Sommerreihe: Ferien mit behindertem Kind – ein Schmetterling fliegt! Ein Gastbeitrag von Maria

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Um das vorweg zu stellen: wir können uns Urlaub leisten. Das macht uns privilegiert und ich bin dankbar und glücklich, dass das so ist. Dennoch sind wir lange Jahre nicht in den Urlaub gefahren – weil es mit behindertem Kind eben nicht so einfach ist. Vor allem ist es erstmal nicht entspannend, sondern hauptsächlich aufregend und anstrengend. Vor der Geburt unserer Tochter, nennen wir sie Sophie, waren wir viel unterwegs. Wir sind mit dem Auto einfach losgefahren und haben uns durch Frankreich oder Italien treiben lassen. Alle zwei Nächte ein anderer Ort. Sophies große Schwester Anna hat das geliebt.Vor der Geburt haben wir – wie auch die Jahre davor – unseren Pfingsturlaub in Norditalien gebucht. Sophie sollte dann 4 Monate alt sein. Das müsste klappen. Mit Baby. Sagte uns unsere Erfahrung.

Sophie kam aber mit einem Gendefekt auf die Welt und ist ein Schmetterlingskind.  Das bedeutet, dass ihre Haut so empfindlich ist wie die Flügel eines Schmetterlings und sie am ganzen Körper Wunden hat. Bei der Geburt hatte sie keine Haut an den Füßen, an den Schienbeinen und Ohren. Später kamen Wunden an den Händen und am Rücken dazu. Die ersten Monate, nein Jahre, war ich dreimal pro Woche mit ihr in der Kinderklinik um einen Verbandswechsel zu machen. Gebadet, alte verklebte Verbände entfernt, neue Verbände angebracht. Natürlich mit viel Weinen, großen Schmerzen und Schreien.

So – und jetzt wollten wir in den Urlaub. Eigentlich hauptsächlich für unsere große Tochter. Ich habe diesen Urlaub (und alle folgenden) geplant wie eine Expedition. Genauso hat es sich auch angefühlt. Wir haben in unserem Hotelbad unser Baby gebadet und Verbände gewechselt. Natürlich hat Sophie geschrien, geblutet. Die Leute haben uns angestarrt. Danach war ich fix und fertig. Wir sind nicht mehr weit weggefahren. Nicht mehr ins Hotel. „Nur“ noch in kleine Ferienhäuschen, ohne Nachbarn. Nicht weit von zu Hause entfernt. Immer eine Klinik in der Nähe.

Dann kam Corona und alle waren zu Hause. Von mir ist ein unglaublicher Druck gefallen. Der Druck ein „normales“ Leben zu führen. Antworten für die große Schwester zu finden, warum wir nicht mehr wegfahren wie die meisten anderen. Die Spannungen zwischen den Kindern zu balancieren: „nur wegen dir fahren wir nicht mehr weg.“ Sophie ist größer geworden. Sie kann mittlerweile sagen, wo es ihr wehtut, wo sie Schmerzen hat. Verbandswechsel machen wir zwei Mal am Tag, ganz entspannt mit Medienbespaßung und nur noch selten mit viel Gebrüll. Die Nächte werden langsam besser. Sie hat schon durchgeschlafen.

Also ist nach den Corona Beschränkungen wieder ein bisschen Lust auf Leben zurückgekommen. Wir haben uns getraut an die Nordsee zu fahren. Kalte Luft, vor allem Meeresluft ist gut für die Haut. Und wir haben es geschafft. Das Gefühl danach war unbeschreiblich. Ich war so angespannt während des Urlaubs, aber danach hat sich eine unglaubliche Entspannung eingestellt. Trotz aller Einschränkungen und Hürden, haben wir einen schönen Urlaub erlebt. Mal was anderes gesehen. Und die Kinder waren glücklich.

Voller Euphorie habe ich mich in das nächste Abenteuer gestürzt und mir Griechenland eingebildet. Um es kurz zu sagen: ich habe meine Komfortzone verlassen und es hat geklappt. Ich bin während des Urlaubs oft an meine Grenzen gestoßen, habe mich verflucht, dass ich mir das eingebildet habe. Hatte ein schlechtes Gewissen, weil es heiß war und das die Haut empfindlicher macht. Aber das Gefühl danach war wieder toll und zwar nicht nur bei mir, sondern bei der ganzen Familie. Und bis heute – ein Jahr später, entspannt mich dieser Urlaub. Einfach der Gedanke daran. Es war so unglaublich schön. Und trotz Behinderung können wir solche Momente leben und erleben. Die Angst überwinden und schöne Erlebnisse haben. Die Kinder blättern immer wieder durch unser Fotobuch und sind glücklich: „Weißt du noch?“.

Der Schlüssel zum entspannten Urlaub: eine detaillierte Planung, flexibel zu sein und vor allem ganz viel Glück. Für die Kinder, aber auch für uns. Weil wir nur ein Leben haben und es eben so leben, wie es geht.

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