Seitdem ich Mutter bin, lese ich Texte und Artikel vor allem online. Bücher schaffe ich oft nur bis zur Hälfte – wenn überhaupt. Aber es gibt Ausnahmen. Eine ist Lotta Wundertüte von Sandra Roth – das Buch habe ich an einem Tag verschlungen und mich auf jeder Seite wiederentdeckt. Ähnlich erging es mir mit dem Buch von Kirsten Ehrhardt: Henri – Ein kleiner Junge verändert die Welt. Henri? Der Henri? Ja, genau der. Ein Junge mit Down-Syndrom, der mit seinen Freunden weiter zur Schule gehen wollte. Die Schule wollte das aber nicht. Über den Kampf für Inklusion hat Henris Mutter ein Buch geschrieben. Oft war über den “Fall Henri” zu lesen. Aber: Henri ist kein Fall, Henri ist ein Kind.
Name: Kirsten Ehrhardt
Alter: 52 Jahre
Mutter von: Emily (15 Jahre) und Henri (12 Jahre)
Beruf: Juristin, Journalistin, Medien- und Kommunikationstrainerin
Wir wohnen in einem Reihenmittelhaus, das mehr hoch als breit ist, mit kleinem Garten in Walldorf/Baden.
Wie war dein Leben, bevor deine Kinder kamen?
Es war voll mit Arbeit. Arbeit, die mir so wichtig war, wie sie es heute niemals mehr ist oder sein wird.
Wie sieht dein Alltag heute aus?
Vollgepackt mit vielen sehr unterschiedlichen Dingen: Kurz mal Mails checken, dann einen Kuchen backen. Ein Elternberatungsgespräch am Telefon und Kontrabass üben. Mit Henri lernen und mit Emily übers Leben reden. Schnell die Treppe saugen und dann eine Presseerklärung formulieren. Irgendwie ist es manchmal schon irre, was alles so in einen Tag passt. Aber auch schön und vor allem schön aufregend. „Langweilig wird es Dir nie im Leben werden“, hat mein Mann einmal vorausgesagt.
Wann und wie hast du von der Behinderung deines Kindes erfahren?
In der Schwangerschaft. Mein Mann und ich dachten beide: „Werden wir je wieder lachen können?“ Wir haben seitdem viel gelacht – über uns, über andere, mit anderen, über unsere Kinder und über vieles mehr. Auch manchmal über Dinge, über die man auch heulen könnte.
Inwiefern ist dein Kind behindert und welches Handicap wiegt für dich am schwersten?
Henri hat das Down-Syndrom. Am schwersten wiegt, wie er behindert WIRD. Das ist inzwischen eines meiner „Lieblingsthemen“.
“Eine Mutter liebt am stärksten ihr schwächstes Kind”, so lautet ein schwedisches Sprichwort.
Stimmt das?
Ich glaube nicht, dass es starke und schwache Kinder per se gibt. Es gibt Kinder, die unterschiedlich viel zu unterschiedlichen Zeiten von ihren Eltern, von ihren Müttern, brauchen. Unser Job ist, zu erkennen, wann das ist und was das ist.
Welches ist dein glücklichster Moment am Tag mit deinen Kindern? Welches der anstrengendste?
Früher haben wir immer gesagt: „Wenn die Kinder schlafen, dann sind Eltern am glücklichsten“. Ich beobachte noch heute gerne meine Kinder im Schlaf. Glücklich bin ich, wenn ich beobachte, wie sie sich zu ganz eigenen Persönlichkeiten entwickeln. Anstrengend finde ich Streit, der nachwirkt.
Wie ist bei euch die Kinderbetreuung organisiert?
Ich würde gerne einmal ausrechnen, wie viele Stunden ich, seitdem die Kinder auf der Welt sind, Kinderbetreuung organisiert habe. Es sind eindeutig viel zu viele! Das ist auch heute noch mein Alltag: Da kommt der Babysitter nicht oder sagt kurzfristig ab, die Schulbegleitung ist krank, dann hat meine Tochter länger Schule, war aber eingeplant, kurz auf Henri aufzupassen, oder die Schule ist plötzlich mal drei Stunden früher aus als sonst – und dann setzt sich Mutti hin und organisiert alles um. Ätzend.
Wie sieht dein Arbeitstag aus?
Meinen Radiojob konnte und wollte ich irgendwann nicht mehr vereinbaren. Der Preis war zu hoch. Jetzt geht es besser, weil ein Großteil meiner Arbeit im Homeoffice stattfindet und ich die meisten meiner Termine außerhalb selbst festlegen kann. Das genieße ich sehr.
Wieviel Zeit hast du für dich – jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben?
Ich habe wenig Zeit. Ich nutze sie für Musik machen, Krimis lesen, in der Badewanne im Schaumbad liegen und, wenn ich mal wieder einen Ich-bin-zu-dick-und-zu-faul-Anfall habe, für Sport. Der Anfall geht zum Glück meist schnell wieder vorbei.
Fühlst du dich als Familie – speziell mit behindertem Kind – ausreichend von Politik und Gesellschaft unterstützt?
Ich möchte für meine Familie vor allem Respekt und Begegnung auf Augenhöhe. Wir haben kein schweres Schicksal, wir brauchen kein Mitleid, keine Vorschriften, wie wir unser Leben zu leben haben, aber wir brauchen bestimmte Unterstützungen, weil wir mit Bedingungen leben, die andere nicht haben. Wenn man z.B. sein Kind, auch wenn es schon „groß“ ist, nie alleine lassen kann. So wie wir einen anderen Blick auf Menschen mit Behinderung brauchen, brauchen wir auch einen anderen Blick auf die Familien, in denen diese Kinder aufwachsen.
Inklusion – was bedeutet das Wort für dich?
Selbstverständliches Dazugehören von Anfang an. Was das konkret bedeutet, darüber habe ich gerade 272 Seiten geschrieben, mehr als ich am Anfang dachte, darüber sagen zu können. Das war dann aber doch eine ganze Menge.
Bist du die Mutter, die du sein wolltest?
Ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht, was für eine Mutter ich sein wollte. Und dann, schwupp, war ich es.
Wenn Du die Zeit zurückdrehen könntest: Würdest Du etwas anders machen, als Mutter und/oder als Mensch?
Würde, hätte, wäre – das ist nicht meine Welt. Ich habe schon vor vielen Jahren meinen Frieden mit dem gemacht, was nicht war oder sein durfte in meinem Leben. Dafür kommt dann eben etwas anderes. Mit 20 hätte ich nie gedacht, mit über 50 Jahren mal ein Buch zu schreiben. Da wollte ich noch Staatsanwältin werden…
Ein Gegenstand Deines Kindes/ Deiner Kinder, den du ewig aufbewahren wirst?
Nein, das glaube ich nicht. Ich werde ihre tollen Sätze, die sie irgendwann einmal gesagt haben, ewig in mir aufbewahren.
Welche Träume hast du?
Ich träume von einer Gesellschaft, die Henri nicht als Last, sondern als Bereicherung ansieht. Ich wünsche mir, dass beide Kinder ihre Träume leben und sich nicht von Besserwissern ausbremsen lassen. Und was meine privaten Träume angeht – da bin ich altmodisch: Die sind nix fürs Internet!
Ich freue mich sehr, drei Bücher verlosen zu dürfen. Wer ein Exemplar von Kirsten Erhardts Buch “Henri – Ein kleiner Junge verändert die Welt” gewinnen möchte, schreibt bitte einen Kommentar unter diesen Text oder auf der Facebook-Seite – oder eine E-Mail an kaiserin@kaiserinnenreich.de Die drei Gewinner_innen benachrichtige ich am Montag, den 29. Juni 2015. Viel Glück!
- Und wie machst du das, Julia? - 21. April 2017
- Und wie machst du das, Anne? - 21. Februar 2017
- Und wie machst du das, Elisabeth? - 3. Februar 2017
Lange schon lese ich Deinen Blog.
Dein Buch habe ich verschlungen und habe mich und unsere Familie wiedergefunden.
Auch das Buch von Kirsten würde ich gerne lesen! Sanne
Liebe Mareice,
auch wir würden uns über das Buch sehr freuen. Stecken noch in den “Kinderschuhen”
des Themas Kind mit Behinderung. Gerade hier macht es viel Spaß mutige Worte von “alten Hasen” zu lesen. Lotta Wundertüte habe ich auf zwei Abende verschlungen.
Kirstens Buch um Henri werde ich auch lesen, evtl auch als Gewinn
Ein toller Blog
Linn
Super Idee!
Super Interview!!
Bei der Verlosung mache ich auch gerne mit.
Marion
Auch ich lese seit einiger Zeit hier regelmäßig mit und bin dankbar für die vielen Einblicke in euer Leben, die Denkanstöße und Verlinkungen.
Über das Buch würde ich mich freuen.
Herzliche Grüße,
Heike
Ein wirklich tolles Interview!Ich würde mich freuen dass Buch lesen zu können 🙂
Liebe Grüße, Laura
Ich verfolge deinen Blog seit 3 Monaten und bin begeistert über die vielen Themen und auch deine Verlinkungen zu anderen interessanten Autoren. Klasse! Über das Buch würde ich mich sehr freuen!
Liebe Grüße
Nora
Ich würde das von mir durchgelesene Buch im Lehrer_innenzimmer meiner Schule auslegen bzw. beim nächsten Studientag zum Thema “Inklusion” vorstellen.
Vielen Dank für das Interview und die Reihe. Würde mich über ein Exemplar des Buches freuen.
Danke, danke, danke für dieses Interview. Ich finde mich fast überall wieder.
“Wir haben kein schweres Schicksal, wir brauchen kein Mitleid, keine Vorschriften, wie wir unser Leben zu leben haben, aber wir brauchen bestimmte Unterstützungen, weil wir mit Bedingungen leben, die andere nicht haben.”
Ganz genau. Hätte ich nicht besser sagen können. Herzliche Grüße an Sie, Frau Ehrhardt, ich habe Ihr Buch mit Begeisterung gelesen und weiterempfohlen und verschenkt und und und 🙂
Danke! Das freut mich wirklich sehr. Es ist schön zu lesen, dass sich viele im Buch wiederfinden und sich zu Recht gegen das Klischee “Mutter-mit-behindertem-Kind-schweres-Schicksal-bedauernswert” wehren!
Danke für das Buch. Hab es an drei Abenden verschlungen. Ich hoffe ,es gibt in Zukunft noch mehr Einblicke in Henri ‘s Leben.
Ich bin voller Bewunderung für die Eltern und die gesamte Familie. Ich versuche,all das Erlebte zu verinnerlichen…..
Solche Erinnerungen lassen es mir bewusst werden,was Eltern leider mitmachen ( müssen), was ihnen unsere Gesellschaft zumutet.
Ich arbeite in einem Wohnhaus für Menschen mit Behinderungen, bin jedoch von unserem Haus überzeugt und wünsche mir diese Art des Konzeptes für alle .
Das Buch würde ich so gerne gewinnen und natürlich gleich lesen.
Unsere Tochter hat auch unsere Welt verändert.
Durch sie haben wir so interessante Menschen und Dinge kennengelernt.
Das möchte ich nicht missen!!!!
Lieben Gruß sanne
Ich würde mich über das Buch freuen. Das Thema interessiert mich sehr.
Vielen Dank für deinen Blog.
Ich finde oft neue Perspektiven, Sichtweisen an die ich selbst nie denken würde.
Oft überraschend anders aber immer stimmig.
Liebe Eifelgrüße
Mo
Super Interview. Ich kann es auch kaum erwarten das Buch zu lesen! Danke & liebe grüße, Jeannette
oh, das buch fände ich unheimlich spannend. ich habe die geschichte in der presse verfolgt und mir so meine gedanken gemacht. es wäre sicherlich etwas feines, um meine argumentationen und hoffnungen im bezug auf schulische inklusion mal wieder zu füttern.
liebe grüße und danke für deine schöne serie,
jule*
Liebe Mareice,
über ein Buch würde ich mich freuen! Habe das damals “in den Medien mitbekommen” und nun interessiert mich die Seite der Eltern sehr 🙂
Liebe Grüße,
Steffi
Über das tolle Buch würde ich mich sehr freuen! Ich bekomme selbst einen kleinen Sohn mit Extra-Chromosom, schon mal zu wissen, welche Hürden auf mich warten können, wäre nicht verkehrt 🙂
Herzlichen Glückwunsch, Birgit! Das Buch ist sehr lesenswert. Neben vielen anderen auch. Mein absoluter Favorit ist immer noch “Lotta Wundertüte”. Herzliche Grüße und viel Spaß mit deiner “Sonderausstattung” – ich hab auch eine 🙂
Oh ich würde mich sehr über ein Exemplar freuen! Auch Lotta Wundertüte habe ich gelesen und mich in vielem wiedergefunden.
Ich freue mich so sehr das ihr Schreiberlinge(rinnen :)) so toll, offen, reflektiert und ganzheitlich über das Leben mit Kindern mit Behinderung und Inklusion schreibt. So wie ich viele Kommentare hier immer wieder lese, sprecht ihr uns allen aus der Seele und gebt dem Wort “Inklusion” ein echtes Gesicht!
Danke! Liebe Grüße
Maike
Ich lese schon lange mit hier und nun, wo ich so gern das Buch hätte, kommentiere ich doch auch mal glatt 😉 das ist ein großartiger Blog hier, der mir als Förderschullehrerin, Mutter und Ex-Berlinerin immer wieder anders gefällt!!! Danke für die Einblicke und deine Arbeit! Dorothea