Mein Sohn wurde eingeschult – vor 1,5 Jahren und dann kam alles anders als gedacht. Statt in die Schule zu gehen, kämpft er seither um sein Leben. Ein Krankenhausaufenthalt nach dem anderen, mehr als 18 schwere Operationen am Gehirn. Aber ein Schulkind, das ist er ja immer noch – trotz seiner schweren Erkrankung. Nur ist es für ihn leider aktuell nicht möglich in die Schule zu gehen. Ein kleiner Junge, der gerne lernen und Zeit mit seinen Klassenkameraden verbringen möchte. Soziale Isolation ist plötzlich ein Thema. Wie kann er teilhaben, ohne im Klassenzimmer zu sitzen? Wie kann er an Klassenausflügen teilnehmen und mit seinen Mitschülern Zeit verbringen? Alltag eines Schulkindes, der ihm bisher nicht möglich war. Denn er führt ein leben zwischen OP-Sälen und Krankenhausbetten.
Die Lösung
Mit einem Avatar kann er endlich auch mittendrin sein! Der Vorschlag kam von seinen Klassenlehrer*innen. Ich hatte davon schon einmal gehört und war sofort begeistert. Mein Sohn hat nun also einen sogenannten AV1 Telepräsenzroboter für mehr soziale Teilhabe bekommen. Die Erfinder schreiben zu AV1 ” Schulabwesenheit ist die größte Herausforderung im Bildungswesen. Der AV1 Avatar ermöglicht abwesenden Schulkindern das gemeinsame Lernen und die soziale Integration und unterstützt die Wiedereingliederung in den Schulalltag.” Und so ist es auch. Am Montag startet mein Sohn nun offiziell von zuhause aus mit dem Unterricht. Wir sind beide schon sehr aufgeregt. Und freuen uns über diese Möglichkeit über Teilhabe am Präsenzunterricht. Mein Sohn hat seinen AV1 auch schon einen eigenen Namen gegeben, die Leher*innen haben ihn mit einem Foto personalisiert und er sitzt nun anstelle meines Sohnes an seinem Platz im Klassenzimmer. Schule für alle wird mit dem AV1 möglich. Es ist meiner Meinung nach ein wirklich guter Weg auch Kindern mit sehr schweren Erkrankungen, Immundefekten und/oder Angststörungen den Schulbesuch möglichst barrierefrei zu ermöglichen.
Mein Sohn besucht eine Förderschule mit dem Schwerpunkt körperliche Behinderung. Er ist nicht das einzige Kind, dass dort mit einem AV1 am Unterricht teilnimmt. Für uns ist es natürlich ein Abenteuer. Für andere Schulen und Familien, die noch keine Erfahrungen damit haben, wahrscheinlich ebenso. Deshalb gibt es natürlich Fragen, die geklärt werden müssen. Zum Beispiel die Frage der Finanzierung.
Wie wird der Telepräsenzroboter finanziert?
“Grundlegend ist die Finanzierung bzw. Anschaffung der AV1 Technologie folgendermaßen möglich: über den Schulträger, über ein Medienzentrum, über die Schule selbst, über einen Förderverein, über eine Stiftung,” schreibt noisolation auf seiner Webseite. Bei uns wurde die Finanzierung von der Schule übernommen. Der Roboter kann gemietet oder gekauft werden. Auch kann er erstmals getestet werden, bevor er dann tatsächlich im Klassenzimmer zum Einsatz kommt. Wie es mit der Regelung in den einzelnen Bundesländern aussieht, bespricht man bestenfalls mit der Schule. In Bayern ist die Technologie über die Schule für Kranke relativ präsent. Das kann man hier nachlesen.
Wie funktioniert der Schul-Avatar?
Bei der Avatar-Technologie kommuniziert der vom Schüler gesteuerter Roboter über eine Kamera und ein Mikrofon mit der Klasse. Durch die Präsenz des Avatars im Klassenzimmer können Schülerinnen und Schüler aus der Distanz sozial interagieren und am Unterricht teilnehmen – ganz so, als wären sie vor Ort. Über die App auf einem digitalen Endgerät kann der/die Schüler*in sogar Emotionen ausdrücken, die Hand heben, oder den Pause-Modus aktivieren. Der Avatar leuchtet dann in verschiedenen Farben und seine Augen zeigen die gewünschte Emotion den Mitschüler*innen an. Durch leicht erkennbare LEDs auf seinem Kopf können Lehrer und Mitschüler dann erkennen, ob das Kind online ist, eine Frage beantworten oder stellen möchte oder gerade nur zuschauen will.
Bei uns in der Klasse sind alle schon total begeistert von ihrem kleinen Freund, der nun als Stellvertreter für meinen Sohn in der Eichhörnchenklasse sitzt. Es gibt einen guten Grund, warum der Avatar so konzipiert ist, denn: “Die AV1 Avatare sind für Schülerinnen und Schüler mit Langzeiterkrankungen, anderen medizinischen Bedürfnissen oder Ängsten konzipiert. In den meisten Fällen möchten diese Kinder und Jugendliche nicht unter Druck gesetzt werden, gesehen zu werden.” Auf diese Weise kann die Teilhabe reizarm und ohne Druck von Außen gestaltet werden. Das abwesende Kind kann mit seinem Avatar im Krankenhaus oder von zuhause die Lehrer und Mitschüler sehen, hören und mit ihnen sprechen. Es kann aktiv am Unterricht oder an Gruppenarbeiten teilnehmen und sogar die Pausen mit seinen Freunden verbringen.
Hürden
Damit ein abwesender Schüler einen Avatar nutzen kann, müssen natürlich Datenschutzrichtlinien eingehalten werden. Wichtig ist deshalb, dass die Eltern aller Schüler im Klassenzimmer ihr Einverständnis für die Nutzung eines Avatars geben. Die Aufklärung der Mitschüler und ihrer Eltern ist deshalb enorm wichtig. Es ist durchaus schon passiert, dass ein Kind keinen Avatar nutzen konnte, weil die Eltern der Mitschüler der Nutzung aus Datenschutzgründen nicht zugestimmt haben. Das ist natürlich eine Katastrophe für die betroffenen Familien, denen deshalb die Teilhabe am Unterricht und am Sozialleben der Schüler verwehrt bleibt. Die AV1 Telepäsenzroboter wurden für den Einsatz im Klassenzimmer entwickelt und verfügen über zahlreiche Funktionen und Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit. Die Videoverbindung ist gesichert und Verschlüsselt. Es besteht daher keine Gefahr für den Datenschutz im Klassenzimmer. Ganz im Gegenteil – ein Avatar bietet eine deutlich sicherere Möglichkeit als herkömmliche Video-Chats, die wir sonst täglich zur Onlinekommunikation nutzen.
Hier findet ihr ein paar Best-Practice-Beispiele für die Nutzung eines Avatars
Hier ein toller Beitrag von der ARD
Ein Beitrag von der Sendung mit der Maus