Die Sommerreihe: Ferien mit behindertem Kind – Jeder Urlaub beginnt mit einem guten Plan, oder? Ein Gastbeitrag von Ramona

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Ramona (Instagram @uschi.elektra) zu unserer Sommer-Serie “Ferien mit behindertem Kind”.

Es ist der 21. Mai und ich habe gerade alle Fähren und Campingplätze für nseren Urlaub Ende Juli gebucht. Ganz ehrlich, so früh habe ich das noch nie getan. Und ich habe auch noch nie so viel für die Fährtickets bezahlt. Das liegt nicht etwa an der Inflation oder unserem Familienzuwachs. Nein, ich habe das erste Mal ein flexibles Ticket gebucht um im Falle von Krankheit den Urlaub verschieben oder sogar stornieren zu können. Und Krankheiten, Arzt- und Therapietermine hatten wir im letzten Jahr wirklich viele. Seit einem Jahr haben wir in fast jeder “normalen” Woche drei Termine bei Ärzt*innen und Therapeut*innen. Und damit es bei dieser Zahl bleibt, musste ich schon oft sagen: “Stop! Mehr geht nicht.”

Im letzten Jahr befanden wir uns unter Dauerbeschuss. Dabei war die Diagnose “Spina bifida” und die pränatale Operation der Myelomeningocele noch das kleinste Kaliber. Es folgten regelmäßige Ultraschalluntersuchungen des Kopfes aufgrund erweiterter Ventrikel inklusiver VP-Shunt-Anlage (künstliche Ableitung des Hirnwassers in den Bauchraum). Drei Monate später zeigte sich das selbe Spiel nur andersherum. Aufgrund der nun entstandenen Schlitzventrikel fuhren wir wöchentlich in das 90 km entfernte Uniklinikum östlich unseres Heimatdorfes. Einen meiner schlimmsten Momente hatte ich nach einem dieser wöchentlichen Kontrollen, als ich beim Wickeln Blut in der Windel unseres Sohnes entdeckte. Ich bin noch am selben Tag von der östlich gelegen Uniklinik in das westlich gelegene Krankenhaus mit unserem Nephrologen gefahren: Distanz zwischen den Häusern 110 km. Mittlerweile haben wir viel neues gelernt. Unser Sohn kann durch einen Strohhalm pinkeln (Einmalkatheter (-; ) und der Shunt ist zum Glück verstellbar. Und trotzdem sind die Ventrikel immernoch zu eng und durch das Einmalkatheterisieren laufen wir ständig Gefahr einen Harnwegsinfekt zu verursachen.

Es fällt mir schwer meine Ängste und Sorgen abzulegen und der Leichtigkeit wieder mehr Raum zu geben. Meine Alarmbereitschaft zeigt sich in einer permanenten Anspannung meines Körpers und dauerhaften Zahnschmerzen. Und eben deshalb sehne ich mich so sehr nach Urlaub. Ich möchte im Moment leben und nicht täglich aufs neue überlegen, wie wir die Woche planen, damit alle Bedürfnisse der großen Kinder gesehen und gleichzeitig die medizinischen und therapeutischen Termine unseres jüngsten Sohnes organsiert sind.

Damit wir überhaupt in den Urlaub fahren können, musste ich uns schon ab März drei Wochen im Sommer “frei” halten, denn ansonsten hätten wir sicher auch in der Sommerpause keine Pause von Refluxanalysen und Ultraschallkontrollen, Orthesenanpassung oder Frühförderung.

Mittlerweile sind wir in der letzten Woche vor unserem Urlaub und es bleibt bis zuletzt spannend. Ob wir wirkich fahren können und dürfen wird ein letzter Ultraschall am Freitag zeigen. Und glaubt mir, danach werde ich wirklich urlaubsreif sein. Auch wenn dann der eigentliche Stress des Packens erst beginnt. Ein Urlaub, noch dazu ein Campingurlaub mit Zelt, Bus und vier Kindern muss gut organisiert sein. Und damit es nicht langweilig wird, dürfen wir in diesem Jahr auch an Medikamente, Zubehör für das Einmalkatheterisieren und Darmspülen denken.

Na zum Glück haben wir eine Dachgepäckbox. Und Freunde, die uns auf unseren dreiwöchigen Trip durch Skandinavien begleiten.

Ich bin Ramona (@uschi.elektra), 38 Jahre alt. Biologin in Elternzeit. Verheiratet und 4-fache Mutter (9, 7, 4 und 1 Jahr/e). Seit Juni 2022 pflegende Mutter eines Sohnes mit Spina bifida und Hydrocephalus. Meine
derzeit größte Herausforderung ist der Spagat zwischen allen Kindern und ihren individuellen Bedürfnissen und der medizinischen und pflegerischen Versorgung UND Förderung meines behinderten Sohnes. Und dazwischen stehe ich mit meinen ambivalenten Gefühlen wie Glück, Angst, Freude, Sorge, Wut, Schuld und ganz viel Liebe.

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