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Meine Mutterschaft hat einen festen Standort. Ich übe sie nicht frei aus, wie ich das mir früher erträumt habe. Die Mutter, die ich bin trägt Slogans, Kampfworte, damit keine*r so tut, als ob er*sie mich nicht sieht.
Ich bin Mutter eines Kindes mit Behinderung.
Diese wenige Worte sagen vieles über mich – und auch nichts. Sie sagen viel mehr über eine soziale Rolle, die ich von der Gesellschaft „geschenkt“ bekomme.
Ich bin keine Heldin, weil ich mein Kind liebe. Ich bin keine Kämpferin, weil ich mein Kind liebe. Ich bin keine Heilige, weil ich mein Kind liebe. Ich bin die Mutter, die niemand sein will. Die Mutter, die niemand sehen will.
Aber ich sehe dich.
Bild: Pixabay
Ich sehe deine Angst und Unsicherheit, als es festgestellt wurde, dass dein Kind sich anders entwickelt, als du vielleicht erwartet hattest und was das alles für seine (und deine) Zukunft in der heutigen Welt bedeuten kann. Ich sehe, wie viele Nächte du wach bleibst, weil die Angst manchmal viel größer ist, als deine Müdigkeit. Ich sehe, wie du von Ärzt*in zu Ärzt*in hetzt. Ich sehe dich stark und so verletzlich. Mit keiner oder weniger Unterstützung in einer Gesellschaft die so wenig aus deiner Welt wirklich versteht.
Ich sehe dich mit Rückenschmerzen, mit deinem Kind auf dem Arm, mit festem Gang und mit einer fertigen Antwort auf die Lippe, Falls die Frage kommt: „Was ist mit deinem Kind?“ „Nichts, und bei dir so?“
Ich sehe, wie du in der Krippe, dann später im Kindergarten und dann weiter in der Schule kämpfst. Und mit der Krankenkasse. Und bei der Bahn. Und am Spielplatz. Und und und. Ich sehe, wie viel du tust, damit die Welt dein Kind sieht und ihm einen Platz gibt.
Ich sehe, wie groß du wirst, weil du das alles schaffst. Aber auch wie du müde und verzweifelt am Ende des Tages kleiner unter der Dusche wirst.
Ich sehe aber auch, wie süß du mit deinem Kind auf dem Sofa spielst und wie ihr zusammen lächelt. Ich sehe das. Manchmal fühlt sich das alles doch möglich an, wenn es so süß strahlt! Total paradox!
Ich sehe, wie groß du bist und alles was du tust – oft viel mehr als du kannst.
Du lebst in einer traditionellen Beziehung. Du bist Alleinerziehend. Du bist arbeitslos. Du bist CEO. Du bist Trans. Du bis Cis. Du hast selber eine Behinderung. Du bist Migrantin. Du bist BPoC. Du hast dein Kind verloren. Du bist Mutter von vier. Du bist Jüdin. Du bist Christlich, Du trägst Hijad.
Ich sehe, dass durch das Leben von deinem Kind, du angefangen hast, so viele andere Kinder zu sehen. Und so fingst du an, an eine andere Welt zu glauben und dafür zu kämpfen. Ich sehe dich.
Ich bin du.
Wow! So ein berührender und ehrlicher Text. Danke!
Liebe Grüsse
Paula