Das Vereinbarkeitsdilemma. Ein Frauenthema?

by Anna

 

Es ist ein Miroboard mit einer Zusammenfassung der Antworten zu sehen.

Danke an Bárbara für das Zusammenstellen dieser wunderbaren Graphik.

Wer ist eigentlich berufstätig unter den Pflegenden und aus welchen Gründen? 

Bald ist wieder Equal Care Day, so wie jedes Jahr, und seien wir mal ehrlich: Wer von den pflegenden Familien hier auf der Plattform und generell schafft es, das 50/50-Modell zu leben, in einer Gesellschaft, die familiäre Pflege mit Ehrenamt gleichstellt? Selbstverständlich ist Pflegearbeit in unserer Gesellschaft ein Teil der Fürsorgearbeit! Und wer verrichtet 2025 die Fürsorgearbeit? Ganz genau – es sind immer noch vor allem die Frauen, was zu realen geschlechtsspezifischen Ungleichheiten führt, die sich über verschiedene Aspekte ihres/unseres Lebens ziehen. Das hat sowohl individuelle als auch gesamtgesellschaftliche Konsequenzen – und politische Ursachen.

Wir haben auf unserem Instagram-Kanal einmal nachgefragt, was euch beschäftigt in Sachen Erwerbstätigkeit und Pflege. 71 Antworten haben wir bekommen – vorwiegend von Frauen bzw. pflegenden Müttern. Und ihr habt geantwortet und erzählt, wie ihr euch mit dem Spagat aus Beruf und Pflege fühlt. Es gibt wirklich sehr viele Übereinstimmungen. Es ist ein Meinungsbild, dem wir (die Autorinnen – Simone, Anna und Bárbara) uns anschließen können. Lasst uns mal genauer hinsehen.

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Warum die Zeit jetzt drängt: Monitoring des NIPT muss auf die Agenda!

by Bárbara Zimmermann

Du hast sicher schon gehört oder gelesen, dass seit Juli 2022 die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für den nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) auf Trisomien 13, 18 und 21 übernimmt. Die Entscheidung des Bundestags kam ohne tiefgehende Diskussion zu den ethischen Fragen, die untrennbar damit verbunden sind und was das für unsere Gesellschaft bedeuten kann. Die Zusicherung war klar: Es dürfe keinesfalls zu einem massenhaften Screening auf das „Down-Syndrom“ kommen.

Doch jetzt, kaum zwei Jahre später, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Der Test wird eben nicht nur „im Ausnahmefall“ genutzt, sondern deutlich häufiger – häufig ohne ausreichende Beratung. Besonders bei jungen Schwangeren führen falsch-positive Ergebnisse zu unnötigen Sorgen und manchmal weitreichenden Entscheidungen. Was sagt uns das über die Umsetzung dieser Kassenzulassung? Welche Konsequenzen kann sie für Individuen und für die Kollektivität mit sich bringen? Was können wir daraus lernen, um die Situation zu verbessern?

Genau hier setzt der interfraktionelle Antrag auf ein Monitoring der NIPT-Folgen an. Der Bundesrat hat diesen Antrag einstimmig befürwortet. 121 Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen haben ihn in den Bundestag eingebracht, die erste Lesung ist durch, und der Gesundheitsausschuss hat ihn ebenfalls einstimmig befürwortet. Doch die Abstimmung am 8. November 2024 wurde kurzfristig gestrichen – eine Folge der politischen Unsicherheiten der Ampel-Koalition.

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Spielen wir Demokratie? Aber im Ernst!

by Bárbara Zimmermann

 „Wenn große Gruppen von Menschen in unserer Gesellschaft von anderen ausgegrenzt werden, schwächt dies das Gefüge unserer Gesellschaft. Wenn wir zulassen, dass wir langsam zu einem Land werden, in dem wir uns einfach nicht mehr in andere hineinversetzen können, werden wir die Komplexität von Diskriminierung und die damit verbundenen Gefühle nicht mehr verstehen. (…) Wir müssen aus der Passivität – aus dem Gefühl, eine einsame individuelle Stimme zu sein – zu einer aktiven kollektiven Stimme werden“.

Das sind die letzten Worte von Judith Heumann in ihrem sehr empfehlenswerten Buch „Being Heumann. The unrepentant Memoir of a Disability Rights Activist“. Ich habe viel von ihr gelernt, schon damals im Film Crip Camp – auch sehr zu empfehlen!

Zu Beginn des Buches erzählt Heumann, wie ihre Mutter eine Pilgerreise unternahm, um ihr als behindertes Kind den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Dieser Weg und diese Odyssee kamen mir sehr bekannt vor, obwohl es in diesem Teil des Buches um ihre Kindheit in den 50er Jahren in den USA handelt. Und heute, 70 Jahre später, kämpfen wir pflegenden Mütter weiter. Wie viele Generationen von Familien mit behinderten und chronisch kranken Kindern werden noch so leben müssen?

Wie wäre es aber, wenn wir in einer Welt leben könnten, in der Familien die notwendigen Strukturen hätten, um sich um ihre Kinder und die Pflege ihrer Angehörigen zu kümmern – mit ausreichenden Ressourcen? Wie wäre es, wenn Pflege nicht automatisch mit Armutsrisiko, psychischer Erschöpfung und sozialer Ausgrenzung verbunden wäre? Das wäre wirklich gut! Brenda könnte Urlaub auf Mallorca machen, Simone könnte mit einem tollen Team ihr Drachenkind pflegen und gleichzeitig erwerbstätig sein. Das wäre doch gut – und so sollte es sein! Mit der Petition für die Weiterzahlung des Pflegegeldes nach 28 Tagen kämpfen wir genau für dieses Ideal: für mehr Gerechtigkeit für Familien mit pflegebedürftigen Kindern. 

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#mehrals28Tage – eure Stimmen und Geschichten – Teil 1

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Mehr als 28 Tage Weiterzahlung des Pflegegeldes bei stationärem Aufenthalt im Krankenhaus fordern wir zusammen mit lavanja, Isa von Seelenfrida und Verena von der Hölderlin-Initiative mit dem Hashtag #mehrals28Tage. Und ihr habt diese Forderung lautstark unterstützt, indem ihr den Hashtag benutzt habt, die Petition auf innn.it unterschrieben und andere zum Unterschreiben aufgefordert habt.

Dafür tausend Dank! Die (aktuell) über 19 000 Unterschriften haben wir euch zu verdanken! Menschen werden durch eure Stimmen und Geschichten auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam und wollen helfen, etwas zu verändern. Um euren Texten ein weiteres Zuhause neben Instagram zu geben, veröffentlichen wir einige davon an dieser Stelle. Danke, dass ihr sie uns zur Verfügung stellt.

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Plädoyer für Inklusion

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Aleksandra.

Die dritte Schulvorstellung für die erste Klasse in einer Grundschule. Ich sitze mit meinem Kind, M., im Sekretariat und zum dritten Mal werde ich vom Sonderpädagogen gefragt: „Wollen Sie doch nicht eine Förderschule?“ Und ich denke mir zum dritten Mal „Nein, verdammt, deswegen sitze ich hier und nicht in einer Förderschule“, antworte aber freundlich und bestimmt „Nein, die Förderschule kommt für mich nicht in Frage, weil…“

Warum eigentlich nicht? Alle schwärmen so von den Förderschulen, wenn es um mehrfach behinderte Kinder geht. Sie würden so tolle Therapien bekommen, schwimmen, reiten, eigener Motorikraum, alle kennen sich mit Unterstützer Kommunikation aus…Manchmal hört sich das für mich an, wie Zauberschulen mit Feen, die alles gerade biegen, emotionale Störungen, körperlichmotorische, sprachliche, sogenannte geistige, schön nach Förderschwerpunkten aufgeteilt. Und dann das schlimme Gegenteil an den Regelschulen: überfüllte Klassen, Lehrer*innen, die keine Erfahrung mit behinderten Kindern haben, zu wenig Personal, Mobbing…Will ich das wirklich meinem Kind antun?!

Meine Antwort wird immer „Ja“ bleiben. Weil es hier nicht um Physiotherapie oder Logopädie geht oder meine Entlastung als Mutter. Es geht um ein Menschenrecht, das Recht meines Kindes auf Bildung nach Art.24 der UN BRK.

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Behandlungsfehler unter der Geburt

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Auf Kaiserinnenreich wollen wir ein Raum für vielfältige Lebensrealitäten von pflegenden Eltern sein. Dazu gehört auch Melissas (Instagram: @melissa_und_klein_a) Geschichte. Sie berichtet uns über ein Thema das leider noch Realität in Deutschland ist: dass Geburt nicht immer eine sichere Erfahrung für viele gebärende Personen und Babys ist. Strukturelle Probleme, von denen wir viele in der Geburtshilfe haben, erhöhen das Risiko von u.a. Geburtsschäden. Melissas Baby ist auf Grund von Behandlungsfehlern mehrfachbehindert auf die Welt gekommen.

Mother Hood e.V. ist eine wichtige Stimme in Deutschland und setzt sich für sichere Geburten und die Rechte von Frauen und Familien ein. “Personalmangel sowie zeitliche Verzögerungen in der Hinzuziehung eines Arztes oder der Ärztin, der Entscheidung und in der Durchführung von Interventionen und bei Verlegungen/ Transporten” sind Risikofaktoren, die zu Geburtsschäden führen können, berichtet Mother Hood.

Es ist Aufgabe der Politik in die Geburtshilfe gemäß zu investieren, damit Familien wie Melissas eine andere Geschichte leben und schreiben können, als diese die sie mit uns teilt.

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Über Annas und Elsas. Über Katheterisieren und Politik

by Bárbara Zimmermann

„Es tut uns leid, aber Ihr Kind ist uns zu billig“, hörte Manuela die Absage vom Pflegedienst.

Sie lebt mit ihrer Familie in der Stadt, war damals mit ihrem zweiten Kind hochschwanger und sehr erleichtert, als sie nach mehreren Monaten endlich einen Pflegedienst gefunden hat, der – so dachte sie – auch Kinder betreut.

Ihr erstes Kind hat Spina bifida, wie auch meins. Laura wird mehrmals am Tag katheterisiert (d.h. die Einführung eines Einwegkatheters in die Harnröhre für die Entleerung der Blase), was während der Kindergartenzeit von einer Pflegekraft eines Pflegedienstes übernommen wird. Nein, nicht von dem Pflegedienst der ihr diese unverschämte Antwort lieferte – es ist mir klar, dass wenn ein Pflegedienst so eine Aussage gibt, dass sie auch Ausdruck der Pflegekrise ist, die stark in Deutschland herrscht. Manuela und ihr Mann mussten weitersuchen, bis sie endlich Glück hatten. Ja, in einem Bereich wie Pflege und Inklusion, in dem eine angemessene Unterstützung eigentlich selbstverständlich sein sollte, sind wir in Deutschland darauf angewiesen, Glück zu haben. Pech kommt aber leider auch oft vor. Es sind viele Verhandlungen und guter Wille nötig. 

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Wie, du arbeitest noch? Wenn Berufstätigkeit zum Privileg wird

by Simone

Ich bin seit drei Jahren eine berufstätige pflegende Mutter. Und ich habe meine Berufstätigkeit während der ersten vier Lebensjahre als pflegende Mutter unheimlich vermisst. Ich habe mich ständig selbst hinterfragt, warum ich das nicht hin bekomme – Arbeit und Kind. Dabei habe ich gepflegt, vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche. Ein Kleinkind mit Pflegegrad vier, 100 Prozent Schwerbehinderung und chronisch krank. Gelebt habe ich auf Kinderstationen und trotzdem: ich wollte zurück ins Berufsleben. Mein ursprünglicher Plan nach einem Jahr Elternzeit in meine Agentur zurückzukehren war einfach gescheitert – so im Vorbeigehen. Es wäre unmöglich gewesen. Es gab keine Betreuungsmöglichkeiten für mein schwer krankes Baby und welcher Arbeitgeber hätte mir ständig frei gegeben für die vielen Krankenhausaufenthalte? Ich wurde zu einer gesellschaftlichen Randgruppe. Niemand interessierte sich mehr für meine Ausbildung, für meine akademische Laufbahn oder mein Können. Niemand interessierte sich mehr für mich als Arbeitnehmerin.  Am Rand der Gesellschaft wird die Frage nach der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ins Private gedrängt. Deshalb  brauchen wir in Deutschland hier und jetzt eine politische Auseinandersetzung zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Quelle: Pexels. Fotograf: Tima Miroshnichenko

Zwei pflegende Mütter hatten diesen Sommer Unglaubliches für berufstätige pflegende Eltern ins Rollen gebracht. Sie haben eine Petition für 10 Tage Sonderurlaub gestartet und erfolgreich 30.000 Unterschriften gesammelt. Damit konnten Sie uns Gehör beim Bundestag verschaffen. Leider musste dann für ein entsprechendes Gesetz eine weitere Petition vom Bundestag mit 50.000 Unterschriften nachgelegt werden. Am 30. November endete die Frist der Petition mit rund 16.000 Unterschriften. Es wurde viel diskutiert, welche Hürden es gab, warum es nicht geklappt hat. Ich denke immer noch, dass es auch daran lag, dass viele Menschen sich keinerlei Vorstellung von unserem Alltag machen – außer, sie stecken mitten drin. Mir war vor der Geburt meines Kindes auch nicht bewusst, wie wenig Hilfe es tatsächlich gibt, die auch ankommt. Wir pflegenden Eltern gleichen sogar den Pflegenotstand auf Kinderstationen aus. Wir übernachten dort und erhalten bei längeren Aufenthalten (mehr als 28 Tage) nicht mal mehr das monatliche Pflegegeld.

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