Heute ist der 10. Februar 2023. Heute ist der “Tag der Hospizarbeit”.
Der Tag der Kinderhospizarbeit wurde am 10. Februar 2006 vom Deutschen Kinderhospizverein e.V. ins Leben gerufen. Seitdem findet er jährlich an diesem Tag statt. Er hat das Ziel, die Inhalte der Kinder- und Jugendhospizarbeit und ihre Angebote stärker in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu verankern, Menschen von der Sinnhaftigkeit ehrenamtlichen Engagements zu überzeugen, finanzielle Unterstützer*innen zu gewinnen, das Thema “Tod und Sterben von jungen Menschen” zu enttabuisieren sowie insbesondere am Tag der Kinderhospizarbeit solidarisch an der Seite betroffener Familien zu sein.”
www.deutscher-kinderhospizverein.de
Im Kaiserinnenreich möchten wir allen pflegenden Eltern den Raum geben, gehört und gesehen zu werden. Alll unsere Geschichten sind Teil des Ganzen. Auch die der sterbenden und der gestorbenen Kinder. Je mehr wir wissen und je besser unsere Vorstellungen von anderen Perspektiven sind, desto solidarischer und unterstützender können wir als nicht-Betroffene sein.
Vielen Dank, liebe L., dass du heute deine Geschichte mit uns teilst.
Die Anmeldung fiel mir schwer und als dann tatsächlich die Zusage kam, dass wir als Familie eine Woche ins Kinderhospiz dürfen, wusste ich nicht ob ich mich wirklich freuen soll. Urlaub im Kinderhospiz. Klingt krass, aber es ist krass cool und wunderbar gewesen, so viel besser als erwartet! Aber lest selbst…
Die ersten beiden Tage waren sehr intensiv, die Konfrontation mit der Vergänglichkeit und dem Tod und den anderen Schicksalen emotional. Die stundenlangen Erklärungen und Einweisungen zu unserem Räuberkind 1 und das Ankommen vor Ort war anstrengend, aber danach konnten wir loslassen und abschalten und es tat so gut, unser Räuberkind 1 gut betreut zu wissen und die Verantwortung komplett abzugeben.
Einfach Mal eine Woche lang keine Medis sortieren, herrichten, überprüfen, auflösen, mörsern, in unendliche Spritzen aufziehen sowie Flaschen, Spritzen und Sauger abspülen brachte schon so viel mehr Freizeit jeden Tag, ganz zu Schweigen vom zeitaufwendigen Füttern und der stundenlangen Schlafbegleitung, die für uns weggefallen sind. Und wir sind einfach nicht aufgefallen, wenn unser Räuberkind 1 gefüttert wurde und eine Sauerei dabei machte, wenn er laut lautierte oder die Babyflasche bekam, die anderen Kids werden auch im Bett und Rolli an den Essenstisch gerollt, das ist irgendwie ein gutes Gefühl mal dazuzugehören und nicht der Härtefall zu sein.
Und was schön war, wir konnten ganz beliebig entscheiden ob wir etwas zusammen mit unserem Räuberkind 1 machen oder bei einer Therapie zuschauen oder Zeit alleine für das Räuberkind 2 genießen wollten. Die Möglichkeiten für Kids mit Schwerbehinderungen sind so cool, es gab Ergo, Physio, Logo, Musik, Wasser, Aroma, Klang, Mal und Lichtbadtherapie. Alles in einem Haus in tollen, liebevoll eingerichteten Räumlichkeiten ohne Krankenhaus Stil und ohne Wegezeiten, im Tempo und nach Laune vom Räuberkind 1. Mit empathischen und aufgeschlossene, fröhlichen und tollen Pflegekräften und Therapeuten. So viel Herzlichkeit und Lachen hätten wir nie erwartet!
Außerdem gab es auch eine Erzieherin für die Geschwisterkinder, sodass wir unser Räuberkind 2 auch stundenweise abgeben konnten. Für unser Räuberkind 2 war das ganze Hospiz einfach ein Abenteuer Spielplatz und er liebte es!
Als wir unser Räuberkind 2 einfach so übergeben konnten ohne eine einzige Erklärung und die Erzieherin ihn einfach so füttern und wickeln und bespaßen konnte, ist uns zum ersten Mal bewusst geworden wie groß der Unterschied beim Abgeben ist. Beim Räuberkind 1 hat es praktisch 2 Tage lang gedauert bis sich das Team zugetraut hat, ihn vollständig alleine zu pflegen und zu betreuen, und beim Räuberkind 2 keine Minute, weil alles selbsterklärend ist. Mit Räuberkind 2 wird gespielt und bei Räuberkind 1 finden das Spielen in Therapieform statt, weil er eben nicht einfach spielen kann… und es wird einem bewusst was man leistet tagtäglich Zuhause, wenn das Räuberkind 1 in 24 h von 3 Schichten und insgesamt 5 Pflegefachkräften 1:1 und stundenweise sogar 2:1 betreut und gepflegt wurde!
Außerhalb der Mahlzeiten hatten wir nicht so viel Kontakt zu den anderen Familien, man merkte irgendwie dass jeder erschöpft war und wenn man freie Zeit hatte, dann lieber sich ausruhen oder eben Zeit mit dem Partner alleine verbringen wollte. Jeder ging dankbar sehr früh schlafen und frühstückte sehr spät, weil das eben Luxus pur und erholsam war. Aber genau das tat uns gut, weniger Action, keinen Alltag nach strengen Medi Zeitplänen und Essenszeiten ausrichten, spontan entscheiden ob wir einen Spaziergang mit oder ohne Räuberkind 1 machen wollten. Pauseknopf eben.
Dankbarkeit für die Möglichkeiten im Kinderhospiz mischten sich natürlich auch mit Trauer und dem schmerzlichen Abschiednehmen von unserer Wunschvorstellung von unbeschwerten Familienurlauben zu viert am Gardasee, am Meer, in den Bergen beim Wandern und Skifahren oder mit Flugreisen in andere Länder, weil sich immer mehr zeigte, dass das mit den Bedürfnissen und der komplexen medizinischer Versorgung unseres Räuberkindes 1 nicht möglich sein wird… aber Urlaub im Kinderhospiz hat für uns in jeden Fall eine neuen Stellenwert im Leben bekommen und eine Chance den Pauseknopf zu drücken! Beide Kids waren glücklich und blühten auf und wir auch!
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