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Liebe Leser*innen,
vor fast genau sieben Jahren klickte ich auf „veröffentlichen“: Mein erster Kaiserinnenreich-Artikel ging am 2. März 2014 online und heißt – ich musste echt lachen, als ich das gerade las – „Ich-Zeit“. Was für eine gute Überschrift für alles, was danach kam – beziehungsweise nicht kam. „Ungestörtheit ist der seltenste mütterliche Aggregatzustand“ habe ich in meinem neuen Buch geschrieben. Und ja, 2014 hätte ich es auch schreiben können. Denn „Ich-Zeit“ gab es immer zu wenig in meinem Leben, seitdem ich Mutter bin.
Im März 2014 schrieb ich darüber, wie schön es war, einen kinderfreien Nachmittag zu haben. Und auch darüber, wie schön es war, währenddessen Fotos meiner Kinder auf mein Telefon geschickt zu bekommen. Also das große Elterndilemma.
Als ich diesen Blog startete, wusste ich sehr viel nicht. Ich wusste nicht, was der Begriff Ableismus bedeutet, spürte aber die Behindertenfeindlichkeit unserer Gesellschaft. Ich wusste nicht, was der Begriff Misogynie bedeutet, spürte aber sehr deutlich, welchen Unterschied es machte, ob ich die Mutter meines Kindes mit Behinderung war, oder der Vater.
Ich war wütend, deshalb startete ich diesen Blog. Ich war voller Liebe, deshalb startete ich diesen Blog. Ich war alles dazwischen und noch viel mehr, deshalb startete ich diesen Blog.
Mit dieser Wut und dieser Liebe und dem Dazwischen war und bin ich nicht allein. „Fernwärme“ nannte ich das, was entstand. Ich stellte fest: Was uns passiert, ist nicht privat, es ist strukturell.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sich in diesen sieben Jahren viel in Richtung Inklusion getan hätte. Aber ich kann es nicht sagen. Obwohl Deutschland 2007 die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben hat, gibt es bisher nur superwenige Schulen, die inklusive Bildung anbieten. Noch immer wird die Aussicht auf ein Kind mit Behinderung während der Schwangerschaft als Horrorszenario gesehen. Noch immer werden Menschen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, ausgebeutet. Noch immer sind Frauen mit Behinderung besonders von Gewalt betroffen, jede dritte bis vierte Frau mit Behinderung ist in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
Statt veränderter struktureller, politischer und institutionalisierter Rahmenbedingungen sehe ich weiterhin den Fokus auf Leistung und Leistungsgesellschaft. Auch innerhalb der Corona-Krise werden die Bedürfnisse von Personen der Risikogruppe und ihren Angehörigen übergangen. Erst vor einigen Wochen habe ich von Magdalena und ihrer Familie berichtet, die seit über einem Jahr in absoluter Isolation leben und von der Politik einfach nicht berücksichtigt werden.
Die eigene Geschichte zu erzählen und die Geschichten von anderen zu hören und anzuerkennen, gehört zusammen. Es sind beides radikale Akte, die die Welt verändern. Und sei es nur die Welt eines einzelnen Menschen.
Dieses Zitat von Nicole von Horst habe ich meinem Buch Alles inklusive vorangestellt.
Mein Wunsch ist es, dass die Geschichten von Wut und Liebe und dem Dazwischen weiter erzählt werden, um die Welt zu verändern, die kleine und die große. Und ich bin glücklich, genau die richtigen Erzählerinnen dafür gefunden zu haben.
Ab sofort übernehmen diesen Blog die großartigen Autorinnen Bárbara, Jasmin und Eszter. Jede von ihnen hat eine einzigartige Stimme. Und Wut. Und Liebe. Und alles dazwischen und noch viel mehr.
Hört ihnen zu.
Mareice
Danke für deiner Arbeit am Blog. Ich habe deiner Texte gelesen und viel mitnehmen können.
Viel Erfolg für dich und die drei “neuen”
Danke. <3
Wegen einer Instagramm-Diät habe ich hiervon nichts geahnt und habe grad Abschiedschmerz und Riesenfreude innerhalb kürzester Zeit erlebt. Vielen Dank für die viele “Fernwärme”, liebe Mareice. Und ich bin wirklich aus dem Häuschen, dass zwei meiner liebsten Inkluencerinnen nun hier schreiben werden. Auch auf die Perspektive von Bárbara freue ich mich sehr.
Was für ein Start in die Woche!
Vielen Dank und viel Freude und Kraft euch dreien!