Die Sache mit der Schlafstörung – wenn pflegende Familien zu wenig Schlaf bekommen

by Simone

Kinderschlaf – ein Thema, dass Eltern seit jeher beschäftigt und meistens hatte man wenig Vorstellung davon, wie wenig man tatsächlich schlafen wird, wenn das Baby da ist. Kinderschlaf bei Kindern mit Behinderung ist jedoch nochmal ein ganz anderes Thema, mit dem auch Experten oft nicht vertraut sind. Vor allem bei Kindern mit seltenen Erkrankungen wissen Ärzte und Eltern oft nicht, ob es sich nun um Schlafstörungen handelt, oder ob das Kind halt „ein schlechter Schläfer“ ist. Problem daran ist, dass sich pflegende Eltern deshalb oft jahrelang durch schlaflose Nächte quälen und denken, das muss so sein. Auch, weil Kinderärzte die Eltern oft mit folgenden Aussagen vertrösten: „da müssen alle Eltern durch,“ oder „das wird bald besser.“ Leider ist das oft bei Kindern mit seltenen Erkrankungen, oder Behinderungen nicht so. Eltern und betroffene Kinder leiden oft jahrelang unter einem enormen Schlafentzug. Meistens kommt dann noch die nächtliche Pflege Schlaf hinzu und die ganze Familie geht nach einigen Jahren auf dem Zahnfleisch.

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“Umarmen und loslassen” – was wir in 13 Jahren mit unserer todkranken Tochter über das Leben gelernt haben

by Simone

„Umarmen und loslassen“ ist ein Buch, das vom Sterben erzählt und dabei das Lebenund die Kostbarkeit jedes Augenblicks feiert. Es ist eine Liebesgeschichte mit Happyend, denn Jaël hat uns zu glücklichen Eltern gemacht. Unsere Lernerfahrungen aus 13 Jahren mit unserer Tochter mitsamt allen Höhen und Tiefen haben Wolfgang und ich in einem einjährigen gemeinsamen Schreibprozess in diese 256 Seiten verpackt, und unser Verlag hat die Geschichte zu einem wunderschönen Buch gestaltet.” (Shabnam Arzt)

“Es ist ein Buch, das mich nach der Diagnose meines Sohnes begleitet hat. Ich habe viel von Shabnam gelernt, obwohl ich sie nicht kenne. Ich habe geweint und gelacht, als ich ‘Umarmen und loslassen’ las. Aber vor allem passierte eines: ich schöpfte Kraft und Mut und Zuversicht für eine gemeinsame und glückliche Zukunft mit einem Kind mit einem seltenen Gendefekt.” (Simone Brugger)

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5:20 Uhr, los geht’s!

by Anna

Auf dem Bild sieht man eine Illsutration von Anna. Ihre Haare sind schulterlang, sie trägt eine Brille und roten Lippenstift.

Auf dem Bild sieht man eine Illsutration von Anna. Ihre Haare sind schulterlang, sie trägt eine Brille und roten Lippenstift.

[Ein Beitrag von Anna]

Der Wecker klingelt. Uff, so früh. Aber klar, unser Programm ist straff. Wenn die Kinder nicht um 6 Uhr aufstehen, schaffen wir all das nicht.

Mein Hirn fängt an zu rattern. Heute ist Dienstag, mein Mann verlässt nach dem Frühstück das Haus, wir müssen noch beide Mitteilungshefte schreiben. In denen kommunizieren wir mit der Klassenlehrerin und der stationären Tagesgruppe des Großen und den Erzieherinnen des Mittleren. Beide werden ja von Busshuttles abgeholt, so dass wir selten das pädagogische Personal sehen.

Ach ja, die Busse. Das war gestern wieder so ein Thema. Der eine stand schon lange da, so dass mein Großer nur noch Schal und Maske überwerfen konnte. An sich ist das nicht schlimm, wir waren gut in der Zeit. Aber ich mag das Gefühl nicht, dass jemand auf uns warten muss. Ich möchte nicht, dass man uns als die Familie wahr nimmt, die nichts auf die Reihe bekommt. Und das kostet erstaunlich viel Kraft. Der andere Bus kam 30 Minuten später. 30 Minuten, die ich mit dem Mittleren die Straße hoch und runter lief. In denen die Kleine im Wagen saß und wir an ihr vorbei zogen. Wieder und wieder. „…ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm und vor, zurück, zur Seite, ran, Hacke, Spitze, hoch das Bein.“ Das war an sich ganz schön, muss ich aber nicht jeden Morgen 30 Minuten lang haben.

Mein Mann denkt gleich an Lukas‘ Medikamente, getestet haben wir erst gestern. In dem Förderkindergarten, in den er seit letztem Jahr geht, wird immer noch regelmäßig getestet. Heißt aber auch, dass wir seit Monaten auf eigene Kosten Lollitests besorgen, weil Lukas keine Nasentests akzeptiert. Die wiederum bekommen wir vom Kindergarten. Und benutzen sie dann selber. Ah, das erinnert mich dran, neue Lollitests zu bestellen. Also Einkaufs-App öffnen und reintippen. Ah, Brot ist alle, Käse am Stück und Bananen auch. 5:38 Uhr, der Wecker snoozt, ich bin schon hellwach, weil mir dann eingefallen ist, dass wir ja die Nachmittagsbetreuung am Freitag noch absagen müssen. Gleich mal in unsere WhatsApp-ToDo-Liste rein damit.

Mein Kopf schweift ab zu dem Tagesabschnitt später, wenn alle Kinder aus dem Haus sind und ich kurz durchatmen kann. Bis dahin sind es noch 4 Stunden. Meistens esse ich ein zweites Frühstück zum Kaffee, weil nie ganz klar ist, wann ich wieder zum Essen kommen, wenn alle wieder da sind. Der Abschnitt beginnt wieder um 12:30 Uhr. Viele Jahre hatte ich Panik vor den langen Nachmittagen, an denen die Kinder daheim sind. Was machen wir nur stundenlang? Puzzles, Malen, Türme bauen bringen mir 20 Minuten. Fernsehen und Snacks noch mal 30 Minuten.

Heute gehen wir von einem Extrem ins andere. Erst ein bisschen Leerlauf, dann volle Kanne in den Stress mit Maya bei der Tagesmutter abholen, Lukas mit rein oder im Auto lassen, weiter zur Reittherapie, 25 Minuten Reiten, dann nach Hause rasen, pünktlich sein, wenn Simon heim kommt. Um 17 Uhr sind wir dann alle wieder da und ich werde fix und fertig sein. Die Erschöpfung spüre ich auch jetzt schon um 5:45 Uhr. Endlich kann ich mich aufraffen, um ins Bad zu gehen. Dort schau ich dann in den Spiegel und denke: „Ok, los geht’s!“

Warum ich das nicht können muss, aber schaffen will – Gedanken einer pflegenden Mutter zum europäischen Tag der pflegenden Angehörigen

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Simone Rouchi (Instagram: @Simonerouchi / Facebook: @simonerouchi).

Die Geburt meines Sohnes hat mich zu einer pflegenden Angehörigen gemacht. Vor etwas mehr als sechs Jahren wurde ich eine pflegende Mama. Keiner erzählt werdenden Müttern, dass es pflegebedürftige Kinder gibt. Man klärt uns über das Ende auf, aber nicht über den Anfang. Man klärt uns darüber auf, dass wir Kinder mit Behinderung heutzutage nicht mehr bekommen müssen. Man klärt uns über Abtreibung und Pränataldiagnostik auf, aber nicht über ein gemeinsames Leben mit unserem Kind, das eine Behinderung hat.

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Mit voller Wucht

by Bárbara Zimmermann

Ich wollte schreiben, wie gut wir es hier im neuen Haus haben, aber wo bleibt die Zeit dafür? Ich wollte auch schreiben, wie viel besser wir es im neuen Haus haben, seitdem wir nach zehn Tagen hier nicht mehr draußen am Gaskocher, mit dem Grill oder mit der ausgeliehenen Herdplatte kochen und in der Waschküche spülen müssen. Die Arbeitsplatte wurde geliefert, Herd und Spüle wurden installiert and I love it! Jetzt kann ich sagen, dass wir eine Küche haben.

Ich wollte auch schreiben, wie dankbar ich für die enorme Unterstützung von meiner Mutter bin, die zusammen mit meiner Oma seit zweieinhalb Monaten bei uns ist, aber wo bleibt die Zeit dafür? Ich wollte auch schreiben, dass ich langsam wieder meinen Arbeitstisch haben will, der im Arbeits- und Gästezimmer steht, wo meine Oma schläft. In der Küche zu promovieren ist die jetzige Lösung. Um meinen Schreibtisch wieder haben zu können, müssen aber meine Oma und meine Mutter uns Tschüss sagen und zurück nach Brasilien fliegen. Und das macht uns alle traurig, gehört aber dazu für uns Migrant*innen. Saudade gehört zu unserer alltäglichen Palette von Gefühlen.

Ich wollte auch von dem Tag schreiben, an dem ich so unendlich müde nach dem langen Termin mit Zoe im Sanitätshaus war. Von der Autofahrt, der Odyssee, um die benötigten sechs Rezepte und eine Überweisung zu bekommen, die ich für sie für diesen Monat brauche. Es war ein solcher Tage, für den man drei Tage gebraucht hätte. Dazu habe ich noch meine Menstruation bekommen. Und als Krönung des Tages eine Situation mit Zoe, die mich tief berührt hat. Dafür nehme ich mir jetzt endlich die Zeit zum Schreiben:

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Trisomie 18 – Reise in ein unbekanntes Land

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Yasmin. #wenneinkindstirbt


Mein Mann und ich waren immer reiselustig. Lange Zeit gab es nur uns, und nach der Reise war vor der Reise. Mit den Rucksäcken durch Asien, mit dem Campervan durch Europa. Nicht wissend, wohin der Weg uns führt. Der war ja schließlich das Ziel. Diesmal ist der Reiseverlauf aber ganz anders als geplant.

Wie es ist, ein Baby mit der Diagnose Trisomie 18 zu erwarten, weiß ich nicht, da wir uns gegen Tests und für “es-ist-egal-was-uns-erwartet” entschieden hatten. Ein bisschen blauäugig dachten wir an nichts allzu Schlimmes, als es hieß, unsere Tochter wasche schlecht und habe einen Herzfehler. Fest stand es also erst nach der Geburt, nachdem noch mehr Auffälligkeiten dazu kamen, die sie im Ultraschall gekonnt versteckt hatte.

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Ein Hindernislauf: Über das Leben mit einem lernbehinderten Kind

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Barbara Peveling.

Als mein Sohn mich bittet, die andere Mutter anzusprechen, muss ich erstmal tief durchatmen. Seit mindestens einer Stunde sehe ich ihn ausgelassen mit diesem fremden Kind herumtoben. Eigentlich freue ich mich über jeden Kontakt, über jede Freundschaft, die mein Kind schließt. Denn Freunde haben ist nicht selbstverständlich, wen jemand Legastheniker ist. Wenn er in der Schule vorliest, kommt er schnell ins Stottern, dann wird gelacht. Er ist langsamer im Schreiben als der Rest der Klasse, immer der Letzte und dann sitzt da auch noch eine Lernbegleitung neben ihm. Er braucht Medikamente, um sich im Unterricht überhaupt konzentrieren zu können, weil seine Gedanken ständig abschweifen. Sie sind wie ein Vulkan, der im Minutentakt explodiert und seine Sätze sind oft genauso wirr, so dass viele ihn einfach nicht verstehen. Über mein Kind wird oft und viel gelacht. Manchmal macht er sich absichtlich zum Clown, manchmal fängt er an zu weinen, so sehr, dass ich ihn früher aus der Schule holen muss, weil die ihn nicht mehr behalten wolle, denn wenn einer in der Klasse gemobbt wird, dann mein Sohn. Er gibt ein leichtes Opfer, denn er kann sich aus vielen Gründen, die mit seiner Behinderung in Zusammenhang stehen, nicht wehren.

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Auf dem Spielplatz

by Jasmin Dickerson

Auf dem Spielplatz toben die Kinder und rennen herum, angeregt unterhalten sich die Eltern, tauschen Nummern aus. Vereinbaren Spieldates.

 Mit den Kindern, die noch nicht sprechen können, wird entzückt gesprochen und sich zu ihnen geneigt. Ich stehe an der einzigen Schaukel mit Sicherung und hebe Klara hinein. Die Schaukel ist viel zu tief für mein großes Mädchen. Sie ist das einzige Spielgerät das sie nutzen kann. An manchen Tagen liebt sie es und quiekt fröhlich, dann vergesse ich kurz, dass wir nicht dazu gehören. An anderen Tagen ist ihr die Schaukel zu viel und sie hat Angst davor und weint. Dann trifft es mich mit voller Wucht. 

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Über die Liebe, Therapien, Pflichtgefühle und den Kapitalismus

by Bárbara Zimmermann

Kennt ihr das: ihr wartet seit langer Zeit auf etwas, und wenn es da ist, wäre es euch lieber, es wäre doch nicht da, damit ihr euch mit dem Thema gar nicht auseinandersetzen musst?

Die Zusage ist da. Wir haben einen Platz bei einem Reha-Programm für nächstes Jahr für unsere Tochter bekommen. Alle* schwärmen davon – aber ist es wirklich das, was wir für unser Kind wollen? *Alle Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen und viele Eltern von Kindern mit eingeschränkten Bewegungsfähigkeiten, die wir kennen. Aber ehrlich gesagt, bis jetzt habe ich keinen Teenager oder Erwachsene gehört, die schon bei solchen Programmen in der Rolle der Patient*innen waren. (P.S.: Es geht aber hier bei diesem Text nicht spezifisch um dieses Reha-Programm.)

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Es gibt wenige wie sie

by Bárbara Zimmermann

Es gibt wenige Menschen, die wie meine Tochter sind. Auch Ärzt*innen spiegeln mir das, auch wenn sie dafür andere Worte wählen. Die Botschaft aber ist die Gleiche: „Kinder wie meins gibt es nicht viele.“

Einmal, nicht das erste Mal, passierte es in der Kinderorthopädie. Zoe war vielleicht sechs Monate alt. Und ich war zerbrechlich wie dünnes Kristallglas, wackelig wie ein Bambus. „Ich habe noch nie ein Kind mit Spina Bifida mit so einem hohen Lähmungsniveau gesehen wie sie“, war der Satz der Ärztin.

Mein Kind saß auf meinem Schoß, als ich diesen Satz plötzlich hörte. Im Raum herrschte Stille – obwohl in mir eine Kaskade von Gedanken schrien. Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, musste ich mich erstmal sortieren. Die Ärztin aber war schneller: „Ich meine, ich kenne schon noch andere Patient*innen wie sie, sie sind aber schon Erwachsen. Aber Kinder nicht. Mit der heutigen Pränataldiagnostik haben Babys wie Zoe überhaupt keine Chance”.

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