Mit dem Avatar zur Schule – Telepräsenzsysteme für langfristig erkrankte Schulkinder

by Simone

Mein Sohn wurde eingeschult – vor 1,5 Jahren und dann kam alles anders als gedacht. Statt in die Schule zu gehen, kämpft er seither um sein Leben. Ein Krankenhausaufenthalt nach dem anderen, mehr als 18 schwere Operationen am Gehirn. Aber ein Schulkind, das ist er ja immer noch – trotz seiner schweren Erkrankung. Nur ist es für ihn leider aktuell nicht möglich in die Schule zu gehen. Ein kleiner Junge, der gerne lernen und Zeit mit seinen Klassenkameraden verbringen möchte. Soziale Isolation ist plötzlich ein Thema. Wie kann er teilhaben, ohne im Klassenzimmer zu sitzen? Wie kann er an Klassenausflügen teilnehmen und mit seinen Mitschülern Zeit verbringen? Alltag eines Schulkindes, der ihm bisher nicht möglich war. Denn er führt ein leben zwischen OP-Sälen und Krankenhausbetten.

Weiterlesen

Die Mama von

by Simone

Ich bin die Mutti, Mutter oder Mama von. Denn ich bin eine Krankenhaus-Mutti. Es ist, als würde ich als Person langsam verschwinden. Niemand beachtet mich, ich werde nicht wahrgenommen. Außer, meine Kenntnisse als „Mama von“ werden benötigt. Dann habe ich die gesamte Aufmerksamkeit von Ärzten und Fachpersonen. Im Krankenhaus nennt mich niemand beim Namen. Alle sagen nur: „Mutti können Sie mal schauen.“ Es ist, als würde ich mich langsam auflösen. Kinderkliniken sind keine Orte für Eltern. Wir wurden nie mitgedacht, wr sind notwendiges Beiwerk. Medizinisch notwendige Begleitpersonen, ohne Bedürfnisse, Gefühle, oder Privatsphäre. Wenn ich telefoniere, dann muss ich auflegen, sobald jemand das Zimmer betritt. Ich kann nicht duschen und die Türe offen lassen, um zu hören, ob es meinem kranken Kind gut geht, weil jederzeit jemand die Türe öffnen könnte, dich ich niemals absperren kann. Ich kann nicht essen, wann ich will, weil das Tablett abgeholt wird und man mir dann vorwirft, dass ich mich nicht an die Regeln halte. Ich kann nicht mit meinem Kind das Zimmer verlassen, wie ich möchte, denn wir müssen uns an die Vorgaben halten. Wie soll ich „eine gute Mutter von“ sein, wenn meine Werte und meine Gedanken nichts wert sind? Wie soll ich mich selbst spüren und meinem Kind ein gutes Vorbild sein, wenn das System verlangt, dass ich alles, was mich ausmacht, neutralisiere? Dem System zuliebe.

Weiterlesen

Superheld*innen und der Krankenhaus-Blues

by Simone

Es gibt ja oft diese verklärte Vorstellung, dass Menschen, die schwere Krankheiten durchleben und ihre Liebsten, die sie dabei begleiten, besonders stark und tapfer oder hingebungsvoll sind. Diese romantische Vorstellung aus Hollywoodfilmen in denen man – auch ohne Happy End – dies alles mit Hingabe und Superpower gemeinsam meistert. Dass man aus dieser Zeit unheimlich viel für sich mitnimmt, aus der schweren Zeit fürs Leben lernt und noch stärker zusammenwächst. Auch, dass man eben genau daran wächst und einen neuen Blick auf das Leben bekommt. Auch ist es auf Social Media oft so, dass Eltern das selbst beschreiben oder so initiieren, dass man eben etwas ganz Besonderes ist. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Es ist nur eine Seite der Medaille, finde ich.

Weiterlesen

Der Unterschied

by Simone

Es gibt da einen Unterschied, über den wir uns einmal Gedanken machen sollten: es gibt ein großes Spektrum an Behinderungen und Pflegebedürftigkeiten. Dies bedeutet wiederum, dass die Herausforderungen für die Betroffenen und ihre Familien sehr sehr verschieden sein können.

Weiterlesen

Buchtipp für mehr Gespräche über Inklusion: “Ich bin Mari” von Shari und André Dietz

by Simone

Ich bin ja Germanistin und liebe das geschriebene Wort. In meiner Welt bedeutet Sprache Macht und daran glaube ich! Ich bin mir sicher, dass Gespräche, Bücher und die Art und Weise wie wir die Welt beschreiben einen Unterschied machen. Sprache prägt unsere Kinder und unseren Umgang mit unseren Mitmenschen. Sprache formt unser Weltbild von Kindesbeinen an. Worte können wie eine sanfte Umarmung sein oder eine klaffende Wunde hinterlassen. Und deshalb braucht unsere digitale Welt immer noch Bücher. Bücher die uns lehren und Träume schenken. Bücher die unsere Werte weitertragen. Und genau so ein Buch ist „Ich bin Mari“ von Shari und André Dietz.

Weiterlesen

Ich bin nicht die Lösung

by Simone

Aktuell ist Inklusion von behinderten Kindern vom Willen und dem Engagement einzelner Menschen abhängig. Menschen, die für wenig Gehalt eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe als persönliche Assistenz , Integrationskraft oder Schulbegleitung übernehmen. Und sie ist von mir abhängig, oder von meinem Mann. Von Eltern. Wir sind die Lösung. Wir ermöglichen, kämpfen, werden laut und sollen die Stimme unserer Kinder sein. Obwohl wir das gar nicht sein können, denn sie haben ihre eigene Stimme, ihre eigenen Wünsche, ihre eigene Persönlichkeit. Warum das alles? Weil wir als die Lösung gesehen werden. Elternschaft heißt aber nicht, dass man per Geburt des Kindes zum Inklusionsaktivisten wird, und, dass man das auch kann. Aber die Anspruchshaltung ist da: es ist dein Kind, also regle. Therapeuten erwarten gute therapeutische Ergebnisse und Mitarbeit von den Eltern. Ärzte erwarten Kooperation und Verständnis bei schwierigen Eingriffen und langen Krankenhausaufenthalten.  Pädagogen erwarten Verständnis, dass das behinderte Kind halt nicht immer dabei sein kann und Verwandte erwarten Verständnis, dass man damit halt nicht gut umgehen kann. Das ist ja auch ein Schicksalsschlag, nicht?

Also sorgen wir täglich für Inklusion im privaten Rahmen, mit viel Aufwand. Nicht, weil wir das so gut können, sondern weil alle Eltern für ihre Kinder eine gute Zukunft möchten. Und die wollen wir selbstverständlich auch für unsere Kinder mit Behinderung. Eine mit Möglichkeiten. Eine mit Berufswünschen, erster Liebe und eigener Wohnung. Eine, die ist wie die von gesunden und nichtbehinderten Menschen. Und ich wette, bei jedem, der diese Zeilen jetzt liest, kommt sofort der Gedanke, dass das niemals möglich ist! Ich sage euch, das wäre es, wenn ihr es genauso wollen würdet, wie wir!

Aber im gesamtgesellschaftlichen Habitus ist immer noch ein Gedanke tief verankert: wir sollen nicht immer so viel wollen für Menschen mit Behinderung. Seid doch mal dankbar. Ich frage mich, warum denn nicht, hm? Wieso sollte ich denn für mein behindertes Kind nicht dieselbe schöne Zukunft gestalten wollen, wie die für ein nichtbehindertes?

Mein Sohn war noch keine sechs Monate alt und Ärzte sagen mir, dass mein Kind nichts können wird. Lieber schon mal auf die schwierige Zukunft vorbereiten, denkt sich die Fachperson. Falls es dann widererwartet doch besser läuft, freut die Mama sich auch mehr. Interessant ist das durchaus, finde ich, dass man gerade in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren einem behinderten Kind so gar nichts zutraut. Lieber gleich mal klar stellen, dass da gar keine Erwartungen da sind. Zuhause bei Mama bis zur Förderschule, danach Behindertenwerkstatt. Das ist die Lösung, für die wir als Familie, für die unsere Kinder dann auch noch dankbar sein sollen! Es tut mir leid, dafür bin ich nicht dankbar. Ich frage dich, bist du Vater, Mutter, Oma, Opa, Schwester, Bruder? Würdest du diese Zukunft  für einen Angehörigen aus deiner Familie wollen? Nein? Warum befürwortest du das dann für mein Kind?

Inklusion ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag. Sie ist gesetzlich verankert. Sie ist ein Menschenrecht. Aber wir brauchen trotzdem immer noch Protesttage zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, wie heute am 5. Mai. Weil es noch lange nicht in den Köpfen der Menschen angekommen ist, dass Teilhabe immer noch ein fucking Privileg ist!

Ich als Mutter bin nicht die Lösung des Problems. Denn ich kann das alleine überhaupt nicht schaffen. Das ist Utopie und trotzdem versuche ich es jeden Tag. Manchmal erfolgreich, manchmal weniger erfolgreich.  Diese Woche war mein chronisch krankes Kind mit seiner Kindergartengruppe auf einem Ausflug. Er war das glücklichste Kind des Tages. Er war einfach ein Kind, wie alle anderen 16 Kinder eben auch. Die Vorarbeit, dass er daran teilnehmen konnte, war enorm und ohne seine persönliche Assistenz, die alles gegeben hat, wäre es auch niemals möglich gewesen. Sie sorgte dafür, dass er seine Medikamente bekommt, Nahrung, Flüssigkeit und überwachte seine Vitalparameter. Sie sorgte für einen Tag Kindheit für meinen Sohn. Er konnte ohne Eltern an dieser Fahrt teilnehmen, wie alle anderen Kinder auch! Das war wichtig für seine Entwicklung, für sein Selbstbewusstsein. Er ist ein Vorschulkind und es muss möglich sein, dass er ohne mich an solchen Ausflügen mit dabei ist.

Letztes Jahr um dieselbe Zeit schrieb ich: zwei Geburtstagsfeiern diese Woche haben mich als pflegendes Elternteil an meine Grenzen gebracht. Beide Erlebnisse haben mir wieder gezeigt: der krampfhafte Versuch meinerseits Normalität für ein Kind mit Behinderung und Pflegebedarf zu schaffen, ist falsch. Es erfordert von uns als Familie einen zu hohen Einsatz. Teilhabe heißt für uns auch manchmal uns den Stress nicht anzutun und eben nicht teilzunehmen. Ich kann als Elternteil keine Lösung für fehlende Inklusion sein. Ich bin nicht die Lösung, weil mein Kind nicht das Problem ist. Und auch, weil es nicht meine Aufgabe sein sollte. Ich bin Mutter. Aber seit sechs Jahren spiele ich zusätzlich Inklusionsfachkraft. Und betreibe Aufklärungsarbeit in meinem Umfeld. Gesamtgesellschaftlich werden Behinderung und Krankheit immer noch nicht mitgedacht. Es ist ein strukturelles Problem, dass ich als Elternteil für die Teilhabe meines behinderten Kindes allein Sorge tragen muss. Ich gleiche angebliche Defizite aus und sorge so für scheinbare Normalität für mein Kind. Er bemerkt es noch nicht. Noch fühlt er sich integriert, weil ich noch für seine Teilhabe sorge. Aber mein sechsjähriges Kind wird irgendwann auch allein zu Spieletreffen gehen wollen. Leider wird das wirklich schwer werden das umzusetzen, denn im Moment kann er noch nicht für sich selbst sorgen und einstehen.

Mittlerweile bemerkt mein Sohn durchaus, dass er des Öfteren ausgeschlossen und separiert wird. Er ist 7 Jahre alt und er weiß, dass er anders behandelt wird, als seine Freunde im Kindergarten. Es ist ihm gegenüber nicht fair, dass er immer alles in Begleitung seiner Eltern machen soll. Ich bin nicht die Lösung, ich bin seine Mama und er muss die Möglichkeit bekommen selbständig zu leben. Die Lösung ist vielmehr, dass ein strukturelles Problem, nämlich das Fehlen der Inklusion in diesem Land, behoben werden muss. Und dazu kann jeder Einzelne beitragen.

Über (schulische) Integration in der Schweiz

by Simone

Heute begrüßen wir Nadine (Instagram: @inklu_do) mit einer weiteren Perspektive zum Thema inklusive Beschulung. Nadine berichtet von ihren Erfahrungen in der Schweiz. Ihre Tochter wird nun seit mittlerweile einem Jahr zuhause im Homeschooling beschult – Larina hat das Downsyndrom und ist 11 Jahre alt. Nadine berichtet sehr berührend über die Probleme mit der Inklusion, die ihre Familie ab dem Kindergarten dann begleiteten und warum sie sich letztlich für eine Beschulung zuhause entschieden haben.


Unsere Larina ist nun 11 Jahre alt, sie hat das Down Syndrom. Seit etwas mehr als einem Jahr unterrichten wir sie im Homeschooling. In einigen Kantonen der Schweiz ist das erlaubt, so auch bei uns in Bern. Wir haben ohne Probleme die Bewilligung bekommen. Aber so ganz freiwillig machen wir das nicht. Mir fehlen für Larina die Kindergruppe, der Turnunterricht, das gemeinsame Gestalten, die Lieder und Spiele, die Schulreise und einfach der tägliche soziale Kontakt. Den hatte sie mal! Sie durfte so selbstverständlich mit drei jährig in die Spielgruppe, wie vorher auch ihre beiden Geschwister. Die Kinder konnten mit ihr Inklusion lernen, sie hören, sie sehen, sie kennenlernen und sie ganz normal finden. Auch in der Kita hatten wir grosses Glück, Larina war voll dabei, ohne besondere zusätzliche Begleitung. Kein Wunder, dass auch der Kindergarteneinstieg hier im Dorf geglückt ist! Es war unglaublich berührend mitzuerleben, wie sich Larina jeden Morgen fröhlich vor dem Kindergarten in die Kinderschar einreihte! 6 Lektionen für eine Heilpädagogin wurden zu dieser Zeit als Maximum an Begleitung im Kanton Bern gesprochen. Trotzdem durfte Larina ihr Pensum bald aufstocken und fast so viel in den Kindergarten gehen, wie die anderen Kinder. Die grossen Mädchen nahmen sie so gerne mit ins Spiel und kümmerten sich rührend. Larina bekam auch Freundebücher mit nach Hause und wurde zu Geburtstagen eingeladen.

Weiterlesen

Powerfrau, Supermom, Workingmom, pflegende Mutter – Gedanken zum Frauentag

by Simone

Ich bin eine Frau und ich bin eine pflegende Mutter. Meistens bin ich weniger Frau und mehr Mutter und ganz viel Pflege. Und es gibt Menschen, die finden, dass ich mich als Frau echt verändert habe in den letzen sieben Jahren, als ich Mutter wurde und dann auch noch pflegende Mutter. Ich wurde anstrengend. Vorher war ich angepasst und habe funktioniert. Ich hatte einen gesellschaftlich anerkannten Job, bin Akademikerin und einen intellektuellen Freundeskreis. Ich ging ins Theater, auf Reisen und diskutierte. Jetzt pflege ich. Frau bin ich immer noch. Aber ich stelle Ansprüche und Erwartungen, dass pflegende Mütter mehr Sichtbarkeit bekommen und mehr gesellschaftliche Anerkennung. Ich bin politisch geworden.

Jetzt finden Menschen mich unbequem. Sie nennen mich feministisch. Sie fragen, warum ich mich nicht einfach um mein Kind kümmere. Und, dass es doch normal ist, dass ich mein Kind pflege. Denn ich bin Mutter und Frau. Das sei doch meine Aufgabe. Warum regt es mich denn so auf, dass ich wegen der Pflege meines Kindes nicht mehr Vollzeit arbeiten gehen kann? Ich kann doch zufrieden sein. Ich habe einen Mann, der das Geld nach Hause bringt, der für uns da ist. Er sorgt für uns. Das ist doch gut. Und ich antworte trotzig: ich will aber arbeiten! Ich arbeite gerne und ich will mein eigenes Geld verdienen! Ich mag es, meinen Verstand zu beschäftigen. Ich gehe gerne arbeiten und ich will das selbst entscheiden dürfen. Und nicht fremdbestimmt werden, nur weil die Pflege meines Kindes so aufwendig ist, dass ich 4 Jahre nicht mehr arbeiten konnte, weil wir als Familie einfach überhaupt keine Unterstützung bekommen haben.

Weiterlesen

Über Zugehörigkeiten, Zebras und eine Community am Rare Disease Day

by Simone

„Wenn Du Hufgetrappel hörst, dann denke alle an Pferde und nicht an Zebras.“ Eine Redewendung, die in der Medizin deutlich machen soll, dass häufige Krankheiten wahrscheinlicher sind als seltene, auch wenn die Symptome eines Patienten zu beidem passen würden. Für rund vier Millionen Menschen in Deutschland ist genau das ein Problem: Sie sind Zebras, denn sie haben eine seltene Erkrankung. So wurde das Zebra zum internationalen Symboltier für die seltenen Erkrankungen.” Quelle Willkommen in der Welt der Zebras am “Tag der seltenen Erkrankungen” 2023.

Weiterlesen