Die Sache mit dem vierten Advent

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Maeve Caitlin vom Instagram-Account @fuehlworte hat einen sehr bewegenden Weihnachtsbeitrag für Kaiserinnenreich geschrieben. Denn für pflegende Familien bergen die Feiertage oft viele Herausforderungen – auch emotional. Gerade wenn man von einer Krise in die nächste fällt. Dann wird Weihnachten zweitrangig und führt einem vor Augen, dass mal wieder wenig von der so sehr gewünschten Normalität übrig bleibt. Schmerzlich missend, aber wissend, dass es nicht anders geht. (Simone)


Auf unserem Esstisch steht ein Adventskranz. Am 1. Advent haben wir die erste Kerze angezündet. Dann stand er verwaist auf dem Tisch. Zwei Tage vor Heiligabend haben wir dann alle vier Kerzen angezündet. Aber was war dazwischen?

Dazwischen passierte ein Notfall. Eine lebensgefährliche Situation. Notaufnahme. Intensivstation. Klinikaufenthalt. Neue Medikamente. Überleben sichern. Die Hoffnung, es wieder gut in den Griff zu bekommen.

Kurz vor dem 4. Advent sind wir wieder zu Hause. Mein Kopf ist leer und voll zugleich. Der Schreck zu groß. Die Panik, unser Kind zu verlieren, sitzt tief und lässt sich nicht abschütteln. Sie sinkt tief in uns ein und prägt uns. Wir sind nicht mehr die Eltern, die wir am 1. Advent waren. Auch wenn es nicht das erste Mal passiert ist. Wir gewöhnen uns nicht daran. Es verändert uns jedes Mal.

Wir versuchen so schnell wie möglich in den Alltag zurückzufinden. Berge von Wäsche sind aufgelaufen, der Haushalt ist liegengeblieben. Der Entlassungsbericht stimmt nicht so ganz. Neue Medikamente müssen besorgt werden und sind zum Erschrecken der Apotheke und uns nicht lieferbar. Lösungen müssen gefunden werden. Ärzte von Spezialkliniken am Wochenende kontaktiert werden. Neue Zeitpläne für Medikamentengabe erstellt werden. Ein neuer Alltag muss eingerichtet werden. Die Notfalltasche neu gepackt werden.

Aber auch dieser neue Alltag ist vermutlich nicht stabil. Denn die Krankheit hat ihre eigenen Regeln, ihr eigenes Tempo. Sie bestimmt und wir reagieren, passen uns an. Hoffen, dass wir immer schnell genug verstehen und handeln.

Und dann ist ja auch der 4. Advent. Wir überspringen das schrittweise Anzünden der zweiten und dritten Kerze. Landen plötzlich am Tag, der noch 48 Stunden bis Heiligabend bietet. Unser Leben springt. Hin und Her. Und so landen wir unsanft bei Weihnachten, obwohl unser Gefühl noch nicht so weit ist. Noch gibt es keinen Baum. Die Weihnachtskiste ist noch im Keller. Der Adventskranz und der Adventskalender waren bisher die einzigen Vorboten. Weihnachten war hier noch nicht sehr sichtbar. Ein wenig zu erahnen, aber eher durchsichtig.

Eigentlich mag ich Weihnachten. Meine Seele bräuchte Ruhe und Abstand. Zeit, um alles sinken zu lassen. Um zu verstehen, was da mit uns passiert ist. Aber Weihnachten lässt sich nicht verschieben. Und wir sind froh, dass wir Weihnachten zu dritt sein werden. Auch das ist nicht selbstverständlich.

Ein fragiler 4. Advent. Ein fragiles Weihnachtsfest. Kostbar und durchsichtig zugleich.

Gastbeitrag Kaiserinnenreich
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