Heute widmen wir uns wieder der unheimlich wichtigen und oft unsichtbaren Arbeit im Bereich des Kinderhospiz. In diesem Artikel haben wir die Perspektive einer Mutter kennen gelernt. In Ergänzung daran möchten wir uns die Arbeit des Deutschen Kinderhospizverein e.V. ein bisschen genauer anschauen, denn noch diesen Monat am 27. und 28. Oktober 2023 findet im Haus der Technik in Essen das 9. Deutsche Kinderhospizforum statt.
So stellt sich der Deutsche Kinderhospizverein e.V. vor:
Wir begleiten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. Die unterschiedlichen Krankheitsbilder (z.B. Mukopolysaccharidosen, NCL, Krebserkrankungen, Progeria, fortschreitende Nerven- und Muskelerkrankungen, …) verkürzen die Lebenserwartung.
Die Kinder, ihre Geschwister und Eltern können ab der Diagnose auf ihrem Lebensweg begleitet werden. Das Leben mit all seinen Facetten, das Sterben und die Zeit nach dem Tod der Kinder stehen dabei im Fokus der Arbeit. Dabei möchte wir die Kinder und jungen Menschen vor allem in ihren Möglichkeiten bestätigen und sie nicht auf ihre Erkrankungen oder Grenzen beschränken.
Die Kinder- und Jugendhospizarbeit versteht sich als Teil eines interdisziplinären Teams, das unter anderem aus pädiatrischer Palliativversorgung und Pflege besteht.
Der Deutsche Kinderhospizverein e.V. (DKHV e.V.) wurde 1990 von betroffenen Familien gegründet und ist damit Wegbereiter der Kinderhospizarbeit in Deutschland.
https://www.deutscher-kinderhospizverein.de/wer-wir-sind/
Neben der Begleitung daheim und vor Ort im Hospiz ermöglicht der Verein seit 2020 coronabedingt auch digitale Angebote, um möglichst viele zu erreichen, die nach Austausch, Begleitung und Weiterbildung suchen. Das Angebot und die Arbeit des Vereins sind so vielfältig, dass ein Blick auf die Website lohnt, falls ihr detaillierte Informationen sucht. Im Interview mit Thorsten Hillmann, Leiter der Deutschen Kinderhospizakademie, erfahren wir, was Kinderhospizarbeit ausmacht, warum sie nicht helfen, sondern begleiten und warum es wichtig ist, für den Verein zu spenden. Viel Spaß damit.
Kaiserinnerinnenreich.de: Thorsten Hillmann, für welche Kinder und Familien sind Kinderhospize gedacht? Welche Arten von lebensverkürzenden Erkrankungen werden in Kinderhospizen betreut?
Thorsten Hillmann: In den Kinder- und Jugendhospizen können junge Menschen mit lebensverkürzender
Erkrankung gemeinsam mit Familienmitgliedern zur Entlastung der Familien oder in der
finalen Lebensphase des Kindes stationär aufgenommen werden.
Der Deutsche Kinderhospizverein e.V. ist Träger von ambulanten Kinder- und
Jugendhospizdiensten an bundesweit mehr als 30 Standorten und begleitet die Familien
regelmäßig im Alltag – häufig über sehr lange Zeiträume.
Zunächst einmal ist unsere Arbeit für alle jungen Menschen mit lebensverkürzender
Erkrankung zugänglich – dazu zählen Muskel- und Stoffwechselerkrankungen, neurologische
Erkrankungen und Gendefekte genauso wie Kinder, die zum Beispiel einen Unfall hatten.
Im Mittelpunkt steht immer die Familie. Das lebensverkürzend erkrankte Kind genauso wie
Mutter, Vater und die Geschwister. Ab dem Zeitpunkt der Diagnose. Im Leben, im Sterben
und über den Tod hinaus.
KR: Können Sie uns vom Alltag in den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdiensten
erzählen? Wie können wir als nicht-Betroffene uns die Arbeit mit den Familien
vorstellen?
TH: Die Arbeit unserer ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienste (kurz: AKHD) wird immer von mindestens einer hauptamtlichen Fachkraft koordiniert. Die Begleitung der Familien
zuhause übernehmen ehrenamtlich Mitarbeitende, die in rund 100-stündigen
Vorbereitungskursen dafür qualifiziert werden. Besonders wichtig ist, dass Familie und
ehrenamtliche Begleiter*in quasi „matchen“ – also, dass die Chemie stimmt. Mir hat mal
ein Ehrenamtlicher erzählt: „Ich arbeite als Vertriebler und bin es gewohnt vor vielen
Menschen zu sprechen. Aber noch nie haben meine Knie so geschlottert, als ich das erste
Mal zu ,meiner‘ Familie gefahren bin. Und was soll ich sagen: Nach einer halben Stunde
habe ich mich im Kinderzimmer Lego bauend wieder gefunden. Man kann das Gefühl nicht
beschreiben.“ Manche Ehrenamtliche sind ein oder zwei Mal die Woche bei den
lebensverkürzend erkrankten jungen Menschen und entlasten so die Eltern, manche
Ehrenamtler*innen sind für die Geschwister da und schenken ihnen einfach Zeit, gehen
Fahrrad fahren, Eis essen – und haben immer ein offenes Ohr für Ängste und Sorgen. Es
kann aber auch einfach eine Tasse Kaffee mit Mutter oder Vater sein, die Zeit zum Reden
benötigen. Die Begleitung ist stets eine individuelle Sache – immer so, wie die Familie es
wünscht und benötigt. Natürlich vermitteln wir auch Informationen oder Kontakte zu
anderen Institutionen. Wir sind als Deutscher Kinderhospizverein e.V. hervorragend
vernetzt. Außerdem stehen unsere drei Ansprechpartner (für Familien, für Geschwister und
für junge Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung) für alle Fragen bundesweit zur
Verfügung.
KR: Wie wird die finanzielle Seite der Versorgung in der ambulanten Kinder- und
Jugendhospizarbeit gehandhabt? Wer trägt die Kosten für die Betreuung?
TH: Besonders wichtig ist es für uns, dass die Begleitung für Familien durch unsere AKHD immer
kostenfrei ist. Knapp die Hälfte unserer ambulanten Arbeit wird durch die gesetzlichen
Krankenkassen gefördert. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir die restlichen 50 Prozent
durch Spenden aufbringen müssen. Nach dem Tod des lebensverkürzend erkrankten Kindes
hört die Förderung durch die Krankenkassen vollständig auf – nicht aber unsere Arbeit. Wir
sind weiterhin an der Seite der Familien, so lange, wie die Familie es wünscht. Diese
Arbeit müssen wir dementsprechend vollständig aus freiwillig gegebenen Geldmitteln, wie
eben Spenden, finanzieren. Betrachtet man alle Angebote des Vereins im Ganzen, so
müssen wir sogar rund 70 % unserer Arbeit durch freiwillige Geldmittel finanzieren.
KR: Gibt es Unterstützungsangebote für die Familie nach dem Verlust des Kindes, um ihnen in der Trauerarbeit zu helfen?
TH: In der Kinder- und Jugendhospizarbeit endet die Begleitung nicht nach dem Tod eines
Kindes. Wir begleiten die Familie so lange, wie sie es möchte. Viele Ambulante Dienste
bieten Trauergruppen und Gesprächskreise für verwaiste Eltern an. Die Familien nehmen
auch nach dem Tod eines Kindes an Festen, Ausflügen und besonderen Angeboten der
Deutschen Kinderhospizakademie teil. Das ist so lange möglich, wie die Familie das
möchte.
KR: Erzählen Sie uns von Ihrer Arbeit im Verein? Wie helfen Sie den Familien?
TH: Zunächst einmal nutzen wir in der Kinder- und Jugendhospizarbeit sehr ungern das Wort
„helfen“ – denn das hieße ja, dass die Familien Hilfe benötigen und damit eine Art von
Förderung. Wir sehen die Familien als Experten in eigener Sache, möchten sie unterstützen
und begleiten, fokussieren uns also auf die Eigenständigkeit und vorhandene Kompetenzen.
Selbsthilfe ist der zentrale Punkt. „Helfen kann mir keiner, wenn mein Kind stirbt, aber
Unterstützung könnte ich manchmal gebrauchen“: Dieser Ausspruch eines Elternteils bringt
unsere Haltung sehr gut auf den Punkt. Wie bereits zuvor beschrieben, begleiten über
1.300 ehrenamtliche Mitarbeitende deutschlandweit lebensverkürzend erkrankte junge
Menschen, die Eltern und die Geschwister in ihrem Zuhause. Ergänzt wird die ambulante
Begleitung unter anderem durch unsere Ansprechpartner*innen sowie durch die Angebote
unserer Deutschen Kinderhospizakademie. In mehr als 50 Seminaren, Workshops und
Begegnungen für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene mit lebensverkürzender
Erkrankung, ihre Eltern, Geschwister und Familien. Hier gibt es zum Beispiel auch eine
Begegnung für Väter – diese waren in diesem Jahr Kanu fahren – oder nur für Mütter. Auch
wenn die jungen Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung OHNE ihre Eltern unterwegs
sein möchten, machen wir das möglich. Eine andere schöne Geschichte ist, dass sich ein
Junge mal wünschte, zelten zu gehen. Sie können sich vorstellen, keine ganz einfache
Aufgabe, wenn man im Rolli sitzt und auf 24-Stunden-Pflege angewiesen ist. Geht nicht,
gibt es nicht: Zwei Jahre lang haben wir geplant und alle Möglichkeiten abgewogen.
Seitdem ist das Zelten in Westernohe nicht mehr aus unserem Programm weg zu denken.
Ich könnte noch unendlich viel dazu erzählen, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
Unsere Arbeit ist unfassbar vielfältig und orientiert sich stets an unserem Motto:
„Begleitung auf dem Lebensweg“. Nicht zuletzt vertritt der DKHV e.V. zudem die
Interessen der betroffenen Familien in Gesellschaft, Gesundheitswesen und Politik.
KR: Was wünschen Sie sich bezüglich der Wahrnehmung von Hospizarbeit in der
Öffentlichkeit?
TH: Die klassische Reaktion, wenn ich erzähle, dass ich beim Deutschen Kinderhospizverein
e.V. arbeite, ist: „Das könnte ich nicht.“ Der Gesichtsausdruck ändert sich und viele gehen
sogar einen Schritt zurück. In der Öffentlichkeit wird die Kinder- und Jugendhospizarbeit
häufig mit dem baldigen Sterben eines jungen Menschen in Verbindung gebracht – nach wie
vor ein Tabuthema. Viele Menschen haben das Bild eines „Erwachsenenhospizes“ im Kopf.
Wir wünschen uns, dass die Menschen verstehen, dass es in der Kinder- und
Jugendhospizarbeit um die Begleitung auf dem Lebensweg geht. Mit allen Facetten. Allen
Schwierigkeiten, Trauer und Herausforderungen, aber auch mit viel Lachen, Humor,
Abenteuern und großartigen Erfahrungen.
KR: Was erwartet Besucher*innen auf dem 9. Deutschen Kinderhospizforum?
TH: Mehr als 80 Referierende, 12 Foren, 12 Vorträge, vier Podiumsdiskussionen, ein Markt der
Möglichkeiten – so könnte man das Deutsche Kinderhospizforum mit dem Thema „Mitten in
der Gesellschaft – Kinder und Jugendhospizarbeit als gesellschaftlicher Impulsgeber“ kurz zusammenfassen. Nach Pandemiebedingter Pause freuen wir uns sehr, dass am 27. und 28.
Oktober Europas größter Fachkongress zur Kinder- und Jugendhospizarbeit im Haus der
Technik in Essen erneut stattfinden kann. Schirmherr ist Bundesminister für Gesundheit
Prof. Dr. Karl Lauterbach, den Eröffnungsvortrag hält Prof. Dr. Margot Käßmann. Die
Themen sind so vielfältig wie die Kinder- und Jugendhospizarbeit selbst. Um nur zwei
Beispiele zu nennen: Beim Podium „Erinnern und Bewahren“ dreht sich alles um
Erinnerungskultur, darum, wie den gestorbenen jungen Menschen weit über ihren Tod
hinaus ein „Platz“ ermöglicht werden kann. Eine andere Podiumsdiskussion beschäftigt sich
mit „Ableismus“, also der auf- oder abwertenden Diskriminierung von Menschen mit
Behinderung. Hier wird ein Blick auf den Alltag geworfen, auf überbordende Bürokratie,
Klischees und Bevormundung. Wir freuen uns schon auf den Austausch mit vielen
interessierten Menschen, auf anregende Vorträge und spannende Diskussionen
Da wir nun wissen, dass die Kinderhospizarbeit bis zu 70% aus Spenden finanziert wird, hier noch der Aufruf, dass wenn ihr etwas übrig habt und die Arbeit des Deutschen Kinderhospizverein für wichtig haltet, schickt doch eine kleine Spende.
Spendenkonten:
Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden
IBAN: DE54 4625 0049 0018 0003 72
SWIFT-BIC: WELADED1OPE
Volksbank Olpe-Wenden-Drolshagen
IBAN: DE68 4626 1822 0224 7007 00
SWIFT-BIC: GENODEM1WDD