Wut und Verzweiflung – Wenn Inklusion mit Füßen getreten wird

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Stell dir vor, du hast endlich einen heiß begehrten Kita-Platz für dein Kind bekommen, und dann darf es doch nicht hingehen. So ergeht es aktuell vielen Eltern in NRW, deren Kinder eine schwere Behinderung haben und daher auf eine Inklusionskraft, sogenannte Kita-Assistenz, angewiesen sind. Ohne diese 1:1-Betreuung ist es für die Kinder unmöglich, am Kita-Alltag teilzunehmen und Teil der Gemeinschaft zu sein.

Meine vierjährige Tochter Fritzi ist aufgrund eines seltenen Gendefekts schwer mehrfachbehindert. Sie ist das einzige schwer behinderte Kind in ihrer Kita. Sie kann nicht sprechen, nicht laufen, nicht alleine sitzen, nicht alleine essen oder trinken. Ohne ihre geliebte Inklusionskraft Janna könnte sie nicht dorthin gehen. Janna tanzt mit ihr, malt und bastelt mit ihr, stützt sie, wenn sie laufen will, und übersetzt ihre Körpersprache für die anderen Kinder. Sie ist Fritzis Schlüssel zur Kita-Welt. In den letzten zwei Jahren wurde uns die Assistenz ohne Probleme in der notwendigen Stundenanzahl bewilligt. Doch 2024 mussten wir uns sorgen.

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Spielen wir Demokratie? Aber im Ernst!

by Bárbara Zimmermann

 „Wenn große Gruppen von Menschen in unserer Gesellschaft von anderen ausgegrenzt werden, schwächt dies das Gefüge unserer Gesellschaft. Wenn wir zulassen, dass wir langsam zu einem Land werden, in dem wir uns einfach nicht mehr in andere hineinversetzen können, werden wir die Komplexität von Diskriminierung und die damit verbundenen Gefühle nicht mehr verstehen. (…) Wir müssen aus der Passivität – aus dem Gefühl, eine einsame individuelle Stimme zu sein – zu einer aktiven kollektiven Stimme werden“.

Das sind die letzten Worte von Judith Heumann in ihrem sehr empfehlenswerten Buch „Being Heumann. The unrepentant Memoir of a Disability Rights Activist“. Ich habe viel von ihr gelernt, schon damals im Film Crip Camp – auch sehr zu empfehlen!

Zu Beginn des Buches erzählt Heumann, wie ihre Mutter eine Pilgerreise unternahm, um ihr als behindertes Kind den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Dieser Weg und diese Odyssee kamen mir sehr bekannt vor, obwohl es in diesem Teil des Buches um ihre Kindheit in den 50er Jahren in den USA handelt. Und heute, 70 Jahre später, kämpfen wir pflegenden Mütter weiter. Wie viele Generationen von Familien mit behinderten und chronisch kranken Kindern werden noch so leben müssen?

Wie wäre es aber, wenn wir in einer Welt leben könnten, in der Familien die notwendigen Strukturen hätten, um sich um ihre Kinder und die Pflege ihrer Angehörigen zu kümmern – mit ausreichenden Ressourcen? Wie wäre es, wenn Pflege nicht automatisch mit Armutsrisiko, psychischer Erschöpfung und sozialer Ausgrenzung verbunden wäre? Das wäre wirklich gut! Brenda könnte Urlaub auf Mallorca machen, Simone könnte mit einem tollen Team ihr Drachenkind pflegen und gleichzeitig erwerbstätig sein. Das wäre doch gut – und so sollte es sein! Mit der Petition für die Weiterzahlung des Pflegegeldes nach 28 Tagen kämpfen wir genau für dieses Ideal: für mehr Gerechtigkeit für Familien mit pflegebedürftigen Kindern. 

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Plädoyer für Inklusion

by Gastbeitrag Kaiserinnenreich

Ein Gastbeitrag von Aleksandra.

Die dritte Schulvorstellung für die erste Klasse in einer Grundschule. Ich sitze mit meinem Kind, M., im Sekretariat und zum dritten Mal werde ich vom Sonderpädagogen gefragt: „Wollen Sie doch nicht eine Förderschule?“ Und ich denke mir zum dritten Mal „Nein, verdammt, deswegen sitze ich hier und nicht in einer Förderschule“, antworte aber freundlich und bestimmt „Nein, die Förderschule kommt für mich nicht in Frage, weil…“

Warum eigentlich nicht? Alle schwärmen so von den Förderschulen, wenn es um mehrfach behinderte Kinder geht. Sie würden so tolle Therapien bekommen, schwimmen, reiten, eigener Motorikraum, alle kennen sich mit Unterstützer Kommunikation aus…Manchmal hört sich das für mich an, wie Zauberschulen mit Feen, die alles gerade biegen, emotionale Störungen, körperlichmotorische, sprachliche, sogenannte geistige, schön nach Förderschwerpunkten aufgeteilt. Und dann das schlimme Gegenteil an den Regelschulen: überfüllte Klassen, Lehrer*innen, die keine Erfahrung mit behinderten Kindern haben, zu wenig Personal, Mobbing…Will ich das wirklich meinem Kind antun?!

Meine Antwort wird immer „Ja“ bleiben. Weil es hier nicht um Physiotherapie oder Logopädie geht oder meine Entlastung als Mutter. Es geht um ein Menschenrecht, das Recht meines Kindes auf Bildung nach Art.24 der UN BRK.

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Über Annas und Elsas. Über Katheterisieren und Politik

by Bárbara Zimmermann

„Es tut uns leid, aber Ihr Kind ist uns zu billig“, hörte Manuela die Absage vom Pflegedienst.

Sie lebt mit ihrer Familie in der Stadt, war damals mit ihrem zweiten Kind hochschwanger und sehr erleichtert, als sie nach mehreren Monaten endlich einen Pflegedienst gefunden hat, der – so dachte sie – auch Kinder betreut.

Ihr erstes Kind hat Spina bifida, wie auch meins. Laura wird mehrmals am Tag katheterisiert (d.h. die Einführung eines Einwegkatheters in die Harnröhre für die Entleerung der Blase), was während der Kindergartenzeit von einer Pflegekraft eines Pflegedienstes übernommen wird. Nein, nicht von dem Pflegedienst der ihr diese unverschämte Antwort lieferte – es ist mir klar, dass wenn ein Pflegedienst so eine Aussage gibt, dass sie auch Ausdruck der Pflegekrise ist, die stark in Deutschland herrscht. Manuela und ihr Mann mussten weitersuchen, bis sie endlich Glück hatten. Ja, in einem Bereich wie Pflege und Inklusion, in dem eine angemessene Unterstützung eigentlich selbstverständlich sein sollte, sind wir in Deutschland darauf angewiesen, Glück zu haben. Pech kommt aber leider auch oft vor. Es sind viele Verhandlungen und guter Wille nötig. 

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“Du musst aber verstehen, dass…”

by Bárbara Zimmermann

Dieser Satz! Ich kann ihn nicht mehr hören! Es ist nicht einfach ein Satz, der nach meinem menschlichen oder rationalen Verständnis verlangt. Er geht über meine Menschlichkeit hinaus und fordert etwas von mir, das ich nicht geben kann – und manchmal aus Prinzip geben nicht möchte. Zum einen, weil ich mich oft in den Situationen, wo der Satz vorkommt, leer, ohne innere Ressourcen und Kapazität fühle, JA zu diesen Anforderungen zu sagen, auch wenn ich sehr privilegiert bin. Und zum anderen, weil das, was ich beanspruche, ein garantiertes Recht ist, auf das Anspruch besteht.

Ich bin Mutter von drei Kindern und bevor mein jüngstes und behindertes Kind geboren ist, konnte ich mir nicht genau vorstellen, wie herausfordernd der Alltag von Familien mit behinderten Kindern sein kann. Wer meine Texte und mich kennt, weiß, dass ich nicht von der Behinderung meines Kindes spreche, sondern von den ABERs und LEIDERs spreche, die wir pflegenden Eltern uns immer wieder anhören müssen, wie eine ladainha* ohne Ende. (*Ladainha bedeutet auf Deutsch Litanei, was in Brasilien in der Umgangssprache als eine monotone, lange und ermüdende Wiederholung von Entschuldigungen oder Ausreden zu verstehen ist.)

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Wir haben Corona

by Bárbara Zimmermann

Sich mit Corona zu infizieren, wenn du ein Elternteil eines Kindes mit Behinderung bist, kann eine große Last bedeuten. Auch wenn ich privilegiert bin und einen Partner an meiner Seite habe, mussten wir als Familie mit drei Kindern in den letzten zehn Tagen einiges hier durchmachen. Und das schlimmste, vor dem ich mich fürchtete, ist passiert: wir mussten die Operation unserer Tochter absagen.

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