Es gibt wenige wie sie

by Bárbara Zimmermann

Es gibt wenige Menschen, die wie meine Tochter sind. Auch Ärzt*innen spiegeln mir das, auch wenn sie dafür andere Worte wählen. Die Botschaft aber ist die Gleiche: „Kinder wie meins gibt es nicht viele.“

Einmal, nicht das erste Mal, passierte es in der Kinderorthopädie. Kind3 war vielleicht sechs Monate alt. Und ich war zerbrechlich wie dünnes Kristallglas, wackelig wie ein Bambus. „Ich habe noch nie ein Kind mit Spina Bifida mit so einem hohen Lähmungsniveau gesehen wie sie“, war der Satz der Ärztin.

Mein Kind saß auf meinem Schoß, als ich diesen Satz plötzlich hörte. Im Raum herrschte Stille – obwohl in mir eine Kaskade von Gedanken schrien. Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, musste ich mich erstmal sortieren. Die Ärztin aber war schneller: „Ich meine, ich kenne schon noch andere Patient*innen wie sie, sie sind aber schon Erwachsen. Aber Kinder nicht. Mit der heutigen Pränataldiagnostik haben Babys wie Kind3 überhaupt keine Chance”.

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Und wie machst du das, Astrid?

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

“Da ist ein Band, das ist stark. Es wird sie tragen. Ich habe nicht alles falsch gemacht.”

“Ich habe zu jedem Zeitpunkt die Entscheidung so getroffen, wie ich es gerade konnte und bin so die Frau geworden, die ich jetzt bin. Doch rückblickend wünsche ich mir, dass ich mir die Trauer über die Behinderung von Anfang an 100% erlaubt hätte, ohne mir von anderen oder mir selbst reinreden zu lassen oder mir Vorwürfe zu machen. So war ich jahrelang im Schockzustand. Ich habe mir nie erlaubt, zusammenzubrechen, obwohl ich mich eigentlich in den ersten Jahren nach der Diagnose jeden Tag so gefühlt habe.”

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Gefühle für die ich (bis jetzt) keinen Namen habe

by Bárbara Zimmermann

In mir leben ein paar Gefühle, für die ich bis jetzt keinen Namen habe. Ich erinnere mich noch ganz genau an eine Situation, als eines dieser Gefühle mich besucht hat. Es war nicht das erste Mal. Es kommt immer unerwartet und bleibt nicht lange. Der Nachgeschmack, allerdings, bleibt einige Tage, ohne dass ich weiß: Schmeckt es lecker, wie eine süße Kirsche, oder ist es eher bitter? Tut mir dieses Gefühl gut oder nicht? Wo bringt es mich hin?

Es war Montag, 13 Uhr. Ich ging ins Gelände der Krippe rein, um mein jüngstes Kind abzuholen. Ich machte das kleine Tor auf, bog nach links ab, beim Sandkasten entlang und PENG!

Für ein paar Millisekunden war alles anders – zumindest in meiner Fantasiewelt. Direkt mir gegenüber sah ich ein süßes blondes Mädchen. Mein Kind, dachte ich. Es STAND an der Fensterscheibe der Einrichtung und schaute mir zu. Ich lächelte ihr zu. „Mamãe chegou. Mama ist da“, wollte ich in dem Moment sagen und ihr zuwinken. Und in dieser Millisekunde ist alles passiert: Eine Euphorie kommt in mir hoch – mein Kind kann stehen! – und direkt danach höre ich eine Stimme in mir, die mich aus dieser Illusion erweckt: Das ist nicht dein Kind, Bárbara. Dein Kind kann nicht stehen.

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Und wie machst du das, Sarah?

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

“Wenn ich eine Sache in meinem Leben falsch eingeschätzt habe, dann die Rolle der Mutter. Ich hatte das Selbstverständnis, dass mir diese Rolle gefallen würde und ich die Aufgaben, die damit einhergehen, easy wuppen würde. Pflegende Mutter zu sein fällt mir schwerer, als ich mir je vorstellen konnte.”

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Migrant Mother & Behinderung beim Kind: Ein Gefühl von Zugehörigkeit

by Bárbara Zimmermann

Wie sieht Mutterschaft aus, wenn ein Kind eine Behinderung hat? Und wie sieht diese Mutterschaft aus, wenn die Mutter Migrantin ist?

„Können Sie bitte diese Worte auf meinem Zettel aufschreiben?“, fragte Rahima den Arzt, als er die Diagnose von Spina Bifida und Hydrozephalus in der Schwangerschaft ihres zweiten Sohnes feststellte. Das erzählte sie mir am Samstag beim ersten Treffen seit der Pandemie für Familien mit Kindern mit Spina Bifida. Wir teilten den Tisch und unsere gemeinsamen Erfahrungen als Migrantinnen und Mütter unserer Kinder mit und ohne Behinderung.

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Und wie machst du das, Steffi?

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

“Ich finde die unterstützenden Angebote für Familien mit einem behinderten Kind alles andere als ausreichend. Der Gesetzeentwurf zur Reduzierung der Flexibilität beim stundenweisen Einsatz der Verhinderungspflege hat erst in diesem Jahr wieder gezeigt, wie wenig Politik und Gesellschaft über den Alltag und die Realität pflegender Angehöriger wissen. Und das oft genau an den Stellen eingespart wird, die die Familien brauchen, um ihren Alltag besser bewältigen zu können und Entlastung zu haben. Mit der Initiative pics of care, die ich gemeinsam mit einer anderen pflegenden Angehörgen ins Leben gerufen habe, wollen wir genau darauf aufmerksam machen”.

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Und wie machst du das, Martina?

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Wie erlebten Mütter von Kindern mit Behinderung ihre Mutterschaft und die Behinderung ihrer Kinder vor 20, 30, 40 Jahren? Haben sie damals Unterstützung von ihrem Umfeld bekommen? Wie konnten sie Mutterschaft und Arbeit vereinbaren? Hatten sie den Eindruck, die Politik an ihrer Seite zu haben?

Mutterschaft, Kindheit und Behinderung sind soziale Konstrukte, die von symbolischen und realen Elementen beeinflusst werden, wie z.B. von kollektiven Narrativen, von akzeptierten sozialen Rollen, von politischen Entscheidungen, von Religion und Glaube, von Traditionen usw.

Wir vom Kaiserinnenreich sind sehr neugierig auf diese Erfahrungen und Erzählungen. Dafür haben wir Mütter von behinderten Kindern interviewt, welche schon im Erwachsenenalter sind. Wie schauen sie auf ihre Vergangenheit? Was teilen sie mit uns, die Mütter, die heute in dieser Rolle stehen?

Für unsere Premiere haben wir Martina als Gästin.

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Meckerecke

by Jasmin Dickerson

Als Elternteil eines behinderten Kindes kommt es häufig vor, dass man immer schnell noch einwirft, wie süß man sein Kind findet und wie lieb man es hat, wenn man sich denn überhaupt einmal mit anderen darüber austauscht, wie schwer es sein kann.

Alles, damit das Gegenüber sich wohl fühlt. Ich möchte damit brechen. Ich bin genervt, ich bin wütend und ich bin erschöpft. Manchmal bin ich hoffnungsvoll, manchmal habe ich große Angst vor der Zukunft. Oft werde ich mit spitzen Schreien beschallt und ich finde es nicht immer niedlich. Ich will manchmal meine Ruhe. ich will manchmal alleine sein.

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“Engelchen” und “Superheld*in”: ehrliche Bewunderungen oder Ableismus?

by Bárbara Zimmermann

Sei mal ehrlich: wenn du mein Kind „Engel“ oder „stark“ oder „Heldin“ nennst, sagst, sie sei “etwas besonders“, wünschst du dir auch, dass dein Kind – für eine einzige Minute – ähnlich aussieht wie mein „Engelchen“? Denk darüber nach. Wenn deine Antwort „Nein“ ist, dann sorry, das ist sehr ableistisch und diskriminierend. Aber entspann dich, das ist hier kein Angriff an dich. Es ist eine Einladung von einer Mutter, die in der Öffentlichkeit immer wieder solche Worte über ihr Kind hört. Darf ich dir zeigen, wie subtil der Ableismus ist?

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