuhause – über einen Morgen mit Kinderpflegedienst

by Simone

Wenn ich morgens aufstehe, dann höre ich Stimmen aus dem Kinderzimmer. Es ist die Stimme meines sechsjährigen Sohnes und die der Nachtschwester. Niemals hätte ich gedacht, dass ich einmal nachts fremde Menschen in meiner Wohnung haben werde. Ich gehe ins Badezimmer und mache mich bereit für den Tag. Ich höre mein Kind im Kinderzimmer lachen, inhalieren und ein Hörbuch hören. Manchmal höre ich ihn auch mit der Pflegefachkraft streiten, oder ich höre Würgegeräusche, wenn er sich wieder einmal übergeben musste. Manchmal stehe ich im Badezimmer und denke, ich lebe das Leben einer anderen Frau. Ich habe das so nicht kommen sehen.

Ich stehe dort im Badezimmer und denke mir: wie gut, dass ich mich in Ruhe fertig machen kann und gleichzeitig denke ich mir: wie ist das nur passiert, dass sich nun fremde Menschen nachts durch meine Wohnung bewegen und sich um mein krankes Kind kümmern? Manchmal tappe ich morgens ins Badezimmer und sehe schon die Bettlaken und Decken am Boden liegen – dann springt sofort ein Gedankenkarussel an: was ist passiert? Müssen wir ins Krankenhaus, kann er in den Kindergarten, muss ich die Arbeit verschieben? Dann habe ich keine Geduld mehr mich in Ruhe fertig für den Tag zu machen, sondern gehe – so wie ich gerade bin – im Schlafanzug und mit zerzausten Haaren – zu meinem Sohn. Ich will bei ihm sein. Will wissen wie es ihm geht. Ihn in meine Arme schließen.

Wenn der Pflegedienst nachts da ist, habe ich an guten Tagen morgens Zeit Kaffee aufzusetzen. Es ist ein Privileg. Ich trinke Kaffee mit Milchschaum. Die Wohnung duftet nach Espresso und Familie. Ich mag dieses Gefühl von zuhause. So habe ich mir das gewünscht. Geborgenheit. Ich mache der Pflegefachkraft auch einen Kaffee, oder einen Tee. Schließlich hat sie die ganze Nacht auf mein Kind aufgepasst. Sie ist zu Gast in unserem zuhause. Sie soll sich willkommen fühlen. Sie hat die ganze Nacht lang die Herzfrequenz am Monitor überwacht und den Blutzuckersensor im Blick behalten. Sie hat das Bett neu bezogen, wenn mein Kind sich übergeben musste und ihm Nahrung und Wasser sondiert. Aber nicht nur das. Sie hat ihn getröstet, als ich schlief. Sie hat ihn beruhigt und Monster verjagt und seine Hand gehalten. Sie hat ihm gesagt, dass ich da bin. Im Zimmer nebenan.

Ich habe beruhigt geschlafen und konnte Kraft tanken für einen Tag voller Pflegearbeit, Carearbeit und Erwerbsarbeit. Ich starte in den Tag. In den Kindergartenrucksack packe ich Sondenmaterial und Glucose, den Blutzuckersensor und Joghurt – das Einzige, was mein Sohn isst.  Brotdosen habe ich auch gekauft und sie in sechs Jahren nie genutzt. Ach ja und Spucktüten, die müssen natürlich auch in den Rucksack. Die Nachtschwester geht und wir haben noch etwas Zeit für uns. Anziehen, Zähne putzen, spielen. Unser „Besuch“ ist gegangen. Dann klingelt die Individualbegleiterin an der Wohnungstür und holt meinen Sohn ab. Er freut sich schon auf sie und seine Freunde im Kindergarten. Alles ganz normal und doch so anders. Meistens spreche ich mit der Individualbegleitung über Fakten, dann wünschen wir uns einen schönen Tag und mein Kind geht in den Kindergarten. Es ist plötzlich so still in der Wohnung. Eine Stille, mit der ich manchmal kaum umgehen kann. Ich habe vergessen, wie das ist für mich zu sein. Ich kenne vor allem eines: Funktionieren. Ich hoffe, der Tag wird gut für mein Kind. Ich hoffe, dass der Kindergarten mich nicht anruft und sagt, dass es ihm doch schlecht geht. Es ist nicht leicht loszulassen, aber ich werde besser darin. Jeden Tag. Ich hoffe jeden Tag auf normale Tage. Normale Tage sind gute Tage. Auch, wenn wir jeden Tag Besuch vom Intensivpflegedienst in unserem Zuhause haben.