Die unerwünschten Geschenke

by Bárbara Zimmermann

Es ist immer das Gleiche: Wenn wir als Familie mit unserer behinderten Tochter unterwegs sind, bekommen wir unterschiedliche Reaktionen von anderen Menschen wie auf einem Tablett serviert. Es können starrende Blicke sein, Fragen zu ihrer Behinderung – „Was hat sie denn?“ -, ungefragte Therapievorschläge, und – der Hit! (Ironie) – Geschenke von fremden Menschen.

Hier eine nicht vollständige Liste von solchen Geschenken: einen Schutzengel auf einem Straßenfest von einem Mann bekommen, zwei Euro von einer älteren Dame am Supermarkt – „Kauf dir was Schönes, meine Süße!“ und kneift ihr an die Backe dabei -, Luftballons von Clowns am Spielplatz – obwohl sie damals große Angst von ihnen hatte – und neulich eine Kette im Wert von 15€ von einem Mann der Schmuck in Hannover Innenstadt verkaufte.

Das ist alles lieb gemeint. Diese Menschen wollen meinem Kind etwas Gutes tun, ihm etwas schenken, eine Freude machen. An sich kein Problem, oder? Leider doch.

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Happy #spinabifidaawareness day! Hauptsache gesund? Nein, Hauptsache geliebt. Ein Heft für Eltern von Kindern mit Spina bifida

by Bárbara Zimmermann

Nicht nur die Down-Syndrom-Community hat ein tolles Unterstützungsheft, wie Anna hier in ihrem letzten Post berichtet hat, sondern auch Eltern von Kindern mit Spina bifida und Hydrozephalus.

Seit etwas mehr als einem Jahr ist das Aufklärungsheft „Hauptsache gesund? Nein, Hauptsache geliebt!“ in der Welt. Inspiriert hat mich die tolle Arbeit von Lara Mars mit ihrem „Von Mutter zu Mutter“.

Während meiner Schwangerschaft habe ich mich sehr nach einer ähnlichen emotionalen Unterstützung gesehnt. Mehr als den Arztbrief mit der Diagnose „Spina bifida“ und „Hydrozephalus“ in meinem Mutterpass hatte ich nicht. Oder doch: Ich hatte eine Menge Angst und gleichzeitig so viel Liebe für mein noch ungeborenes Kind.

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Die Sommerreihe: Ferien mit behindertem Kind – Sich getragen fühlen

by Bárbara Zimmermann

Es gibt zwei Dinge, die mich richtig glücklich machen, und ich nutze jede Gelegenheit, um sie zu kriegen. Ich war bis jetzt sogar bereit, einen hohen Preis dafür zu zahlen, wenn das nötig war – so wie diesen Sommer. Damit meine ich nicht, dass ich höhere Geldpreise zahle, , sondern vielmehr, dass ich mehr Aufwand im Alltag betreiben muss. Sonne und Meereswasser auf der Haut zaubern mir ein richtiges Glücksgefühl! (Ja, ich weiß, dass ich nicht unbedingt das richtige Land als Wohnort mir dafür ausgesucht habe, aber gut, das ist ein anderes Thema.)

In diesem Sommer verbrachten wir zehn Tage auf einem Campingplatz auf Fehmarn an der Ostsee. Wir hatten einen Stellplatz mit Meeresblick und das war traumhaft! Das Wetter hat gut mitgespielt und wir waren mit  super lieben Freund*innen, die ebenfalls mit uns gezeltet haben. Wir waren viele: insgesamt zwölf Erwachsene plus sechzehn Kinder (!!!) und dann noch die tolle Überraschungsbegegnung mit der allerliebsten Sonja und ihrer Familie, die ein paar Tage nach uns dort ankamen. D.h. wir waren vierzehn Erwachsene plus neunzehn Kinder (!!!!!!). Keine Sorge, wir hingen nicht alle immer zusammen ab.

Ach, war die Bárbara glücklich!

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Als ich zusammen mit meiner Gynäkologin geweint habe

by Bárbara Zimmermann

Letzten Herbst habe ich Mut gefasst, als ich zu meiner Gynäkologin ging. Mut, weil es manchmal Kraft kostet, neue Räume für intime Gespräche zu schaffen, die nicht im Skript stehen. Mut, weil es nicht immer leicht ist, schmerzhafte Erinnerungen aus der Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen. Das bedeutet, sich erneut dem Schmerz stellen zu müssen und dabei seine Vulnerabilität unserem Gegenüber zu zeigen.

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Über Annas und Elsas. Über Katheterisieren und Politik

by Bárbara Zimmermann

„Es tut uns leid, aber Ihr Kind ist uns zu billig“, hörte Manuela die Absage vom Pflegedienst.

Sie lebt mit ihrer Familie in der Stadt, war damals mit ihrem zweiten Kind hochschwanger und sehr erleichtert, als sie nach mehreren Monaten endlich einen Pflegedienst gefunden hat, der – so dachte sie – auch Kinder betreut.

Ihr erstes Kind hat Spina bifida, wie auch meins. Laura wird mehrmals am Tag katheterisiert (d.h. die Einführung eines Einwegkatheters in die Harnröhre für die Entleerung der Blase), was während der Kindergartenzeit von einer Pflegekraft eines Pflegedienstes übernommen wird. Nein, nicht von dem Pflegedienst der ihr diese unverschämte Antwort lieferte – es ist mir klar, dass wenn ein Pflegedienst so eine Aussage gibt, dass sie auch Ausdruck der Pflegekrise ist, die stark in Deutschland herrscht. Manuela und ihr Mann mussten weitersuchen, bis sie endlich Glück hatten. Ja, in einem Bereich wie Pflege und Inklusion, in dem eine angemessene Unterstützung eigentlich selbstverständlich sein sollte, sind wir in Deutschland darauf angewiesen, Glück zu haben. Pech kommt aber leider auch oft vor. Es sind viele Verhandlungen und guter Wille nötig. 

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Die unerwünschte Gästin

by Bárbara Zimmermann

Sie kam wieder, diese unerwünschte Gästin! Und so nach ihrer Art, kommt sie immer ohne irgendein Anzeichen zu geben – und das hasse ich an ihr! Es gibt keine Vorbereitung, keine Absprache. Egal ob kurz vor dem Einschlafen im Bett, beim Geschichtehören am Nachmittag oder mit den Geschwistern im Zimmer, sie kommt, wann sie will. Zum Glück bleibt sie nicht lange, aber die wenigen Sekunden oder Minuten von ihrer Präsenz bringen einiges durcheinander im geplanten Alltag und vor allem das Gefühl, dass unser Leben ein bisschen normaler geworden ist – oder eben nicht? Fuck Epilepsie!

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»Behindert und Stolz«. Das neue Buch von Luisa L´Audace

by Bárbara Zimmermann

“Ich finde die Frage nach sichtbaren Fortschritten in Bezug auf Inklusion ist immer sehr schwer zu beantworten, denn: Woran messen wir das? Wenn wir es daran messen, wie viele behinderte Menschen uns im Alltag begegnen können, dann sieht der jetzige Stand miserabel aus und so ist leider auch mein genereller Eindruck. Während wir immer noch um so fundamentale Rechte kämpfen müssen, behinderte Menschen immer noch aufgrund von Ableismus sterben und von Armut und Gewalt bedroht sind, fällt es mir also schwer, bereits von einem Fortschritt zu sprechen. Wenn wir uns allerdings mal nur auf die Popularität des Begriffs Ableismus beziehen, merke ich schon einen Unterschied.” – Luisa L´Audace

Es gibt viele wichtige Stimmen in der deutschen Behindertenbewegung. Die von Luisa L`Audace ist eine von ihnen. Luisa ist eine behinderte und queere Aktivistin sowie Beraterin für Inklusion und Antidiskriminierung. Durch ihre Aufklärungsarbeit, die größtenteils auf Social Media stattfindet, hat sie maßgeblich dazu beigetragen, dass sich der Begriff »Ableismus« auch in der deutschen Sprache immer mehr etablierte.

Heute am 03.12, der internationale Tag der Menschen mit Behinderung, erscheint Luisas großartiges und wichtiges Buch »Behindert und stolz. Warum meine Identität politisch ist und Ableismus uns alle etwas angeht«. Mit ihrem Buch möchte Luisa L´Audace die diskriminierenden und unterdrückenden Strukturen durchdringen und sie Leser*innen verständlich machen. Ein Buch für alle, die in unserem ableistischen System nicht mitgedacht werden und für diejenigen, die mutig genug sind, ihre eigenen Denkmuster zu hinterfragen und dadurch eine inklusivere Gesellschaft zu schaffen.

Wir vom Kaiserinnenreich sind sehr froh heute, am internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, einigen Fragen aus ihrem Interview mit dem Verlag Eden Books sowie einen Auszug aus ihrem Buch hier mit euch teilen zu dürfen.

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Solo für Phyllis

by Bárbara Zimmermann

Wir lieben Bücher! Deswegen wollen wir euch in den nächsten Wochen einige tolle Bücher vorstellen, die uns besonders wichtig sind. Es werden Bücher für alle Altersgruppen geben und in verschiedenen Stylen: Kinderbücher, Lyrik, Erzählung, Comics…

Ich, Bárbara, fange mit „Solo für Phyllis“ von Christoph Danne an.

Was für ein Tauchgang ist dieses Buch, vor allem in unserem oft hektischen Alltag wo der Muskel aus der Brust oft hypotonisch wird und wir den Zauber in der Simplizität viel zu selten wahrnehmen. Christoph führt uns mit großer Zärtlichkeit in die kleinen Details und starken Gefühlen der großen Stunden, die viele von uns hier auf Kaiserinnenreich auch gut kennen, wenn wir erfahren, dass unser Kind mit einer Behinderung leben wird. Er und seine Partnerin erfahren in der Schwangerschaft, dass ihr Baby mit einem Herzfehler geboren und mit einer geistigen Behinderung leben wird.

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Es wird dir nichts geschenkt

by Bárbara Zimmermann

Seit einigen Monaten ist es nicht mehr der Wecker, der mich morgens aufweckt, sondern meine Älteste (11) oder Mittlere (7) Kind. Sie werden vor mir und meinem Mann wach, stehen mit ihren schönen verschlafenden Blicken an unserer Bettkante und müssen nicht selten zwei Mal sagen: Kommt ihr, steht auf! Die Müdigkeit drückt noch stark auf meine Knochen nach den Anstrengungen von den letzten Monaten.

Ohne eine andere Chance zu haben, stehen wir auf. Noch ein Tag geht los! Ich mache mich fertig und gehe zur Küche. Mal mache ich die Musik an, mal nicht. Zurzeit werden Gal Costa, meine unsterbliche Königin der brasilianischen Musik, und Yamandú Costa zusammen mit Bala Desejo immer wieder hintereinander gehört. Ich liebe die brasilianische Musik seit der ersten Stunde des Tages. Aber zurück zu meiner Routine: Brotdosen packen ist mein Job, während mein Mann bei unserer jüngsten Tochter (4) ist. Die beiden Großen brauchen keine Unterstützung mehr mit Anziehen und im Bad.

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Über Pflegen, Mutterschaft, Sex und die Frau, die ich auch noch bin

by Bárbara Zimmermann

Ich wollte einfach nach Hause. Mein Körper wollte angefasst und geliebt werden, gerettet von der ernüchternden Routine einer pflegenden Mutter* im Krankenhaus. So fühlte ich mich im Frühling, als ich für eine Woche mit meinem Kind stationär war.

Es wird momentan viel (aber längst noch nicht genug) über Mutterideale gesprochen und geschrieben. Aber wie zeigen sich diese gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber pflegenden Müttern? Was wird von uns erwartet, während wir z.B. stationär unsere Kinder im Krankenhaus begleiten? Darf eine pflegende Mutter etwas komplett anders machen wollen, als nur in der Exklusivität für das Kind zu sein? Wie viel darf es von dieser Frau jenseits der Rolle der pflegenden Mutter geben, während sie pflegt, liebt und begleitet?

Was, wenn sie schnell aus dem Krankenhaus und zurück nach Hause gehen will, weil sie Lust auf Sex hat? Oder darf sie nur zurück zu ihren anderen Kindern wollen, die seit einigen Tagen oder Wochen ohne sie sind? Sie vermisst bestimmt die Kinder, ja, aber was wenn nicht nur? Vielleicht vermisst sie auch den Sex, ihr Bett mit ihre*m Partner*in. „Mütter sind sexuelle Mischwesen – auf der einen Seite werden sie übersexualisiert, Stichwort Milf, auf der anderen Seite am liebsten als heilige asexuelle, treusorgende Mütter gesehen“, schreibt Mareice Kaiser in Das Unwohlsein der modernen Mutter.

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