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„Wenn große Gruppen von Menschen in unserer Gesellschaft von anderen ausgegrenzt werden, schwächt dies das Gefüge unserer Gesellschaft. Wenn wir zulassen, dass wir langsam zu einem Land werden, in dem wir uns einfach nicht mehr in andere hineinversetzen können, werden wir die Komplexität von Diskriminierung und die damit verbundenen Gefühle nicht mehr verstehen. (…) Wir müssen aus der Passivität – aus dem Gefühl, eine einsame individuelle Stimme zu sein – zu einer aktiven kollektiven Stimme werden“.
Das sind die letzten Worte von Judith Heumann in ihrem sehr empfehlenswerten Buch „Being Heumann. The unrepentant Memoir of a Disability Rights Activist“. Ich habe viel von ihr gelernt, schon damals im Film Crip Camp – auch sehr zu empfehlen!
Zu Beginn des Buches erzählt Heumann, wie ihre Mutter eine Pilgerreise unternahm, um ihr als behindertes Kind den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Dieser Weg und diese Odyssee kamen mir sehr bekannt vor, obwohl es in diesem Teil des Buches um ihre Kindheit in den 50er Jahren in den USA handelt. Und heute, 70 Jahre später, kämpfen wir pflegenden Mütter weiter. Wie viele Generationen von Familien mit behinderten und chronisch kranken Kindern werden noch so leben müssen?
Wie wäre es aber, wenn wir in einer Welt leben könnten, in der Familien die notwendigen Strukturen hätten, um sich um ihre Kinder und die Pflege ihrer Angehörigen zu kümmern – mit ausreichenden Ressourcen? Wie wäre es, wenn Pflege nicht automatisch mit Armutsrisiko, psychischer Erschöpfung und sozialer Ausgrenzung verbunden wäre? Das wäre wirklich gut! Brenda könnte Urlaub auf Mallorca machen, Simone könnte mit einem tollen Team ihr Drachenkind pflegen und gleichzeitig erwerbstätig sein. Das wäre doch gut – und so sollte es sein! Mit der Petition für die Weiterzahlung des Pflegegeldes nach 28 Tagen kämpfen wir genau für dieses Ideal: für mehr Gerechtigkeit für Familien mit pflegebedürftigen Kindern.
Wir, Simone, Isa, Verena, Lara und ich, sind Mütter von minderjährigen behinderten Kindern. Aus unserer Lebenswirklichkeit heraus haben wir diese Petition gestartet. Wir wissen aber auch, dass Familien mit erwachsenen behinderten Kindern vor der gleichen Herausforderung stehen. Die Probleme mit der häuslichen Pflege verschwinden leider nicht von heute auf morgen, wenn unsere Kinder 18 Jahre alt sind. Die Probleme hören nicht auf, manchmal bleiben sie gleich, manchmal kommen ein paar neue dazu – es wird nie langweilig, das haben wir schon verstanden. Deshalb wollen wir, wenn wir die 50.000 Stimmen erreicht haben, mit den Politiker*innen darüber reden, wie wir diese Situation für alle in unserer Gemeinde verbessern können. Damit verpflichten wir uns!
Unsere politischen und ökonomischen Systeme profitieren täglich von der unbezahlten Arbeit, der Zeit und dem Wissen pflegender Mütter, Töchter, Schwestern, Schwiegertöchter und Tanten. Vielleicht ist es deshalb so schwierig, hier Veränderungen zu bewirken, weil eine Gruppe von Frauen aufsteht und sagt: So nicht mehr! So unbezahlt und in diesen prekären Bedingungen nicht mehr? Denn wenn du als Mutter dein Kind im Krankenhaus, in der Reha, auf der Palliativstation begleitest und es weiter pflegst, aber nur woanders – und oft mit mehr Stress – aber der Anspruch deines Kindes auf Pflegegeld nach 28 Tagen wegfällt, dann ist das nichts anderes als ungerecht.
Wir haben bereits alles, was wir brauchen, um unsere Gesellschaft gerechter zu machen, um die Stimmen marginalisierter Gruppen zu hören, um ihre Rechte zu schützen und zu fördern. Wir haben bereits die bisher beste Institution geschaffen, die uns alle unterstützt:
Das ist unsere Demokratie. Mit unserer Petition nutzen wir die Chance, die unsere Demokratie uns bietet: Wir setzen uns lautstark für eine gerechtere Gesellschaft ein!
Wir sind laut, aber wer hört uns?
Herr Lauterbach, hören Sie uns?
Dieselbe Demokratie, die uns laut werden lässt, muss uns jetzt ernst nehmen.
Wir brauchen nur noch 4.000 Unterschriften, um die 50.000 Stimmen zu erreichen. Jede*r ist jetzt aufgerufen, das “Spiel der Demokratie” mitzuspielen. Man wird dabei kompetenter und sich seiner Rechte und gesellschaftliche Ungleichheiten bewusster. Es ist ein Spiel, bei dem wir alle gewinnen!
Mach mit! Unterschreibe hier und verlinke die Petition mit deiner Familie, deinen Freund*innen, bei der Arbeit, in deinem Verein.
Die Demokratie sagt Danke!