Ein Gastbeitrag von Verena @familie_mit_bedinderung
Erstens: Begrenzte Urlaubstage. Die meisten Ferien gehen für Intensivtherapien oder geplante Krankenhausaufenthalte drauf. Für das Kind ist das quasi Urlaub. Sie packt aufgeregt ihren Koffer und freut sich über ganz viel Exklusivzeit mit Mama oder Papa. Aber echter Urlaub ist das einfach nicht, sondern eher ein hartes Trainingslager. Machen wir uns nichts vor.
Zweitens: Die Vorbereitung. Wohin reisen wir? Ist dort die medizinische Versorgung im Notfall gesichert? Gibt es einen Aufzug? Ist die Unterkunft barrierefrei? Hat das Kind auch Platz zum Krabbeln? Können wir im Hotel den Schlafrhythmus einigermaßen einhalten? Oder gehen wir doch lieber in eine Ferienwohnung? Passen die Hilfsmittel ins Auto? Brauchen wir eine Flugtauglichkeitsbescheinigung? Auf jeden Fall müssen wir genügend Medikamente sowohl im Handgepäck als auch im Koffer dabei haben. Und eine Bestätigung vom Arzt brauchen wir auch, dass wir den harten Stoff überhaupt mitnehmen dürfen. Puh, haben wir an alles gedacht? Dann auf zur dritten Barriere:
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Die Anreise. Mit vollgestopftem Kofferraum gehts nun also los. Zum Glück schiebt die große Schwester den Rolli und wir können die Koffer schleppen. Dank Mobilitätsservice kommen wir am Flughafen gut klar. Huch, aber könnt ihr euch vorstellen, wie eng so eine Toilette im Flugzeug sein kann, wenn man versucht darin sein Kind mit spastischen Beinen irgendwie zusammenzufalten, damit es aufs Klo passt? Mietwagen können wir natürlich auch nicht irgendeinen nehmen. Der Kofferraum muss groß sein und ein passender Kindersitz wäre auch nicht schlecht. Uff. Wir sind da.
Viertens. Endlich im Urlaub. Ok, Urlaub mit Kindern ist und bleibt einfach Urlaub mit Kindern. Es bedeutet definitiv selten eine Erholung für die Eltern. So ist das auch mit Kindern mit einer Behinderung. Doch während das große Geschwisterkind älter wird, am Strand umher rennt, sich mit anderen Kindern anfreundet. Allein ein Eis kaufen geht. Im Pool schwimmt und ganz selten sogar auch mal ein Buch liest. Während das Geschwisterkind immer selbstständiger wird und wir dafür Freiraum gewinnen, ist das Kind mit Behinderung immer abhängig von uns. Und das ist eben auch im Urlaub so. Sie braucht Hilfe um Wasser am Meer zu holen, sie kann sich am Strand allein einfach gar nicht fortbewegen. Im Restaurant muss ihr das Essen gereicht werden und im Wasserpark klettern wir gemeinsam mit ihr die Rutsche hoch. Wir Eltern sind permanent gefordert. Und das wird eben nicht weniger mit zunehmendem Alter. Und noch dazu kommt eine Barriere, die für mich die größte ist:
Die emotionale Seite. Es bedarf viel Planung und Vorbereitung, mehr Organisation und erfordert vor Ort mehr Kraft. Ganz klar. Aber für mich schwierig ist es außerdem meine Bubble zu verlassen. Hier zuhause sind wir angekommen. Im Leben, das so anders verläuft als ich es mir vorgestellt habe und doch total in Ordnung so ist. Ich habe vieles akzeptiert, meine inneren Bilder angepasst und hadere im Alltag nicht mehr mit der Behinderung. Im Urlaub ist das anders. Da blitzen wieder Bilder auf von den Geschwistern, wie sie zusammen ins Meer rennen. Da seh ich wieder ein fünfjähriges Mädchen vor mir, das stolz einen kleinen Wanderrucksack den Berg hochschleppt. Ich beobachte andere Familien und ertappe mich bei dem Gedanken: So einfach könnte es sein.
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Ja es könnte einfacher sein. Und trotzdem ist es wunderschön. Auch im Urlaub überschreiben Stück für Stück neue Momente meine ehemaligen Vorstellungsbilder im Kopf. Das Kind, das von Kopf bis Fuß voller Sand, glücklich mit der Schaufel in der Hand frei vor unserer Strandmuschel sitzt. Mit verschmiertem Mund strahlend ein Eis isst. Die Menschen, die im Ausland oft so offen und unbedarft mit der Behinderung umgehen. Und wir Eltern, die am Abend mit dem Videobabyphon in der Hand erschöpft noch ein Glas Wein trinken. Und Pläne für die Zukunft schmieden: Nächstes Jahr nehmen wir eine Teilhabeassistentin mit. Und schaffen uns so den Freiraum, den wir brauchen um Energie für den Alltag zuhause zu sammeln.
Urlaub mit Barrieren. Die wir überwinden müssen. Mal wieder. Doch es lohnt sich.
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Ehrliche Wahrheit. Begrenzte Urlaubstage werden oft für Therapien und Krankenhausbesuche verwendet. Das ist zwar eine besondere Zeit für das Kind, aber noch lange kein echter Urlaub
Dankeschön. genau.so.ist.es.