Das Dazwischen

by Bárbara Zimmermann

Vor einigen Tagen hatte meine jüngste Tochter Geburtstag. Drei Jahre alt ist sie geworden. Es ist nicht viel, könnte man sagen. Aber was sie und wir als Eltern in diesen letzten drei Jahren erlebet haben, fühlt sich manchmal wie 30 Jahre an!

Wie bei ihren ersten und zweiten Geburtstagen, war ich jetzt wieder sehr emotional und bewegt. Ich ging in die Zeit zurück und erinnerte mich, was wir damals alles erlebt haben: heute genau vor drei Jahren hatten wir das Vorgespräch mit den Ärzt*innen für die Geburt; um diese Uhrzeit vor drei Jahren waren wir auf dem Weg in die Klinik am Tag der Geburt und dabei haben wir schöne brasilianischen Lieder im Auto gehört und gesungen (oder besser gesagt, nur ich habe gesungen. Mein Mann war sehr still); damals um diese Uhrzeit spürte ich eine enorme Angst in meinem ganzen Körper im Vorbereitungsraum vor dem Kaiserschnitt; vor drei Jahren um 9.16 hörte ich die freudige Ankündigung “Es ist ein Mädchen!”; und dann die 14 Stunden zwischen ihrer Geburt und dem Moment wo ich sie wieder sehen konnte; ihre OP am nächsten Tag von 8.00 bis 12 Uhr…. Die Liste ist lange.

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Und wie machst du das, Fredi?

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Es gibt viele Frauen, deren Schriften ich besonders gerne lese. Fredi ist eine dieser Frauen.
Ihre klare Art  zu schreiben  und der sehr gute Content auf ihrem Instagram-Account laden mich immer zum Nachdenken ein.
Sie bringt für mich Qualitäten zusammen, die ich besonders schätze: scharfe gesellschaftliche Kritik, wenn es um Inklusion und Ableismus geht,
eine große Resilienz und das Gefühl, dass die Liebe zu ihrem kleinen Lion auch vieles bewirken kann.
Ich freue mich sehr, Fredis Gesicht hier bei uns im Blog sehen zu können. (Bárbara)

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Ein schöner Tag

by Jasmin Dickerson

Frühling auf dem Balkon mit Sneakers

Meine dreieinhalbjährige Tochter hat das Pitt Hopkins Syndrom, eine seltene genetische “Anomalie”, durch die sie mit  muskulärer Hypotonie, Kurzsichtigkeit und anderen Dingen lebt.
Sie ist nonverbal, das heißt sie spricht (bisher) nicht. und sitzt im Rollstuhl. Viel zu oft muss (und möchte) ich von den Herausforderungen in ihrem und unseren Leben durch ihre Behinderung erzählen aber es ist mir wichtig, auf diesem Blog auch einmal einen Einblick in einen ganz gewöhnlichen, unspektakulären Tag in unser Leben zu geben denn “normal” sieht für uns alle anders aus: Weiterlesen

Meine Muskulatur

by Bárbara Zimmermann

Geplant hatte ich einen Text über die Liebe zu meinem Kind zu schreiben. Er war sogar fast fertig. Aber morgen habe ich ein Telefonat mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK). Es geht um unseren Antrag für die Erhöhung des Pflegegrades von unserer Tochter. Es ist genau 22.41 Uhr und ich sitze am Küchentisch und habe den Rest meines Abends mit Zoes erstem Order, der mit den unzähligen Unterlagen schon am Platzen ist. Eine treue Gesellschaft von den letzten drei Jahren. Weiterlesen

Und wie machst du das, Lena?

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Irgendwann in der Zeit, nachdem mein drittes Kind zur Welt kam und als ich noch kaum etwas anderes als Panik spüren konnte, entdeckte ich Lena. Irgendein Hashtag führte mich auf ihre Seite, als ich auf der Suche nach den Menschen hinter den medizinischen Fachartikeln und Symptomlisten war. Ich fühlte direkt eine Verbundenheit. Wir teilten den Schmerz und die Liebe in einer Welt nach der Diagnose. Wochen später schrieb ich in meine Story auf Instagram, dass mir jede*r Themen oder Fragen schicken könnte. Und sie schrieb mir die Frage, die ich mir auch stellte: Wie macht man weiter? Zwischen ihren Worten fühle ich ihre Verletzlichkeit und Erschöpfung und ebenso ihre Liebe und Kraf, die alles zusammenhält. Uns erzählt sie, wie sie das macht. Weiterlesen

Und wie machst du das, Anna?

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ich habe Anna online kennengelernt. Eines unserer ersten Gespräche handelte davon, wie wichtig es ist, dass Kinder mit Behinderung sichtbar sind – auch online. Sie schrieb mir: “Ich habe hier auf Insta mehr alike-Eltern von behinderten Kindern “getroffen” als in den verschiedenen Krabbelgruppen hier vor Ort.” Social Media kann für Menschen, die im echten Leben oft übersehen und überhört werden, eine Bühne sein. Eine Bühne, die zu Sichtbarkeit und Austausch genutzt werden kann. Eine Bühne, die Gemeinschaft und Bewusst sein schafft. Das alles tut Anna auf ihrem Instagram-Account. Sie schreibt über den Alltag mit drei Kindern, davon zwei mit Behinderung, Rassismus und Bratensoße. Uns erzählt sie, wie sie es macht. Weiterlesen

Über Stimmen, Hände und Zugehörigkeit

by Bárbara Zimmermann

Ich habe einmal bei einer brasilianischen Schriftstellerin gelesen, dass das Größte, was wir haben, unsere eigenen Geschichten sind. Sie schrieb, dass eine Geschichte Menschen an die Hand nehmen kann. Mareices Geschichte und ihre Stimme waren eine solche Hand, die ich gefunden habe, als ich vieles bei mir neu definieren musste und dabei meine Stimme leise wurde. Weiterlesen

Das Unwohlsein der modernen Mutter

by Mareice Kaiser

Das Buch zum Essay gibt’s ab April 2021 bei Rowohlt.

Dieser Text entsteht als Sprachnachricht auf dem Fahrrad, ich fahre vom Büro zur Kita. Zehn Minuten habe ich noch, bevor die Kita schließt. Wenn ich schnell fahre, brauche ich eine Viertelstunde. Während ich auf meinem Fahrrad in mein Smartphone spreche, fahre ich über zwei rote Ampeln und das ist mehr als eine Metapher. Ich bin spät dran, wie immer. Gern hätte ich heute noch länger gearbeitet. Mein Kind mag es nicht, wenn es pünktlich abgeholt wird. Pünktlich bedeutet hier 16 Uhr, Schließzeit der Kita. Um 16 Uhr bin ich fast immer die Mutter, die später kommt als alle anderen Eltern. Ich habe keine Ahnung, wie die anderen Familien das machen. Weiterlesen

Von Rollenbildern, Schablonen und Freiheit

by Mareice Kaiser

„Dich hätte ich als Role Model gebraucht, als Lotte klein war“ – einer der ersten Sätze meiner Freundin Manu, als wir uns kennenlernten. Sie selbst ist Journalistin, smart, hübsch, schlau, Mutter von zwei Kindern, mit und ohne Behinderung. Ich, ein Vorbild für diese coole Frau? „Warum das denn?“, fragte ich zurück. „Einfach deine Perspektive; das Wissen, dass das Leben nicht vorbei ist mit einem behinderten Kind. Das hätte ich damals gebraucht.“

Und ja, ich wusste sofort, was sie meinte. Auch ich dachte, mein Leben sei vorbei, in den ersten Tagen auf der Intensivstation mit unserer Tochter, zwischen Inkubator und Diagnosesuche. Ich kannte weder behinderte Kinder, noch ihre Eltern. Beim Wort „Selbsthilfegruppe“ bekam ich eine Gänsehaut, in der inklusiven Krabbelgruppe, zu der ausschließlich behinderte Kinder mit ihren Eltern kamen, fühlte ich mich unwohl. Weiterlesen