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Ich wollte einfach nach Hause. Mein Körper wollte angefasst und geliebt werden, gerettet von der ernüchternden Routine einer pflegenden Mutter* im Krankenhaus. So fühlte ich mich im Frühling, als ich für eine Woche mit meinem Kind stationär war.
Es wird momentan viel (aber längst noch nicht genug) über Mutterideale gesprochen und geschrieben. Aber wie zeigen sich diese gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber pflegenden Müttern? Was wird von uns erwartet, während wir z.B. stationär unsere Kinder im Krankenhaus begleiten? Darf eine pflegende Mutter etwas komplett anders machen wollen, als nur in der Exklusivität für das Kind zu sein? Wie viel darf es von dieser Frau jenseits der Rolle der pflegenden Mutter geben, während sie pflegt, liebt und begleitet?
Was, wenn sie schnell aus dem Krankenhaus und zurück nach Hause gehen will, weil sie Lust auf Sex hat? Oder darf sie nur zurück zu ihren anderen Kindern wollen, die seit einigen Tagen oder Wochen ohne sie sind? Sie vermisst bestimmt die Kinder, ja, aber was wenn nicht nur? Vielleicht vermisst sie auch den Sex, ihr Bett mit ihre*m Partner*in. „Mütter sind sexuelle Mischwesen – auf der einen Seite werden sie übersexualisiert, Stichwort Milf, auf der anderen Seite am liebsten als heilige asexuelle, treusorgende Mütter gesehen“, schreibt Mareice Kaiser in Das Unwohlsein der modernen Mutter.
Ich gebe zu: Während ich dies schreibe, höre ich meine innere Stimme und Scham steigt in mir auf. Darf ich das schreiben? Was denken die anderen über mich? Bin ich deshalb eine schlechte Mutter? Ja, aber ich traue mich trotzdem, diesen Text zu schreiben – und zu veröffentlichen. Denn es geht hier nicht darum, die dringende Fürsorge für unsere Kinder zu vernachlässigen. Es geht hier um Gefühle, die eventuell widersprüchlich zu dieser Pflicht sein können und die Frage: Wie viel von der Frau die ich auch noch bin, kann in diesem Kontext von Pflicht, Liebe und Verantwortung noch geben?
Dazu fällt mir eine Passage aus einem Buch der Autorin und pflegenden Mutter Lau Patrón aus Brasilien ein:
“Wenn ich Hamburger und Pommes und Tonen von Schokoladen essen wollte, um mich besser zu fühlen, mich voll betrinken wollte, um zu vergessen, Leute anschreien wollte oder gemein zu jemandem sein wollte, würde mich niemand verurteilen. Ich würde mich selbst nicht verurteilen. Aber wenn ich Lust auf Körperlichkeit fühle, denke ich automatisch schreckliche Dinge über mich, als ob ich das schlechteste Wesen wäre oder weniger Mutter wäre” (Lau Patrón (2018): 77 Leões. Verlag Belas Letras, Porto Alegre. Seite 155. Freie Übersetzung von mir.)
Wie kommt es an, wenn wir pflegende Mütter uns im Krankenhaus schminken und uns schön anziehen, während unser Kind vielleicht einen Tag mit vielen Untersuchungen erlebt oder operiert wird, oder sogar auf der Intensivstation ist? Oder erlauben hier die (unausgesprochenen) Spielregeln nur Jogginghose, ungekämmte Haare und Crocs? Woran wird die Liebe gemessen? Führen ein roter Lippenstift oder ein tief ausgeschnittenes Shirt zum Punktabzug beim Status als „gute Mutter“? Wer bestimmt das?
Wer diese Situation schon mehrmals erleben musste, hat sicherlich mehrere Sprüche aus dem Umfeld – und von sich selbst – gehört, als ob es nichts Anderes geben dürfte, als nur die Zeit für und mit dem Kind. „Sie arbeiten jetzt?“, fragte mich irritiert die Krankenschwester, während mein Kind nach der Untersuchung schlief. Ja, antwortete ich. Und schnell wollte ich mich rechtfertigen: mein Kind ist doch stabil und schläft; ich habe eine Deadline; ich habe Freude dabei. Ich bin froh, doch nichts außer dem Ja gesagt zu haben. Ich bin nicht nur Mutter und das muss ich nicht rechtfertigen.
Wir werden seit Jahrhunderten mit Botschaften vom Patriarchat bombardiert, die uns Müttern den Druck vermitteln, die super moms sein zu müssen und was das bedeutet. Wir, die super moms von besonderen Kindern, die ableistische Form von behinderten Kindern, bekommen hier ganz bestimmte Erwartungen vorgeschrieben. Damit wird auch impliziert, wie sich die super special needs mom im Krankenhaus verhalten soll. Das Patriarchat hat sein Ziel erreicht, wenn wir nicht nur glauben, sondernauch so agieren, als ob das Natürlichste der Welt wäre, dass eine Mutter exklusiv für ihr Kind da wäre. Wie ein „2 für 1“ kommen hier die Schattenseiten, die für viele von uns kein Geheimnis, sondern Alltag sind, ins Spiel: Schuldgefühle, Erschöpfung, Einsamkeit, Mangel an Unterstützung, Armutsrisiko, Burnout, Depression – und im schlimmsten Fall auch Suizid. Aber Hauptsache die Mutti ist nur für das Kind da, gibt ihre Individualität ab, will keinen Sex, hat keine eigenen Interessen, – und lächelt natürlich dabei.
Ich fing diesen Text im Frühling an zu schreiben, als ich mein jüngstes Kind für eine Woche im Krankenhaus begleitet habe. Wir sind an dem Dienstagabend sehr schnell mit dem Krankenwagen gefahren. Es war nicht schön. Aber bald ging es ihr schon wieder gut, sie lachte, sie schlief gut, hatte ihre Trotzmomente, aß Eis am Eingang des Krankenhauses und musste trotzdem weiterhin im Kopf untersucht werden. Wir erlebten eine Mischung aus Normalität und, die für ein vier jähriges behindertes Kind, blöde Routine des Krankenhauses. Ich war für meine Tochter da – mehr als 100%. Aber ich bin nicht nur ihre Mutter.
Ich habe Träume, Ideen, Gelüste, Phantasien, Wünsche, Projekte, Worte, Gefühle die nichts mit der Pflege meines Kindes zu tun haben – und das bedeutet überhaupt nicht, dass ich mein Kind im Stich lassen würde.
Als ich am letzten Tag im Flur der Kinderstation ein Bild sah, mit einer Ente mit Schürze, mit einer Wäscheleine im Hintergrund, sie mit einem Kochlöffel an einer Hand, die Babyente auf dem anderen Arm und oben drauf der Satz Super Mom zu lesen war – gerade an einem Ort mit einer extremen hohen Mutterquote! – , wollte ich noch schneller nach Hause und einen schönen Abend mit meinem Mann haben.
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P.S: Im diesen Text verwende ich das generische Feminin, was aber nicht bedeutet, dass jede Mutter oder die Personen, die so gelesen werden, auch Frauen sind und sich mit dem Pronom sie identifizieren.
Ich antworte mal als Kinderkrankenschwester.
Wir sind in der Kinderklinik schicht angewiesen auf jeden Elternteil, jede Oma, jeden Opa, jedes erwachsene Geschwister, die sich kümmern.
Denn jedes unbegleitete Kind bedeutet mir ein Dauerschlechtgewissen, weil ich mich nicht so kümmrn kann, wie ich es mit meiner Einstellung zur Arbeit vereinbaren kann, selbst wenn man noch in der Pause einen Buggy hinter sich herzieht.
Egal wieviel Verständnis ich habe für eine Mutter, die mal eine Pause braucht- ich bin erleichtert wenn sie wieder da ist.
Und ich persönlich freue mich über jede Mutter, die nicht in Jogginghose oder Morgenrock rumläuft, aber es gibt auch Situationen, da geht es den Kindern so schlecht, da ist das für alle Nebensache.
Und wenn es dann wieder leicht werden darf und mal Zeit für einen Plausch gibt, freue ich mich so viele, so interessante Menschen aus allen möglichen Herkunftsländern kennenzulernen, zuletzt gerade eine Designerin für Drehtüren, ich hatte noch nicht mal gewusst, das es so einen Beruf gibt.
Großartig ❤️ und ich werde mich weiter
Im Krankenhaus schminken, Nägel lackieren und sexy anziehen…und wenn die Zelt ist arbeiten…weil ICH dass bin und mir das alles gut tut.