
Dieser Artikel ist der Auftakt zu unserer Reihe „Ferien mit behindertem Kind“. Wir drei – Anna, Bárbara und Simone -, sowie weitere Gastautor*innen werden euch von unseren Ferien aus verschiedenen Perspektiven erzählen.
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Ausflüge. Für viele Familien bedeutet das, dass Anreise, Aufenthalt, Preise, Snacks gecheckt werden müssen. Es ist aufregend oder spannend, je nach Familienkonstellation auch anstrengend, aber vielleicht auch einfach was Tolles. Für viele Familien sind Ausflüge eine schöne Abwechslung zum Alltag, mal raus kommen, mal was anderes sehen, was erleben, ein Mini-Abenteuer. Viele Familien setzen sich einfach in Auto oder Bus und ziehen los. Unterwegs braucht es ein Klo, vielleicht mal ne Bank zum Ausruhen oder was, um die Motivation der Kinder hoch zu halten. Es gibt von günstige bis hin zu sehr teuer alle Möglichkeiten.
In vielen anderen Familien braucht es über diese Vorbereitungen hinaus noch viel mehr. Es beginnt mit Recherche: wie sind die Ticketformalitäten, wie wird der SBA (Schwerbehindertenausweis) gewertet, kostet der Eintritt weniger, ist der Eintritt für die Begleitperson frei? Wie sind die Gegebenheiten, räumlich und organisatorisch, wie sehen die sanitären Einrichtungen aus, wie groß ist die Behindertentoilette, welche Möglichkeiten fürs Essen gibt es, kann ich eigenes Essen erwärmen, gibt es die Möglichkeit, irgendwo in Ruhe zu sondieren, wie ist die Situation für Personen mit schneller Reizüberflutung, gibt es Rückzugsmöglichkeiten, was sind die schnellsten Exitstrategien, wenn alles zu viel wird?

Natürlich könnten Menschen, die diese Überlegungen nicht kennen, sagen: „Warum lasst ihr es denn nicht einfach?“ Unsere Antwort: „Teilhabe.“ Teilhabe ist eins der Schlüsselwörter für Inklusion. Wer am Leben, wie der Rest der Gesellschaft es kann, nicht teilhaben kann oder darf, dessen Lebensqualität ist geschmälert. Dies gilt für viele verschiedene Gründe: finanzielle Gründe, Sicherheitsgründe, logistische Gründe, Diskriminierung.
Heute möchte ich euch von unserem Besuch im Legoland mit unserem autistischen Sohn erzählen. Er ist 8 und eine Weile war Lego bauen sein Spezialinteresse, also gehen wir seit zwei Jahren regelmäßig (1-2 Mal pro Jahr) ins Legoland. Für dieses Jahr haben wir uns für eine Übernachtung mit zwei Tagen Park entschieden.

Zum einen wünschte er sich das schon eine ganze Weile (ich sag nur: Ninjago-Hotel), zum anderen versprach ich mir eine Verschnaufpause zwischendurch, weswegen wir das Zimmer auch ab 12 Uhr buchten. Bei den Tickets haben wir eine Kombination mit Frühbucherrabatt genutzt, hätten aber auch mit dem Schwerbehindertenausweis 1x freien Eintritt für eine erwachsene Person als Begleitung bekommen. Dazu gibt es ein Ticket für freies Parken. Für Personen mit blauem Parkticket gibt es Plätze direkt vor dem Eingang. Die behinderte Person löst also ein reguläres Online-Ticket, vor Ort muss man dann das freie Ticket für die Begleitperson unter Vorweisen des Ausweises an der Kasse lösen. Ganz ehrlich? Das ist etwas, was mich unheimlich nervt. Nicht nur im Legoland, sondern bei vielen verschiedenen Gelegenheiten wie Zoo, Museum, Freizeitparks. In Onlineshops gibt es so viele Möglichkeiten, alle Arten von Tickets anzubieten. Wieso müssen Ausflugspartien mit behinderten Personen noch mal extra anstehen, wenn sie es nicht wollen oder können? Während Corona gab es in vielen Ticketshops die Möglichkeit, ein 0€-Ticket für Babys, Begleitpersonen oder andere zu kaufen, so dass die maximale Personenanzahl kontrollierbar blieb. Fanden wir persönlich eine Erleichterung. Und technisch gibt es da sicherlich auch einige Möglichkeiten, den SBA zu prüfen.

Nach Ankunft haben wir uns also angestellt und sind durch die Drehkreuze eingetreten. Direkt links nach dem Eingang ist die Infotheke, wo ihr das „Ausgangsbändchen“ oder auch „Nimm-Rücksicht-Armband“ bekommt.
Auszug aus der Homepage:
“Außergewöhnlich gehbehinderten oder mental eingeschränkten Personen bieten wir ein Ausgangsbändchen an (das Formular dazu könnt ihr hier downloaden). Es dient dazu, Gästen mit schweren Einschränkungen (körperlich oder mental) den Zugang zu unseren Attraktionen zu erleichtern. Mit diesem Armband kommt ihr schneller an die Reihe und müsst nicht so lange in der Warteschlange stehen. Das Ausgangsbändchen erhaltet ihr im EINGANGSBEREICH gegen Vorlage des Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen aG, H oder G in Kombination mit B. Rollstuhlfahrer benötigen das Bändchen ebenfalls, um die Attraktionen bevorzugt betreten zu dürfen.
Rollstühle stehen kostenlos beim Express Pass Schalter im EINGANGSBEREICH ohne Reservierung begrenzt zur Verfügung.”
Für unseren autistischen Sohn haben wir dieses Bändchen jetzt schon zum zweiten Mal geholt. Und ich muss sagen: es funktioniert sehr gut für uns. Das Formular dazu kann man vorher runterladen, ausdrucken und ausgefüllt mitbringen. Oder wie wir, es verpeilen und vor Ort schon mal in der Schlange ausfüllen. Für jede Person mit SBA gibt es die Möglichkeit bis zu vier volljährige Begleitpersonen einzutragen, die dann das Begleitarmband bekommen. Das finde ich persönlich sehr gut, denn ich selber kann nix fahren, was sich schnell dreht oder eine 3D-Brille erfordert und so können mein Mann und ich uns abwechseln. Pro Fahrgeschäft darf nur eine Begleitperson begleiten.
Zum Bändchen gibt es eine Broschüre, die uns sagt, bei welchen Attraktionen das Bändchen auf welche Art funktioniert: einfach durch den Express-Eingang gehen oder sich am Ausgang anstellen und dem Personal Bescheid geben. Nur wenige Attraktionen bieten diesen Service nicht, so zum Beispiel „Atlantis“, weil es ein Rundgang und somit eine Einbahnstraße ist. Hier kann die Schlange schon mal 1 Stunde lang sein, also haben wir das Ding noch nie von innen gesehen.

Bei allen anderen Fahrgeschäften durften wir an der Schlange vorbei und so konnte unser Sohn Energie sparen und mehr sehen als ohne dieses Band. Auch das Personal ist gut geschult, alle haben ohne Augenrollen und mit viel Geduld geholfen, dass unser Sohn in die Fahrgeschäfte konnte. Manche haben die Funktionen noch mal erklärt oder waren einfach sehr freundlich. Das hat uns gut getan und macht aus dem „Nimm-Rücksicht-Armband“ nicht nur ein Lippenbekenntnis (Redewendung – jemand sagt etwas, macht es aber nicht), sondern eine echte Möglichkeit zur Teilhabe ohne dafür beschämt zu werden. Mir ist besonders die Begegnung mit einer Mitarbeitenden im Ninjago-Dorf in Erinnerung geblieben. Eine Person im Kostüm lief rum, begleitet von eben jener Mitarbeitenden, und hat sich für Fotos zur Verfügung gestellt. Unser Sohn hatte Lust darauf, war aber auch ängstlich, und ist deshalb in einem Sicherheitsabstand zur kostümierten Person geblieben. Die Mitarbeitende wollte gerade sagen, dass er doch näher rankommen soll, hat aber vorher sein Handgelenk angeschaut und dann gesehen, dass er das Armband trug. In ihrem Gesicht konnte ich ihre Gedanken sehen und wie sich ihre Mimik verändert hat und so hat sie ihn nicht angesprochen und uns einfach machen lassen. Nach 2-3 Bildern waren wir schon fertig und ich sehr glücklich über diese Begegnung.



Die Pause für unseren Sohn im (sehr, sehr teuren) Hotelzimmer war dringend notwendig. Ich empfehle dies wegen dem teuren Preis nicht, fand es für uns aber eine sehr gute Lösung. Im Feriendorf gibt es über ein Dutzend Spielplätze, auf denen er frei Stimming betreiben konnte, weil im Gegensatz zu den Spielplätzen im Legoland-Park viel weniger los war. Am nächsten Morgen konnten wir noch einmal in den Park, da wir Tickets für zwei Tage gebucht hatten und haben uns alles angeschaut, zu was wir am Tag zuvor nicht gekommen sind. Unser Sohn erinnert sich gerne an diese zwei Tage, worüber ich sehr glücklich bin.



Dinge, die wir vorbereitend mitgenommen haben: Gehörschutz, Safe Food (also Dinge, die er auf jeden Fall isst, auch wenn es ihm schlecht geht), Kuscheltier, Tablet mit Kopfhörer. Im Shop durfte er sich ein Teil aussuchen, weil wir das beim ersten Mal gemacht haben und erste Male immer festsetzen, wie was gemacht werden muss. Wir hatten den Plan vom Vorjahr ausgiebig studiert, um zu wissen, in welcher Reihenfolge wir was anschauen und wo wir essen. Zum Mittagessen sind wir schon um 11:30 Uhr ins Burgerhouse essen gegangen, da war es noch nicht so voll und zum Abendessen gab es kurz vor Tagesschluss eine Wurst auf die Hand. Da waren viele Leute schon weg und nur noch die übrig, die dann mit uns ins Feriendorf zurück gelaufen sind. Solche Maßnahme ergreifen wir immer dann, wenn wir die Kontrolle über den Tagesablauf haben. Je mehr wir unseren Sohn vor Überreizung schützen können, desto besser.
Danke für diesen tollen Artikel!
Ich war mit meinen beiden Kindern im Legoland Sohn 9 Authist, Tochter 12 gesund.
An dem Stand, wo man die Bändchen bekommt, war ein sehr netter Mann. Er war sehr verständnisvoll als mein Sohn nicht mit ihm reden wollte und sich weg gedreht hat und die Augen verdreht hat. Mein Sohn hat ein gelbes Bändchen bekommen und ich ein grünes. Bei mir wurde noch plus 1 drauf geschrieben. So konnte meine Tochter überall auch mit beim Expresseingang rein.
Es war ein sehr schöner Tag!
Das nur eine Person mit dem Kind in ein Fahrgeschäft im Legoland Günzburg kann,ist ja trotzdem irgendwie doof geregelt. Im Legoland Billund ist das besser. Da läuft das mit dem Armband total unkompliziert. Und man benötigt dafür auch keinen SBA. Man beantragt den total simpel ohne weitere Angaben von Gründen online. Pro Tag gibt es nur eine gewisse Anzahl von Armbändern,also sollte man rechtzeitig daran denken. Morgens holt man sich dieses am Infocenter dann ab. Das läuft auf Vertrauensbasis. Wir waren zu dritt und wir Eltern haben ein ander farbiges Armband bekommen als unser Kind. Man konnte auch komplett als Familie fahren,keiner musste also draussen warten. Und die stark verkürzte Wartezeit war echt Gold wert.